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Hohe Lohnnebenkosten Werden Handwerker bald unbezahlbar?
Wer einen Elektriker oder Maler beauftragt, staunt am Ende oft nicht schlecht über die Rechnung. Denn im Handwerk ist der Anteil der Lohnkosten besonders hoch. Und steigende Sozialbeiträge schlagen voll durch.
Saftige Rechnungen nach einem Handwerkerbesuch - nicht nur die Kundschaft hat damit ein Problem. Inzwischen geraten die Handwerksbetriebe selbst unter Druck. Und so geht derzeit ein Aufschrei durch die Handwerkerschaft. Eine Ursache: Die gestiegenen Lohnnebenkosten.
Mit 42,3 Prozent des Bruttolohns sind sie auf Rekordhöhe. Krankenkassen, Renten- und Pflegeversicherung sowie Arbeitslosenversicherung treiben die Abgaben hoch.
Die Stundenlöhne galoppieren davon
Schreinermeister Moritz Schumacher staunte Anfang des Jahres, als die Rechnung der Berufsgenossenschaft ihn erreichte. Eine Beitragserhöhung um die 20 Prozent. Und obwohl sein Betrieb mit sechs Mitarbeitern nicht besonders groß ist, wird sich die Erhöhung der gesamten Lohnnebenkosten auch auf die Gesamtkosten pro Arbeitsstunde niederschlagen.
Mit 24 Jahren hat der Schreinermeister aus Grasellenbach im Odenwald den Betrieb von seinem ehemaligen Chef übernommen. Sechs Jahre ist das her. Er bereut den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. Auf Treppenbau spezialisiert, könnte in seiner Werkstatt mehr gefertigt werden, als Nachfrage herrscht. Doch längst investieren Kunden nur zögerlich, wenn es um Neuanschaffungen geht. Und Reparaturen werden so lange rausgezogen, bis es nicht mehr geht, erzählt der Schreiner.
Auch das Material wird teurer
Im gesamten Handwerk hat sich die Geschäftslage spürbar eingetrübt. Umsätze sinken, die Auftragsreichweite schmilzt. Verantwortlich dafür macht Jörg Dittrich, Präsident vom Zentralverband des deutschen Handwerks, die steigenden Kosten über die Sozialsysteme. Dazu kommen steigende Materialpreise, Energie-und Bürokratiekosten - Steigerungen, die am Ende automatisch zu Preissteigerungen für Kunden führen, warnt der Verband. Seine Befürchtung: Irgendwann werden Handwerkerleistungen unbezahlbar.
Auch Schreinermeister Moritz Schumacher wird seine Preise anheben müssen, wohl wissend, dass schon jetzt nicht jeder Kunde mitgehen will. Aber damit sein Betrieb wirtschaftlich bleibt, hat er keine Wahl. Stefan Füll von der Handwerkskammer Hessen fürchtet, dass besonders lohnintensive Handwerksbetriebe unter einen größeren Schwarzarbeiterdruck geraten.
"Wir sehen ein stilles Sterben"
Im Gegensatz zur Industrie machen die Lohnkosten in manchen Handwerksbetrieben bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten aus. Wie bei Klaus Leithäuser, Chef eines Malerbetriebes in Gießen. Wenn er mit seiner Truppe anrückt, kann es schon auch mal gut eine Woche dauern, bis ein Zimmer grundrenoviert ist. "Spachteln, malen, tapezieren, das dauert eben", sagt er. "Da kann der Kunde mit einem Euro plus Steuer die Minute rechnen."
Auch Leithäuser muss nun öfter mit Kunden Diskussionen führen, ob seine Preise gerechtfertigt sind. Andererseits beschäftigt er 20 Mitarbeiter, davon zwei Meisterinnen - auch die wollen bezahlt sein.
Keine Nachfrage, keine Aufträge: Handwerkskammerpräsident Dittrich befürchtet zwar keine Pleitewellen im Handwerk, aber "ein stilles Sterben". Denn wenn Handwerk immer unattraktiver wird, finden sich auch keine Betriebsnachfolger mehr.