Jugendgesundheitsstudie Weniger Bewegung, mehr psychosomatische Probleme
Schulkinder haben mehr psychosomatische Beschwerden: Kopf- und Bauchschmerzen, Einschlafprobleme - und sie sind öfter niedergeschlagen. Das zeigt das Ergebnis einer aktuellen Studie.
Toben auf dem Schulhof, nach Hause rennen und dann wieder raus. Auf den Bolzplatz, zum Sportverein oder einfach nur so - heutzutage ist das eher die Ausnahme. Die Regel: abhängen und chillen. Nur jeder fünfte Junge und jedes zehnte Mädchen bewegt sich im Alltag ausreichend. Ausreichend bedeutet hier: die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen 60 Minuten am Tag. Das ist eines der Ergebnisse der aktuellen HBCS-Studie. HBCS steht für "Health Behaviour in School-aged Children".
Bundesweit wurden dafür mehr als 6.000 Schüler im Alter von elf bis 15 Jahren befragt. Entwickelt wurde die Studie in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO. Alle vier Jahre werden die Daten erhoben. Dadurch lassen sich auch langfristig Entwicklungen abbilden. So ist deutlich erkennbar, dass die körperliche Aktivität von Mädchen seit 2009 insgesamt leicht abgenommen hat, bei Jungen bleibt der Bewegungsdrang zumindest relativ stabil.
Die Daten zur körperlichen Bewegung seien ernüchternd, sagt Jens Bucksch von der Universität Heidelberg. Im internationalen Vergleich landet Deutschland eher im unterdurchschnittlichen Bereich. In anderen Ländern bewegen sich Kinder und Jugendliche auch zu wenig, in Deutschland aber noch ein bisschen weniger.
Wenig Spielraum
Bei den 15-Jährigen erreichen nur noch etwas mehr als sieben Prozent der Mädchen die empfohlenen 60 Minuten, bei den Jungen fast 20 Prozent. Bei den Elfjährigen sind es 14,7 Prozent der Mädchen und 26,5 Prozent der Jungen. "Jungs wird ein deutlich größerer Bewegungsfreiraum zugestanden", sagt Bucksch. Man sehe da deutliche Geschlechterungleichheiten. Dazu komme der soziale Faktor: Bei Mädchen werde deutlich sichtbar, dass der soziale Status ebenfalls eine Rolle spiele. Je geringer das Einkommen der Eltern, desto weniger Bewegung. "Bei den Jungen ist das auch sichtbar, aber da schlägt es nicht ganz so durch." Die Studienmacher konstatieren: "Die gesundheitliche Situation ist stark vom Wohlstand der Familie abhängig."
Das zeigt sich auch bei der Lebenszufriedenheit. Die ist bei Kindern aus Familien mit niedrigem Wohlstand deutlich niedriger, so die Forscher. 24 Prozent der ärmeren weiblichen Heranwachsenden gaben eine niedrige Lebenszufriedenheit an, dreimal so viele wie in gehobenen Schichten. Damit untermauert die Studie das, was auch aus anderen Erhebungen bekannt ist. Gesundheit und Lebenszufriedenheit sind auch eine Frage des Geldes.
Insgesamt gut
Grundsätzlich aber schätzen 84 Prozent der Kinder ihre Gesundheit als gut ein, fast 90 Prozent sind mit ihrem Leben zufrieden - weniger als 2018, aber mehr als 2010. Gleichzeitig ist zwischen 2010 und 2022 ein kontinuierlicher Anstieg von psychosomatischen Beschwerden sichtbar. Mehr Kopf- und Bauchschmerzen, Einschlafprobleme oder Gereiztheit. Fast verdoppelt hat sich die Zahl der von Onlinemobbing Betroffenen - von vier auf sieben Prozent. "Ein Erklärungsansatz ist, dass Cybermobbing deswegen zugenommen hat, weil sich natürlich auch im Zusammenhang mit der Pandemie die sozialen Erfahrungen der Heranwachsenden nochmal mehr in den Online-Raum verlagert haben", erklärt Saskia Fischer von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Je mehr das Leben sich online abspiele, desto mehr steige das Risiko, Cybermobbing zu erleben.
Eine andere Erklärung: Cybermobbing ist nur ein neues Werkzeug für die, die auch im realen Leben Täter sind. Denn auch in der Schule spielt Mobbing nach wie vor eine Rolle - mehr als acht Prozent der Befragten berichten davon, gemobbt zu werden. In jeder Klasse findet sich - statistisch betrachtet - ein Mobber oder eine Mobberin. Doch was tun? Darauf gibt die Studie nur allgemeine Antworten. "Um Mobbing, gesundheitliche Ungleichheiten und die Häufigkeit psychosomatischer Beschwerden zu reduzieren, braucht es zielgruppenspezifische Maßnahmen", erklärt Irene Moor von der Universitätsmedizin Halle. Es müssten mehr Angebote geschaffen werden, die die Jugendlichen tatsächlich erreichen.