Debatte über Staatsverschuldung Gute Schulden, schlechte Schulden
An der Frage der Neuverschuldung ist die Ampel-Regierung zerbrochen. Deutschland braucht mehr Investitionen. Doch sollten sie auf Pump finanziert werden? Wann sind Schulden gut oder schlecht?
Zeit ist Geld. Das zeigt ein Blick auf die Schuldenuhr der Bundesrepublik Deutschland. Sie hängt über dem Eingang der Zentrale des Bundes der Steuerzahler in Berlin. Eine digitale Anzeigetafel - die Ziffern rot auf schwarzem Grund. Jede Sekunde kommen 3.225 Euro neue Schulden hinzu - Stand Ende Dezember. Die Gesamtsumme der deutschen Staatsverschuldung beläuft sich auf rund 2,5 Billionen Euro.
Im internationalen Vergleich erscheint das noch moderat, denn entscheidend ist die Schuldenlast im Verhältnis zur Wirtschaftskraft eines Landes - die sogenannte Staatsschuldenquote. Deutschland gehört mit einer Schuldenquote von 63,7 Prozent zu den Staaten, die eher solide haushalten. Sollte Deutschland also mehr Schulden machen? Die Antwort fällt unterschiedlich aus, je nachdem, wen man fragt.
Schulden von heute sind die Steuern von morgen
So mahnt der Steuerzahlerbund vor einer maßlosen Neuverschuldung und plädiert für eine Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse.
Schulden haben immer auch eine zeitliche Dimension. Aus Sicht von Reiner Holznagel, dem Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, sind Schulden "gekaufte Zeit. Tatsächlich verschieben wir viele Lasten in die Zukunft". So gesehen sind die Schulden von heute die Steuern von morgen, mahnt der Bund der Steuerzahler, der die Schuldenuhr als eine Art Warnsignal angebracht hat.
Fragt man den Präsidenten des Steuerzahlerbundes, gibt es weder gute noch schlechte Schulden: "Sondern das Maß und die Höhe ist ausschlaggebend und selbst, wenn wir es zulassen, dass wir gute Schulden haben, können die schnell umschlagen in problematische Schulden, weil sie natürlich auch Zinsen und Zinseszins erfordern." So ähnlich hat es wohl die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeint, als sie im Jahr 2008, beim Bundesparteitag der CDU, die schwäbische Hausfrau ins kollektive Gedächtnis gerufen hat. Sie gilt als Sinnbild und Ideal einer an Sparsamkeit orientierten Haushaltsführung.
Die Volkswirtschaft ist keine schwäbische Hausfrau
"Das Problem an der Sache ist aber, dass eine Volkswirtschaft als Ganzes nicht so ist wie die berühmte schwäbische Hausfrau", sagt Volkswirt, Podcaster und Sachbuch-Autor Daniel Stelter. "Weil: Wir haben drei Sektoren in der Wirtschaft. Wir haben den Staat, wir haben die privaten Haushalte und wir haben die Unternehmen." Diese drei bestimmen, vereinfacht gesagt, das Wirtschaftsgeschehen eines Landes. So haben in Deutschland beispielsweise die privaten Haushalte im Jahr 2023 die enorme Summe von 7,6 Billionen Euro gespart. Ersparnisse, die überwiegend schlecht angelegt seien, so Christian Kopf, Leiter des Rentenfondsmanagements bei der Fondsgesellschaft Union Investment. Teile dieses Geld könnten aus seiner Sicht für Investitionen im Inland verwendet werden. Ebenso die Überschüsse der Unternehmen. Der deutsche Unternehmenssektor ist aus Sicht des Rentenfondsmanagers außerordentlich profitabel und spare sehr viel mehr als er investiere.
Keynes versus Friedman
Wenn die privaten Investitionen ausbleiben, sollte der Staat für die entsprechende Nachfrage sorgen - so die gängige Lehre nach John Maynard Keynes. Der britische Nationalökonom, der Ende des neunzehnten Jahrhunderts geboren wurde, gehört zu den führenden Vordenkern der Wirtschaftswissenschaften. Er plädierte für eine expansive Staatsverschuldung in Zeiten der Krise. Anders sein Gegenspieler Milton Friedman, der den staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft möglichst gering halten wollte. Vielmehr sollte der Staat gute Bedingungen schaffen, unter denen Unternehmen und private Haushalte investieren. Etwa durch Steuerentlastung und Ausgabenkürzung. Diese beiden Denkschulen stehen sich im Kern gegenüber. Mehr oder weniger Staatsschulden - das ist am Ende also auch eine Frage der politischen und ökonomischen Denkrichtung.
Wenn Deutschland schon nicht mehr an sich glaubt, wer dann?
Gute Investitionsbedingungen in Deutschland vermissen derzeit viele Unternehmen und Wirtschaftsvertreter. Auch die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, Gertrud Traud. "Wir haben eine Verdrängung der privaten Investitionen durch den staatlichen Konsum." Gleichzeitig gingen die staatlichen Investitionen in die Infrastruktur seit Jahren zurück, so Traud. Ein Großteil des Bundeshaushalts gehe für Staatskonsum, also für Löhne und Gehälter und Sozialausgaben drauf. Für ausländische Investoren stelle sich die Frage: "wenn Deutschland schon nicht ausreichend ins eigene Land investiert und ans eigene Land glaubt, warum sollten wir das tun?"
Investitionen in die Zukunft sind gute Schulden
Viele Ökonomen sehen das Thema Schulden anders als die berühmte schwäbische Hausfrau. Mit Blick auf den Staat heißt das: Investitionen in die Zukunft des Landes sind eher gute Schulden. Wenn der Staat damit etwa Brücken repariert, neue Wohnungen baut oder Glasfaserkabel für ein schnelleres Internet legt. Als schlechte Schulden gelten unter Volkswirten Konsumschulden, mit denen laufende Kosten finanziert werden.
Schaut man auf Deutschland, so haben Politiker in der Vergangenheit zu viel Geld für die falschen Dinge ausgegeben - so die These des Ökonomen Daniel Stelter. In seinem 2018 erschienen Buch "Das Märchen vom reichen Land" kritisiert Stelter, dass die verantwortlichen Politiker die damals sprudelnden Steuereinnahmen schlicht umverteilt hätten, anstatt durch Investitionen den Wohlstand in Deutschland zu sichern. "Das heißt, die Tatsache, dass man Schulden aufnehmen kann und auch sollte, bedeutet nicht, dass sichergestellt ist, dass die Schulden auch richtig verwendet werden."