Betrugskomplex Erste Anklage im Wirecard-Skandal
Die Münchner Staatsanwaltschaft hat im Skandal um den ehemaligen Zahlungsdienstleister Wirecard eine erste Anklage erhoben. Beschuldigt wird ein ehemaliger Geschäftspartner von Ex-Vertriebschefs Marsalek.
Eineinhalb Jahre nach der Insolvenz des Zahlungsdienstleisters Wirecard ist eine erste Anklage erhoben worden. Die Staatsanwaltschaft München beschuldigt einen ehemaligen Geschäftspartner des untergetauchten Ex-Vertriebschefs Jan Marsalek. Die Anklagebehörde wirft dem Mann vorsätzliche Geldwäsche, besonders schweren Betrug und Verletzung der Buchführungspflicht vor. Nun muss zunächst das Münchner Landgericht über die Zulassung der Anklage entscheiden.
Der Manager soll gemeinsam mit Jan Marsalek 22 Millionen Euro aus der Konzernkasse veruntreut haben. Von diesem Geld soll er zunächst acht Millionen Euro für sich selbst abgezweigt haben. Davon habe er sich unter anderem den Bau eines eigenen Hauses finanziert, ebenso wie Investments in eine eigene Beteiligungsfirma.
Vorwurf der Geldwäsche
Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor, die veruntreuten Wirecard-Gelder "über Investitionen in deutsche Start-up-Unternehmen in den legalen Wirtschaftskreislauf" überführt zu haben. Dadurch habe er die illegale Herkunft des Geldes verschleiert und "rein gewaschen". Dies soll über die Gesellschaft IMS Capital geschehen sein, bei der der Manager tätig war. Mit ihm zusammen agierten nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Marsalek, der frühere libysche Geheimdienstchef O. und ein weiterer Geschäftspartner.
Über die inzwischen ebenfalls insolvente Gesellschaft IMS Capital tätigte der Angeklagte für vermögende Privatleute Investments, meist in Start-ups. Unter anderem war IMS Capital größter Anteilseigner des Online-Supermarkts Getnow und beteiligte sich auch an einem Hersteller von Corona-Schnelltests. Marsalek soll einer der Hauptinvestoren bei IMS Capital gewesen sein.
Enger Freund von Marsalek?
Der Angeklagte soll mit Marsalek nicht nur geschäftlich verbunden gewesen sein. Nach Informationen des "Handelsblatts" trafen sich die Männer auch privat, intern bei Wirecard galten sie als "enge Freunde". Der Manager soll für Marsalek jahrelang Gelder investiert haben und mietete für Deutschlands wohl meistgesuchten Mann auch in der Münchener Prinzregentenstraße eine Villa an, die als Rückzugsort diente.
Marsalek ist seit Sommer 2020 untergetaucht und wird in Russland vermutet. In Haft befindet sich bereits der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun, gegen den bislang aber keine Anklage erhoben wurde. Die Ermittler werfen Braun und anderen früheren Wirecard-Spitzenmanagern bandenmäßigen Betrug vor. Sie sollen nicht vorhandene Umsätze in Milliardenhöhe erfunden haben, um systematisch Kredite und Investorengelder zu erschleichen. Der Betrugsschaden könnte danach eine Rekordsumme von drei Milliarden Euro erreicht haben.