Arbeitsvermittlung der BA Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Seit 70 Jahren kümmert sich die Bundesagentur für Arbeit um Jobsuchende. Wie fällt ihre Bilanz aus, wenn es um die Jobvermittlung für Millionen Arbeitssuchende geht?
Ob ihm Arbeitsagentur oder Jobcenter zu einem Job verholfen hätten? "Nein, ich kann nicht sagen, dass ich da groß unterstützt wurde", sagt Thomas de Buhr aus Nürnberg, arbeitslos seit 2010. Aber, so der gelernte Drucker, Drucktechniker und technische Kaufmann, das Arbeitslosengeld sei fast immer pünktlich gekommen. Eine ernüchternde, aber treffende Beschreibung des Wirkens der seit 70 Jahren in Nürnberg ansässigen Bundesagentur für Arbeit.
Arbeitsvermittlung von Beginn an schwierig
Denn die "Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung", die 1952 in Nürnberg an den Start ging, tat sich die meiste Zeit ihrer Geschichte mit der Vermittlung von Arbeitslosen auf eine neue Stelle schwer. Ging es nach dem Krieg erst einmal um den Aufbau einer funktionierenden Arbeitsverwaltung, gab es bald ganz andere Probleme: Die Arbeitslosigkeit sank schnell, im Wirtschaftswunder fehlten Arbeitskräfte. Die BA warb sie im Ausland an. Auf der Basis von Anwerbeabkommen der Bundesrepublik mit südeuropäischen Staaten und der Türkei kamen Millionen von "Gastarbeitern".
Erst mit der Wirtschaftskrise nach dem ersten Ölpreisschock 1973 änderte sich die Lage: Die BA, jetzt als "Bundesanstalt für Arbeit", bekam es mit der Massenarbeitslosigkeit zu tun. 1975 waren es erstmals wieder über eine Million Arbeitslose. Mit der Verlagerung von Industriearbeitsplätzen ins Ausland und dem Stellenabbau in den neuen Ländern nach der Wende stieg sie bis Anfang 2002 auf 4,3 Millionen.
Dann kam es zum Skandal über falsche Zahlen aus Nürnberg. Nicht die monatlich verkündeten Arbeitslosenzahlen waren es, sondern die Zahl der Arbeitsvermittlungen. Sie waren nicht nur geschönt, sondern - was die BA intern wusste - zum Teil sogar gefälscht. Die BA leistete die behauptete Vermittlung von Arbeitslosen nicht. In der Folge musste BA-Präsident Bernhard Jagoda (CDU) gehen.
Hartz IV und das "schockierend niedrige" Arbeitslosengeld II
Die Affäre war zugleich Auslöser für eine grundlegende Reform: Die rot-grüne Regierung unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, unter dem Druck wegen der bevorstehenden Bundestagswahl, setzte die "Hartz-Kommission" ein und kündigte in der Agenda 2010 an: "Wir werden Leistungen des Sozialstaats kürzen." Die vier Hartz-Gesetzespakete beinhalteten unter anderem die Umbenennung in "Bundesagentur" und eine interne Verwaltungsreform der Behörde, vor allem aber mit Hartz IV die von Schröder schon zuvor angestrebte Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die am 1. Januar 2005 in Kraft trat.
Für die meisten Langzeitarbeitslosen bedeutete das massive finanzielle Einbußen. Während sich die Arbeitslosenhilfe auf etwa zwei Drittel des letzten Nettogehalts belaufen hatte, betrug der Regelsatz des neuen Arbeitslosengeldes II nur noch pauschal 345 Euro (inzwischen erhöht auf 449 Euro). Auch wenn die Jobcenter die Kosten für Miete und Heizung bis zu einer bestimmten Höhe übernehmen, erinnert sich Thomas de Buhr: "Das war schockierend." De Buhr konnte den Fall ins Arbeitslosengeld II damals durch eine Fortbildung noch um zwei Monate hinauszögern. Dennoch: "Damit klarzukommen, geht fast gar nicht. Sie leben in Armut und müssen sich überlegen: 'Kaufe ich mir was zum Anziehen oder was zum Essen?'"
"Nett, aber hilflos": Das Personal im Jobcenter
Mehr als 2000 Bewerbungen habe er in den Jahren seit 2010 geschrieben, ohne Erfolg. Und das Jobcenter habe ihm wenig geholfen. Selten gab es Jobangebote, "und da waren seltsame Dinge dabei, zum Beispiel als Pinselmacher". Er habe sich natürlich vorgestellt, aber die Antwort sei gewesen: "Was soll ich denn mit Ihnen machen?" Erfahrungen, die viele mit dem Jobcenter gemacht haben: Die Mitarbeiter dort seien oft "nett, aber hilflos". Bei manchen habe man aber auch den Eindruck, sie wollten einem noch schaden - vor allem wenn Sanktionen angedroht würden.
Was die Reformen gebracht haben, wird unterschiedlich bewertet. Die Arbeitsmarktforscher des zur BA gehörenden Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gehen davon aus, dass der durch Hartz IV ausgelöste Druck viele Menschen motiviert habe, sich ernsthaft eine Arbeit zu suchen. Kritiker sagen, der Rückgang der Arbeitslosigkeit auf knapp 2,3 Millionen im Jahr 2019, dem Jahr vor der Pandemie, verdanke sich dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung und der demografischen Entwicklung. Längst sucht die Wirtschaft ja händeringend nach Fachkräften. BA-Chef Detlef Scheele geht sogar davon aus, dass der deutsche Arbeitsmarkt die Zuwanderung von 400.000 Menschen pro Jahr aus dem Ausland braucht.
Ampel will "Bürgergeld" statt Hartz IV
Nun soll aus Hartz IV ein "Bürgergeld" werden. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht dazu, es solle "die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein." Angestrebt sei künftig "eine Beratung auf Augenhöhe" und eine "Vertrauensbeziehung" zwischen Arbeitslosen und den Mitarbeitenden im Jobcenter. Für Thomas de Buhr kommt das zu spät. Er geht Ende des Jahres in Rente, bilanziert aber schon jetzt: "Es war eine Zeit, die entwürdigend war."