Klimawandel in Europa Hälfte aller Skigebiete droht Schneemangel
Der Klimawandel stellt die europäischen Skigebiete vor enorme Herausforderungen: Laut einer Studie droht bei einer Erwärmung um zwei Grad der Hälfte aller Skigebiete Schneemangel. Auch künstliche Beschneiung könnte dann nicht mehr helfen.
Der Klimawandel wird immense Folgen für den europäischen Skitourismus haben. Forscher haben nun errechnet, für welche Skigebiete es wahrscheinlich besonders kritisch wird. Bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau werde es bei etwa der Hälfte der Skigebiete in 28 europäischen Ländern ein sehr hohes Risiko für Schneemangel geben, prognostiziert das Expertenteam im Fachjournal "Nature Climate Change".
Wenn zunehmend versucht werde, den Skitourismus mithilfe künstlicher Beschneiung am Laufen zu halten, erhöhe das den Wasser- und Energiebedarf, damit die Kohlenstoffemissionen - und beschleunige die Klimakrise so noch weiter. Zudem kann auch Beschneiung nur bei ausreichend niedrigen Temperaturen erfolgen. Es gelte daher zu überdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, die hohe Abhängigkeit vom Wintertourismus in bestimmten Regionen aufrechtzuerhalten, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Samuel Morin vom Centre National de Recherches Météorologiques in Grenoble.
"Viele Orte werden dichtmachen müssen"
Das sieht auch der Glaziologe Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut so. "Der Aufwand, um in vielen tiefer gelegenen Skigebieten noch vernünftig Wintersport treiben zu können, wird in Zukunft immer größer. Und in manchen Gegenden wird trotz aller Bemühungen gar nicht mehr möglich sein. Da muss man sich schon fragen, ob das noch Sinn macht."
In den Alpen beispielsweise würden Gebiete in tieferen Lagen um die 2.000 Meter erhebliche Probleme bekommen. "Ich glaube, eine ganze Reihe von Wintersportorten werden dichtmachen müssen. Denn der Betrieb der Anlagen lohnt sich schlicht nicht, wenn nur noch jede zweite oder dritte Saison ausreichend Schnee hat." Und auch in höheren Lagen würde die Saison kürzer. "Die dauert dann vielleicht nicht mehr von Anfang Dezember bis in den April, sondern beginnt dann tendenziell später und endet vielleicht schon im März", so Eisen. Auch würde das Fahren auf Gletschern gefährlicher, da diese wegen der stärkeren Schmelze weiter zurückgehen werden und instabiler werden können.
Mehr Probleme, je wärmer es wird
Das wäre mit enormen wirtschaftlichen Einbußen verbunden, denn Europa ist der bedeutsamste Standort für den Skisport: Etwa die Hälfte aller Skigebiete weltweit liegen hier und mehr als 80 Prozent der Skigebiete mit jeweils mehr als einer Million Nutzern jährlich.
Die Studie betrachtet die Lage für 2.234 solcher Gebiete in Europa bei einer Erwärmung von bis zu vier Grad. Bei vier Grad hätten der Modellierung zufolge praktisch alle Skigebiete ein sehr hohes Risiko einer unzureichenden Schneelage, wobei es große regionale Unterschiede gibt.
Bei einer Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad wären der Analyse zufolge rund ein Drittel (32 Prozent) der Skigebiete Europas stark gefährdet. Dieser Anteil könne durch Beschneiung, also die Nutzung von Schneemaschinen, auf 14 bis 26 Prozent begrenzt werden. Allerdings geht eine Reihe von Klimaexperten inzwischen davon aus, dass eine Begrenzung auf 1,5 Grad selbst bei sofortigen größten Anstrengungen kaum mehr zu erreichen wäre.
Wasser als Problem
Ausnahmslos allen Skigebieten in den deutschen Alpen ginge bei drei Grad ohne künstliche Beschneiung der Schnee aus. Und selbst Schneekanonen sind kein Allheilmittel, so Experte Eisen. "Man kann bis knapp über den Gefrierpunkt noch künstlich beschneien, danach ist Schluss." Dazu komme der enorme Verbrauch von Wasser, welches extra gesammelt wird und dann wiederum an anderer Stelle fehlen könne.
Es gebe zudem noch andere Folgen, die nicht direkt den Skitourismus betreffen, so der Glaziologe. So steige die Gefahr von Unwettern. "Denn wenn es weniger schneit, regnet es mehr, und das kann gerade in Bergregionen verheerende Folgen haben." Zudem könne in einigen Regionen die Landwirtschaft Probleme bekommen, etwa wenn im Frühjahr das Schmelzwasser ausbleibe. Die Po-Ebene in Italien, wo viel Gemüse und Obst angebaut werde, sei ein Beispiel dafür.
CO2-intensives Freizeitvergnügen
Die Studie sei mit Einschränkungen verbunden, so die Forschenden. Für detaillierte lokale Ergebnisse müssten weitere Daten einbezogen werden, etwa zur konkreten Lage oder zur Verfügbarkeit von Wasser und Energiequellen. Auch müsste die Akzeptanz künstlicher Beschneiung berücksichtigt werden. Auf manche Ski-Touristen könnte eine von Grün und Braun umgebene Kunstschnee-Piste eher abschreckend als attraktiv wirken.
Zudem sei fraglich, ob CO2-intensive Tourismusaktivitäten wie der Skitourismus in seiner derzeitigen Form mit den nötigen weitreichenden Maßnahmen für eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad vereinbar seien. Selbst wenn ein wesentlicher Teil der europäischen Skigebiete noch lange in der Lage sein könnte, Skitourismus anzubieten, wäre es für die Destinationen eine große Herausforderung, den erforderlichen Anteil bei der Verringerung der Treibhausgasemissionen zu leisten.