Live-Shopping Zu Hause - und doch im Geschäft
In Asien, insbesondere in China, hat sich Live-Shopping bereits in der Welt des Online-Handels etabliert. Nun entdecken auch immer mehr deutsche Händler den Trend.
Es wirkt auf den ersten Blick wie das Tele-Shopping 2.0: Beim sogenannten Live-Shopping präsentieren Händler ihre Produkte vor der Kamera, informieren Kundinnen und Kunden über Eigenschaften und regen zum Kauf an. Im Gegensatz zum traditionellen Tele-Shopping wird das Live-Shopping aber nicht im Fernsehen übertragen. Stattdessen nutzen Händler unternehmenseigene Webseiten, Apps oder soziale Plattformen.
Interessierte Kundinnen und Kunden können bei den Streams nicht nur zusehen, sondern sich über einen Live-Chat mit den Hosts der Shows austauschen, Fragen stellen und die in den Streams präsentierten Artikel direkt zu sich nach Hause bestellen. Das Angebot ist dabei zeitlich begrenzt, die Produkte sind oft limitiert oder zu Sonderpreisen erhältlich.
Die Idee hinter dem Konzept: Beim Live-Shopping sollen die Vorteile des Online-Shoppings mit denen des stationären Handels kombiniert werden, es entsteht eine Art Verkaufsshow. "Das Live-Shopping simuliert, dass die Kundinnen ein lokales Geschäft aufsuchen und mit einem Verkäufer interagieren. Gleichzeitig shoppen sie aber von zu Hause aus und können die Käufe ganz bequem übers Internet tätigen", erklärt Lars Hofacker, Leiter des Forschungsbereichs E-Commerce am EHI Retail Institute.
China als Livestream-Vorreiter
In China boomt das Geschäft des Einkaufens via Livestream. Als ein Trendsetter gilt der Konzern Alibaba Group, der bereits 2016 mit dem sogenannten "Taobao Live" auf das Livestream-Konzept setzte. An einem einzigen Tag, dem Singles Day, generierte der Stream nach Angaben der Unternehmensberatung McKinsey Umsätze in Milliardenhöhe.
Das Shoppen per Livestream hat sich in China entsprechend als festes Format etabliert und erreichte 2022 rund 750 Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Sollte sich der Trend auf globaler Ebene ähnlich wie in China durchsetzen, so könnte Live-Shopping laut McKinsey in 2026 bis zu 20 Prozent des gesamten E-Commerce ausmachen.
Chancen für den deutschen Markt
Auch Unternehmen in Deutschland haben das Konzept des Live-Shoppings mittlerweile für sich entdeckt. Die Parfümeriekette Douglas zählt zu den First Movern, sie startete im März 2020 ihren Live-Shopping-Kanal für den europäischen Markt. Der größte deutsche Online-Shop Otto setzt seit 2021 auf Livestreams. "Die Shows starten um 19.00 Uhr abends und laufen dann etwa 45 Minuten", so Sandra Barnstedt, Senior Campaign Managerin.
Aktuell sendet das Unternehmen im zwei- bis dreiwöchentlichen Rhythmus. Statt fremde Plattformen zu nutzen, setzt Otto auf die unternehmenseigene Website und die App. Eine Strategie, mit der das Unternehmen nicht nur kostenunabhängiger von den großen Social Media-Plattformen wird, sondern nach Einschätzung des Experten Hofacker auch gleichzeitig auf den direkten Kontakt zur Kundschaft setzt. Nach eigenen Angaben erreicht Otto pro Stream bis zu 60.000 Live-Zuschauerinnen und -Zuschauer.
Entwicklungspotenzial im E-Commerce
Fachleute halten es für logisch, dass auch deutsche Unternehmen zunehmend in Live-Shopping investieren. "Kundinnen und Kunden haben ein relativ hohes Informationsbedürfnis. Was kann das Produkt? Wie funktioniert es? Herkömmliche Online-Shops können diese Bedürfnisse nur bedingt befriedigen", so Hofacker.
Genau an dieser Stelle setze das Live-Shopping an: "Durch die Live-Interaktion mit dem Kunden können Informationslücken besser geschlossen werden." Außerdem ermögliche das Live-Einkaufen den Händlern eine engere Bindung zu ihren Kundinnen und Kunden. "Im E-Commerce war das bisher immer eine besondere Herausforderung", so Hofacker.
Kurzfristiger Trend oder Zukunft?
Während in China bereits Milliardenumsätze mit Live-Shopping generiert werden, steckt Deutschland aber vergleichsweise noch in den Kinderschuhen. Zwar setzen größere und im E-Commerce bereits etablierte Shops immer stärker auf Livestream-Angebote. Insbesondere für kleinere Anbieter kann das Konzept des Live-Shoppings aber eine finanzielle Hürde darstellen. "Unternehmen mit einer Affinität im Bereich Social Media können kostengünstig mit Live-Shopping experimentieren, aber für den professionellen Betrieb besteht höherer Investitionsbedarf. Es hängt vom Einzelfall ab", so Hofacker.
Hinzu kommt, dass laut einer Erhebung der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners lediglich acht Prozent der Deutschen Live-Shopping-Erfahrung besitzen. Dass das Live-Shopping in Deutschland einen ähnlichen Erfolg wie in China verzeichnet, ist bisher nicht absehbar. Wachstumspotenzial ist laut Experten aber durchaus vorhanden.