Korallen vor der Küste Floridas Aufzuchtstation unter Wasser
Der Klimawandel hat das Korallenriff vor der Küste Floridas zu einem Großteil zerstört. Wissenschaftler versuchen, das Riff zu retten, indem sie Korallen züchten und per Hand verpflanzen.
Immer wieder trifft das spitze Ende ihres Hammers das tote Gestein des Riffs vor der Küste Floridas. In gerade einmal drei Metern Wassertiefe versucht Roxane Boonstra, so einen algenfreien Platz zu schaffen für die Ansiedlung neuer Korallen. Drei kreisrunde Kontaktpunkte in der Größe eines Kekses braucht sie, um eine sogenannte Hirschhornkoralle mit der Form eines Geweihs am sandigen Fels zu befestigen.
Die Enden bestückt Roxane mit einer kleinen Kugel einer speziellen Klebepaste, die an Knete erinnert. Nach wenigen Sekunden sitzt die Koralle fest. "Unser größter Gegner ist die Strömung", sagt die Meeresbiologin. "An manchen Tagen sind wir gegen sie machtlos."
Großteil der verpflanzten Korallen überlebt
200.000 Mal hat sie mit ihrem Team von der Coral Restoration Foundation diesen Vorgang schon wiederholt. Jüngsten Studien zufolge haben 75 Prozent der so verpflanzten Korallen überlebt. Ein Hoffnungsschimmer, mehr erst mal nicht: "Jeden Tag stirbt ein weiterer Teil des Riffs ab. Jeden Tag erwärmt sich das Meer weiter. Jeden Tag drohen neue Gefahren durch den Klimawandel."
Weniger als ein Prozent der Weltmeere besteht nach Angaben der Vereinten Nationen aus Korallenriffen - trotzdem seien 4000 Fischarten und 40 Prozent aller Meereslebewesen irgendwann in ihrem Leben einmal auf sie angewiesen. Korallenriffe dienen zum Laichen, Ausbrüten und Großziehen des Nachwuchses - oder zur Nahrungssuche und zum Schutz vor Feinden. "Sie sind so etwas wie der Regenwald der Weltmeere", sagt Boonstra, "unglaublich artenreich und extrem wichtig".
Meeresboden gleicht einem Friedhof
Das Riff vor der Küste Floridas ist so lang wie die Autobahn von Hamburg nach Berlin - mehrere Hundert Kilometer. Das drittgrößte Barrier-Riff der Welt wird durch das Florida Keys National Marine Sanctuary geschützt - Heimat von mehr als 80 Korallenarten. Innerhalb des Schutzgebiets darf weder gejagt noch gefischt werden. Trotzdem sind an manchen Stellen mehr als 90 Prozent der ursprünglich hier lebenden Korallen abgestorben.
Hauptursache ist der Klimawandel - neben dem Schiffsverkehr, der Fischerei und der Verschmutzung durch Plastikmüll. Der Anblick des toten Riffs ist trostlos: kaum Fische, kaum Farben. Wie ein Friedhof sehe der Meeresboden aus, sagt Boonstra. Voller Skelette abgestorbener Korallen.
Langsames Wachstum
Um dem Riff wieder Leben einzuhauchen, haben Boonstra und ihr Team in der Nähe der Küste die weltweit größte Unterwasser-Aufzuchtstation für Korallen aufgebaut. An den Ästen von 500 Plastikgestängen, die an Weihnachtsbäume erinnern, schwingen 30.000 fingergroße Korallenstücke in der Meeresströmung. Das beschleunigt ihr langsames Wachstum von rund zwei Zentimetern pro Jahr.
Wissenschaftler der Coral Restoration Foundation in Key Largo haben herausgefunden, wie man das Wachstum beschleunigen kann: Bricht man die Koralle in Stücke von zwei bis fünf Zentimeter, wächst sie über einen Zeitraum von wenigen Monaten auf die doppelte Größe.
"Keine zu hohen Erwartungen haben"
Sobald sie groß genug sind, werden sie abgeschnitten und auf dem Riff wieder eingepflanzt. Wobei ausgesiedelt vielleicht der bessere Ausdruck wäre: Korallen sind keine Pflanzen, sondern kleine Tiere, genauer gesagt: Polypen. Eine Fläche von 64 Fußballfeldern soll so in den nächsten 20 Jahren wiederbelebt werden. Die häufigste Frage sei, ob das funktionieren kann, sagt Boonstra. Sie ist optimistisch.
Trotzdem dürfe man keine zu hohen Erwartungen haben. "Wir können das Riff nicht in seinen Zustand von vor 100 Jahren zurückversetzen", sagt sie. "Aber die Hoffnung ist, dass wir es soweit stabilisieren können, dass es sich irgendwann selbst heilen kann." Zurzeit läuft vor den Florida Keys das Projekt "Mission Iconic Reefs". Ziel des Projekts ist die Aufforstung von sieben Korallenriffen. Die Aufforstung soll in zwei Phasen durchgeführt werden.
Die erste Phase dauert zehn Jahre und konzentriert sich auf schnell wachsende Elch- und Hirschhornkorallen. Erst in der zweiten Phase sollen dann die langsamer wachsenden Korallenarten folgen.