SAP-Logo an der Konzernzentrale in Walldorf

Gewinneinbruch und Konkurrenz "SAP hat Vormachtstellung verloren"

Stand: 26.01.2023 17:35 Uhr

Lange hatte der Marktführer für Unternehmenssoftware kaum ernsthafte Konkurrenz. Warum schwindet die Dominanz von SAP aber inzwischen so spürbar, dass der Konzern nun auch Tausende Stellen streicht?

Der Ventilatorenhersteller ebm-papst aus Mulfingen in der Nähe von Heilbronn ist das, was Experten einen "Hidden Champion" nennen: Er ist der breiten Masse kaum bekannt, aber Marktführer in seinem Segment. Die Ventilatoren des schwäbischen Mittelständlers sind in Maschinen, Industrieanlagen und Wohngebäuden zu finden. Weltweit beschäftigt das Unternehmen knapp 15.000 Mitarbeitende. Für die wichtigsten Prozesse setzt ebm-papst auf Software des Walldorfer Technologieunternehmens SAP. "SAP ist unsere Kernsoftware", sagt der zuständige Leiter des IT-Bereichs Oliver Kühnle.

Bis vor wenigen Jahren wurden die Unternehmensanwendungen von SAP zumeist lokal auf Servern der Kunden installiert. Programme für Personalplanung, Kundenbeziehung und Buchhaltung waren individuell aufeinander abgestimmt. Echte Alternativen gab es kaum. Inzwischen ist das Cloudgeschäft das wichtigste Marktfeld für SAP. "Für den Kunden gibt es damit jetzt auch die Möglichkeit andere Drittanbieter-Lösungen entsprechend zu integrieren", sagt Jens Hungershausen vom Verein der deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG).

Konkurrenz durch Drittanbieter-Lösung

Ebm-papst nutzt inzwischen eine solche Drittanbieter-Lösung, ergänzend zum vorhandenen SAP-Portfolio. "Wir suchen die jeweils beste Software ihrer Art. Im Bereich des Kundenbeziehungsmanagements setzen wir deshalb inzwischen auf Salesforce. Das System ist in diesem Spezialgebiet dynamischer, moderner und intuitiver zu bedienen", sagt IT-Bereichsleiter Kühnle. "SAP hat aus meiner Sicht in vielen Bereichen seine Vormachtstellung verloren und deckt für uns nicht mehr alle Funktionen von A bis Z ab."

Der IT-Vorstand des Zellstoff- und Sägewerkbetreibers Mercer, Christoph Grewe-Franze, betont, dass es notwendig sei, die Software von Drittanbietern zu nutzen, um konkurrenzfähig zu bleiben. "Es gibt eben Dinge, wo SAP schlecht ist, etwa im Customer-Relationship-Managementsystem. Der einzige Grund, warum es heute Salesforce gibt, ist der, dass SAP bei diesem Bereich zu schwach war. Wir arbeiten auch mit Salesforce", sagt er.

Wer ist die Nummer 1 in Unternehmenssoftware?

Das US-amerikanische Unternehmen ist wohl einer der größten Konkurrenten für SAP und sicherlich der Lauteste. Das Magazin "Wirtschaftswoche" zitierte den Co-CEO Marc Benioff nach einem Auftritt bei einer Salesforce-Kundenmesse im Jahr 2022 mit den Worten: "Salesforce ist nun der größte Anbieter für Unternehmenssoftware in der Welt". Als Basis zieht Benioff Quartalszahlen seines Unternehmens heran.

Eine Momentaufnahme, die einer genaueren Betrachtung am Jahresende nicht standhält: Während SAP bei seiner heutigen Bekanntgabe der Unternehmenszahlen für 2022 auf einen Gewinn vor Steuern von 3,092 Milliarden Euro kommt, weist Salesforce gerade mal 603 Millionen US-Dollar aus. Das Momentum liegt dennoch bei den Amerikanern: Der Umsatz wächst kräftiger als bei den Deutschen. Konkurrenz kommt zudem von Firmen wie Oracle, Workday, Intuit und selbst Google.

"Zu umständlich, zu komplex und zu teuer"

"Bei dem Thema Data Analytics setzen wir auf Google Cloud. Für uns ist das eine Erfolgsgeschichte," sagt Grewe-Franze von Mercer. "Dieses klassische Programm 'Datawarehouse' von SAP nutzen wir nicht, weil es zu umständlich, zu komplex und zu teuer ist." Man zahle jetzt nur noch ein Zehntel für vergleichbare Auswertungen.

Solche Entwicklungen machen dem Chef von SAP offenbar keine großen Sorgen: "Wir haben ein sehr breites Portfolio, das ist unsere Stärke", sagt SAP-Chef Christian Klein im Gespräch mit dem SWR. "Wenn wir Partner, wenn wir Start-ups mit dazu ziehen, dann kreieren wir Win-Win-Situationen für alle. Wir können unseren Kunden mehr Nutzen liefern. Deswegen haben wir da hinsichtlich der Anbindung auch an unser Portfolio viel verändert." Ihm sei bewusst, dass man in gewissen Teilbereichen im Wettbewerb mit anderen stehe, aber "auch da sind wir inzwischen sehr zuversichtlich", betont Klein.

Weniger Gewinn und Stellenabbau

Neben wachsender Konkurrenz, laufen SAP auch die Kosten davon. Insgesamt lag der Nettogewinn von SAP 2022 nur bei rund 1,7 Milliarden Euro. "Unter dem Strich verdiente SAP vergangenes Jahr erheblich weniger, als Börsenprofis vorher erwartet hatten. Besonders höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung haben den Gewinn einbrechen lassen, hinzu kommt der Rückzug aus Russland", analysiert Constantin Röse vom ARD-Börsenstudio Frankfurt.

Als Konsequenz will SAP jetzt 3000 Stellen abbauen. Das sei erstmal nicht ungewöhnlich, so Röse: "Eine Reaktion, die wir zuletzt auch bei anderen Tech-Konzernen in den USA gesehen haben."

"SAP bleibt unsere Kernsoftware"

Trotz komplizierter Marktlage und zunehmender Konkurrenz glauben Anwender wie der Ventilatorenhersteller ebm-papst und Sägewerksbetreiber Mercer weiter an SAP. "Alle großen Firmen haben SAP als Backbone. Als Finanzcontrolling-, Logistik- und Stammdatenmastersystem ist SAP unschlagbar. Es wäre fahrlässig, da SAP nicht einzusetzen. SAP ist der Industriestandard", sagt Grewe-Franze von Mercer.

Und Kühnle von ebm-papst betont: "SAP wird weiter unsere Kernsoftware bleiben. Im Finanzbereich etwa ist SAP richtig gut und bietet die optimalen Möglichkeiten. Eine komplette Umstellung ist für uns daher bislang nicht vorstellbar."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. Januar 2023 um 17:00 Uhr.