Biodiversität Was wir gegen das Artensterben tun können
Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Experten nennen fünf Hauptgründe dafür und skizzieren Gegenmaßnahmen. Wie die Lösungsvorschläge aussehen und warum wir uns damit beeilen sollten.
Was bedeutet Artenvielfalt und warum ist sie wichtig?
In unserem Ökosystem haben Tiere und Pflanzen wichtige Funktionen. Ohne sie könnten wir auf unserem Planeten nicht existieren. Diese Artenvielfalt liefert Nahrung, stellt Wirkstoffe für Arzneien bereit, dient der Erholung und spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Klimas. Laut Schätzungen gibt es knapp neun Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit. Der Großteil von ihnen ist noch unentdeckt.
Für den Erhalt der Biodiversität ist eine Vielfalt von verschiedenen Tier- und Pflanzenarten wichtig. Denn unterschiedliche Arten besetzen unterschiedliche Nischen im Ökosystem. Fallen Arten weg, werden Ökokreisläufe gestört. In einem Ökosystem sind die verschiedenen Tiere und Pflanzen aufeinander angewiesen. Gibt es beispielsweise weniger Insekten, werden weniger Blüten bestäubt, haben Vögel weniger zum Fressen und Ernten würden geringer ausfallen. Der Rückgang der Biodiversität ist also auch eine Bedrohung für den Menschen.
Auch in Deutschland sind zahlreiche Tierarten vom Aussterben bedroht, wie etwa das Ziesel...
Was passiert, wenn immer mehr Arten aussterben?
Die Zahlen sind bedrückend: Aktuell liegt die Rate des Artensterbens etwa hundertmal höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre: Rund 25 Prozent der Tier- und Pflanzenarten seien betroffen. Das stellte der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) der Vereinten Nationen 2019 in einem "Globalen Assessment" fest. Heute leben 60 Prozent weniger Wirbeltiere auf der Erde als noch 1970, in Deutschland sind zwischen 1998 und 2009 die typischen Vogelarten der Agrarlandschaft um mehr als 36 Prozent zurückgegangen. In den nächsten Jahrzehnten droht weltweit der weitere Verlust von bis zu einer Million Arten - warnt der Weltbiodiversitätsrat. Wenn nicht zeitnah ein Wandel stattfinde, seien die Folgen für Natur und Mensch verheerend, prognostizierten die Wissenschaftler.
Intakte Ökosysteme sind widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels und können diese sogar abmildern. Gleichzeitig macht die Natur menschliche Entwicklung erst möglich, wie die Wissenschaftler des IPBES schreiben: So profitieren wir Menschen von den Leistungen der Insekten. 2022 warnte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen davor, dass durch das weltweite Bienensterben auch die Bestäubungsleistung zurückgehe. Da Bienen dabei helfen, Lebensmittel wie Früchte zu produzieren, sei auch die weltweite Ernährungssicherheit gefährdet.
Welche Ursachen für das Artensterben gibt es?
Die Experten des IPBES nennen fünf "direkte Triebkräfte", die das Artensterben weltweit verursachen und sich wechselseitig verstärken. Der Haupttreiber sei, wie Menschen Land und Ozeane seit Jahrzehnten nutzen und ausbeuten. Ein Faktor sei die Landwirtschaft mit vielen Monokulturen: Insekten und andere Lebewesen brauchen verschiedene Pflanzen und Blüten, um zu überleben.
Eine weitere Ursache ist die Ausbeutung der Natur etwa durch Rodungen. Auch der Klimawandel sei einer der Gründe für das Artensterben: Tier- und Pflanzenarten können sich nicht so schnell an die hohen Temperaturen anpassen und finden weniger Nahrung. Invasive Arten sind ebenfalls Treiber des Artensterbens - denn Tiere und Pflanzen können in fremden Regionen heimisch werden und Ökosysteme dadurch erheblich schädigen.
Und als fünfte Ursache nennen die Experten die Umweltverschmutzung: Plastikmüll, Schwermetalle oder Lösungsmittel verunreinigen die Ozeane. Einer Studie des Alfred-Wegener-Institutes (AWI) und des WWF zufolge befindet sich Plastik im Magen jedes dritten Meeresvogels. Mikroplastik dringt bereits heute durch Tiere in unsere Nahrungskette ein - die Folgen für unsere Gesundheit sind dabei noch kaum erforscht.
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es, das Artensterben einzudämmen?
Laut IPBES gibt es aber auch Maßnahmen, die einen Wandel herbeiführen können. In der Landwirtschaft empfehlen die Wissenschaftler mehr Fruchtwechsel und mehr Mischkulturen auf unseren Feldern sowie Rückzugsgebiete für Tiere. Monokulturen können nämlich auch zur Folge haben, dass Schädlinge resistent gegen Pestizide werden und der Boden trockener wird. Eine weitere Forderung ist, Umweltgesetze und deren Umsetzung weltweit zu stärken. Die EU-Biodiversitätsstrategie kann ein Schritt dazu sein: Bis 2030 ist geplant, innerhalb der EU 50 Prozent weniger Pestizide einzusetzen sowie 25 Prozent biologische Landwirtschaft und 30 Prozent der Flächen als Schutzgebiete zu etablieren.
Aber auch im Alltag können Menschen einen Beitrag zum Artenschutz leisten: Zum Beispiel, indem sie auf eine klimaschonende und energiesparende Lebensweise achten. Eine Studie des WWF kommt zu dem Schluss, dass sich die Ernährung und der daraus resultierende Flächenbedarf für Felder und Viehzucht auch auf die Biodiversität auswirkt. Der daraus berechnete "Fußabdruck Biodiversität" reduziere sich demnach durch eine vegetarische, flexitarische oder vegane Ernährung erheblich.
Auch in Ländern wie Brasilien könnte dadurch die Natur geschont werden. Denn Tiere in Deutschland werden häufig mit exportiertem Soja aus Monokulturen gefüttert, für die auch Regenwaldflächen gerodet werden. Laut der Umweltorganisation kann aber auch der Konsum von regionalen und saisonalen Lebensmitteln einen Beitrag zum Artenschutz leisten.