Verpackungsmüll auf einem Mülleimer in Tübingen

Bundesverfassungsgericht Tübingens Verpackungssteuer kann bestehen bleiben

Stand: 22.01.2025 14:19 Uhr

Die Stadt Tübingen verlangt von allen Imbissen eine Steuer für Einwegverpackungen. Das ist mit dem Grundgesetz vereinbar, hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen.

Von Philip Raillon, ARD-Rechtsredaktion

Fünfzig Cent für einen Kaffee-Pappbecher, 20 Cent für einen Strohhalm: In Tübingen müssen etwa Imbisse oder Bäckereien diese Beträge seit drei Jahren an die Stadt zahlen. Wenige Monate nach der Einführung kam diese Tübinger Verpackungssteuer zumindest bei einigen Bürgern gut an. "Man hat sich irgendwie dran gewöhnt. Die Läden machen alle mit. Das ist voll okay", sagte eine Studentin damals dem SWR. Sie achte darauf, eigenes Geschirr mitzubringen.

Das Ziel der Stadtverwaltung: Verpackungsmüll reduzieren und den städtischen Haushalt stärken. Der Verpackungsmüll hat sich in Tübingen aber bislang offenbar noch nicht deutlich reduziert. Dafür spült die lokale Abgabe rund 800.000 Euro pro Jahr in die Stadtkasse.

Tübingen kann weiter mit Einnahmen rechnen

Und das Geld dürfte auch künftig in den Haushalt fließen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verpackungssteuer mit heute veröffentlichtem Beschluss gebilligt. Sie sei mit dem Grundgesetz vereinbar, so die Richterinnen und Richter in Karlsruhe.

"Wir wollen Mehrweg fördern und Wegwerfprodukte verteuern", sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der die Entscheidung begrüßte. Die Vermüllung und die Take-Away-Kultur seien ein großes Problem für viele Städte. Nach dem Beschluss des Verfassungsgerichts hätten er und die zuständigen Mitarbeiter im Rathaus mit Sekt angestoßen. Für die Stadt endet mit der Karlsruher Entscheidung der juristische Kampf um das Tübinger Vorzeigeprojekt.

Dagegen hatte die Betreiberin der Tübinger McDonalds-Filiale geklagt. Sie argumentierte, die Stadt sei gar nicht für eine solche Steuer zuständig.

Verpackungen landen meist noch in der Stadt im Müll

Dem sind die Karlsruher Richter nicht gefolgt. Die Stadt könne die Steuer sehr wohl einführen. Die Steuer beziehe sich auf das Tübinger Stadtgebiet und habe damit den nötigen "Ortsbezug". Nur solche Steuern dürfen Kommunen nach dem Grundgesetz erheben.

Im Fall der Verpackungssteuer sei entscheidend, dass sie nur für Einwegmaterial gilt, "das beim Verkauf von Speisen und Getränken für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle Verwendung findet", heißt es im Beschluss.

Die Steuer betrifft nämlich nur Verpackungen, die meist auch in Tübingen im Müll landen. Das gilt etwa für Verpackungen von Fastfood-Speisen wie Burger oder Döner. Solche Speisen werden in der Regel so schnell gegessen, dass die Kunden die Verpackung noch wegwerfen, bevor sie das Tübinger Stadtgebiet verlassen. Und deshalb könne die Stadt auch für Tübinger Imbissbuden und Fastfood-Restaurants die Steuer erheben, so der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Eine Schale, mit der Restaurants Essensreste verpacken, wird hingegen nicht besteuert.

Steuer führte nicht zu zahlreichen Insolvenzen

Außerdem verletzt die Steuer laut Beschluss die Imbissbetreiber nicht in ihrer Berufsfreiheit. Die Beträge von 50 Cent pro Verpackung seien nicht unangemessen hoch, so das Bundesverfassungsgericht. Entscheidend ist, dass ein gut laufender Betrieb durch die Abgabe nicht pleite gehen dürfte. Das hat die bisherige Erfahrung mit der Steuer bestätigt: Dem Gericht sei keine Zunahme von Insolvenzen bekannt.

Die Stadt Tübingen erhebt die Steuer seit Anfang 2022. Sie gilt dort nur für Einwegverpackungen, und zwar unabhängig davon, aus welchem Material sie sind. Mehrwegboxen oder -becher sind ausgenommen. Bislang sind nur einzelne Städte, wie zum Beispiel Konstanz oder Freiburg, dem Beispiel gefolgt.

Der McDonalds-Konzern zeigte sich enttäuscht über die Karlsruher Entscheidungen. "Insellösungen und kommunal individuelle Verpackungssteuern wie in Tübingen sind insbesondere für landesweit tätige Unternehmen nicht darstellbar. Sie führen zu überbordender Bürokratie", heißt es schriftlich vom Unternehmen. Man bedauere es, dass der Gastronomie-Branche in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Planungssicherheit genommen werde.

Weitere Städte und Gemeinden dürften folgen

Das dürfte sich nun ändern, schätzen der Deutscher Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Mit der Karlsruher Entscheidung hätten Städte bundesweit mehr Handlungsspielraum, da Rechtssicherheit bestehe, sagt Bernd Düsterdiek, Beigeordneter beim Städte- und Gemeindebund.

Verpackungsmüll nehme vielerorts zu. Allerdings müssten Städte auch gegenrechnen, ob sich der zusätzliche Verwaltungsaufwand für eine solche Steuer lohne.

Aktenzeichen: 1 BvR 1726/23

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 22. Januar 2025 um 14:00 Uhr.