Wasserknappheit in Deutschland "Eine zunehmende Bedrohung"
In Hunderten deutschen Kommunen wird das Wasser knapp. Das zeigt eine groß angelegte Umfrage. In einigen Regionen werden bereits Verbote verhängt - und vor allem der Osten ist betroffen.
Michael Roos ist Gemeinderat in einer kleinen Gemeinde bei Würzburg in Bayern. Er steht in einem ausgetrockneten Fischweiher. Früher seien hier einen Meter lange Fische geschwommen, sagt er. Jetzt sieht man nur noch den trockenen und rissigen Grund. An vielen Orten sei die zunehmende Trockenheit nicht zu sehen, es sterbe vielleicht mal ein Baum - aber bei diesem Teich "fällt es halt wirklich auf", so Roos. Aus seiner Sicht müssten die Ämter viel genauer kontrollieren, wie viel Grundwasser dem Boden durch Brunnen in der Region entzogen wird.
Tankfahrzeuge müssen Wasser bringen
Wasser schien in Deutschland immer im Überfluss vorhanden zu sein. Aber gilt das immer noch? Das Magazin "Kommunal" hat in einem gemeinsamen Projekt mit dem ARD-Politikmagazin report München deutschlandweit Tausende Kommunen und deren Zweckverbände befragt: Erfahren sie bereits echte Wasserknappheit und mussten sie Maßnahmen ergreifen? 1480 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Mitarbeiter von Zweckverbänden haben teils dramatische Antworten übermittelt.
"Einige Gemeinden müssen mit Wassertankfahrzeugen versorgt werden", schreibt etwa ein Mitarbeiter eines Zweckverbandes aus Thüringen. Aus einer Kleinstadt in Niedersachsen heißt es, die "Wasserpegelstände der Tiefbrunnen sind in den letzten zehn Jahren kontinuierlich um insgesamt drei bis vier Meter gefallen". Ein kommunaler Mitarbeiter aus einer Gemeinde in Brandenburg bringt es auf den Punkt: "Die Wasserknappheit stellt eine zunehmende Bedrohung dar".
Es ist das größte aktuelle Stimmungsbild, das dazu unter Kommunen bislang erfasst wurde. Wasserknappheit stellen insgesamt 57 Prozent der Kommunen fest; Maßnahmen dagegen - wie etwa Pools, Autowaschen oder Gartenbewässerung zu verbieten - haben 16 Prozent ergriffen.
Höhere Kosten - von Verbrauchern zu zahlen
Kommunen und deren Versorgungsunternehmen müssen sich wegen des Klimawandels langfristig auch auf höhere Kosten einstellen. Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) hat seine Mitglieder im vergangenen Sommer dazu befragt - bundesweit antworteten mehr als 100 Wasserförderer. Ergebnis: In den vergangenen zehn Jahren haben die Unternehmen 400 Millionen Euro für Klimaanpassungskosten ausgegeben. Für die nächsten zehn Jahre erwarten sie Kosten von 1,2 Milliarden Euro - dreimal so viel.
Von dem Geld wollen sie neue Trinkwasserquellen erschließen. Vor allem geht es aber darum, das Wasser besser zu verteilen, es braucht neue Leitungen und Hochbehälter zur Wasserspeicherung. "Das kostet alles Geld. Und letztendlich müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher diese Mehraufwendungen zahlen", sagt Joachim Arnold, Vorstand der Oberhessischen Versorgungsbetriebe (OVAG).
Bislang meist Aufrufe an die Bürger
Am dramatischsten ist die Lage im Osten Deutschlands. Wasserknappheit sehen dort 67 Prozent der befragten Kommunen, 24 Prozent haben bereits Maßnahmen ergriffen. Und weitere denken bereits darüber nach, wie Wasser eingespart werden kann. Bisher bleibt es meist einem Aufruf an die Bürger - etwa kein Leitungswasser zum Autowaschen zu verwenden. Besonders betroffen ist die Region im Südosten Berlins - hier ist der Wasserverband Strausberg-Erkner zuständig. In seinem Verbandsgebiet liegt auch die sogenannte Giga-Factory des Elektroauto-Herstellers Tesla. Konzernchef Elon Musk behauptete in einem Interview mit dem rbb, hier gebe hier überall Wasser - es regne so viel.
Aber tatsächlich hat der Wasserverband Strausberg-Erkner, der für die Region zuständig ist, den Wasserverbrauch für Neukunden gedrosselt. Sie dürfen nur noch 105 Liter Wasser pro Person und Tag verbrauchen. Nach aktuellen Daten des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft wären demnach schon zwei Toilettenbesuche, fünf Minuten Duschen und eine Maschine Wäsche zu viel - der Wasserverbrauch würde das Budget übersteigen. Solche Einschränkungen seien "ein einmaliger Vorgang in Deutschland", kritisiert Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative Grünheide.
Mehr dazu am Dienstag, 30.08.2022 ab 21.45 Uhr bei report München im Ersten und in der Doku: "Die große Dürre. Was tun, damit Deutschland nicht austrocknet?" in der ARD-Mediathek.