Wassermangel Die Elbe soll Wasser für Berlin liefern
In Berlin kommt Trinkwasser meist aus der Spree, die zu großen Teilen aus abgepumptem Wasser der Braunkohletagebaue gespeist wird. Doch das wird nach dem Kohleausstieg nicht mehr fließen.
Seit mehr als 100 Jahren wird nun schon Wasser in die Spree gepumpt. Es kommt aus den Tagebauen an der Grenze von Sachsen und Brandenburg - wie Reichwalde, Nochten, Welzow-Süd und Jänschwalde. Riesige Pumpen drücken das Wasser aus den Gruben, damit diese nicht volllaufen.
Das sogenannte Sümpfungswasser macht ungefähr die Hälfte der langjährigen Wasserzufuhr jenes Flusses aus, der so friedlich aus drei Quellen im Lausitzer Bergland entspringt. Menschen und Unternehmen haben sich an das Wasser gewöhnt. Im Spreewald etwa, wo Touristen auf Kähnen über die Kanäle schippern. Oder in Berlin, das seinen riesigen Wasserbedarf zu großen Teilen aus der Spree deckt. Doch diese Abhängigkeit könnte bald zum Problem werden.
Trinkwasser aus der Spree
Mit dem beschlossenen Gesetz zum Ausstieg aus dem Abbau von Braunkohle werden nach und nach auch die Pumpen in den Tagebauen in Sachsen und Brandenburg abgestellt. Für die Spree hat das massive Folgen: Der Fluss wird bis zu 75 Prozent seiner aktuellen Wasserzufuhr verlieren, wie eine Studie vom Umweltbundesamt (UBA) im vergangenen Jahr zeigte - keine gute Nachricht für Berlin, den Spreewald und die Elbe. Denn die Hauptstädter beziehen nicht nur Trinkwasser über ihr größtes Wasserwerk Friedrichshagen aus der Spree. Jährlich werden auch 220 Millionen Kubikmeter Wasser des Flusses zur Verdünnung von Abwässern genutzt.
Auch der Spreewald lebt vom Wasser der Spree. Doch wie lassen sich das einmalige UNESCO-Biosphärenreservat erhalten und die Wasserversorgung Berlins sicherstellen? Denn der Kohleausstieg in der Lausitz kommt spätestens 2038 - unter Umständen aber auch schon viel früher. Eine Lösung für das Wasserproblem muss also bald her.
Wassertreffen in Berlin
Zwischen Sachsen, Brandenburg und Berlin gibt es deshalb regen Austausch. Mitte Juni treffen sich die Regierungschefs der drei Länder, um über das Thema zu beraten. Dann könnte es auch um die Idee eines Überleiters gehen - eines Rohrsystems, das Wasser aus der Elbe in die Spree transportieren soll.
Die Idee gibt es schon seit Jahrzehnten, doch das Vorhaben wird nun konkreter, wie ein Sprecher des sächsischen Umweltministeriums MDR AKTUELL bestätigte. Seit Ende April läuft dazu eine europaweite Ausschreibung. Ab August soll dann für zwei Jahre geprüft werden, wie realistisch die Ideen sind - und was ihre Umsetzung kosten würde.
Denn noch wirkt eine Überleitung von der Elbe in die Spree illusorisch. Laut sächsischem Umweltministerium spielen bei der Verlegung großer Rohre vor allem räumliche Hindernisse wie Siedlungen, Schutzgebiete und geologische Gegebenheiten eine Rolle. "Und natürlich die nachhaltige Verfügbarkeit von Wasser im Einzugsbereich der Elbe."
Welche Trassen werden geprüft?
In der UBA-Studie vom vergangenen Jahr wurden drei Varianten gezeigt - bei der favorisierten würde ein Rohr durch das Elbsandsteingebirge verlaufen. "Da kommt natürlich nur ein Tunnel unter dem Gebirge infrage", sagt Wilfried Uhlmann. Er leitet das private Institut für Wasser und Boden (IWB) in Dresden. Uhlmann berät sowohl die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) als auch das große Energieunternehmen LEAG. Er hatte zudem an der Studie des Umweltbundesamtes mitgeschrieben, an der mehrere Umweltverbände Kritik übten.
Immer häufiger tauchen am Ufer der Elbe "Hungersteine" auf, Zeichen von Dürrejahren in der Vergangenheit.
Laut Uhlmann würde die Wasserzuführung aus der Elbe zunächst per Rohrleitung bis auf einen Hochpunkt erfolgen und dann in einen Tunnel münden. Der Tunnel hätte etwa drei Meter Durchmesser. Im Tunnel kann das Wasser mit natürlichem Gefälle bis zur Spree fließen. Er halte das Vorhaben für realistisch, allerdings würde es seiner Meinung nach ab Planungsstart mindestens 20 Jahre dauern, bis es fertiggestellt wäre. Und die Kosten: "Das ist schon wegen der Zeitperspektive der Umsetzung ganz schwierig einzuschätzen, aber mehrere 100 Millionen Euro wären es sicher", sagt Uhlmann.
Umweltverbände sind alarmiert
Doch hat die Elbe vor Dresden überhaupt genug Wasser? Denn der zusätzliche Wasserbedarf im Oberlauf der Spree wird vom Umweltbundesamt in Zukunft auf bis zu 60 Millionen Kubikmeter pro Jahr prognostiziert. Das Wasser soll vor allem aus der Elbe kommen, da die bisherigen Pumpen der Braunkohlegruben nicht ewig laufen können - schon der Kosten wegen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND sieht die Ideen eines Elbe-Überleiters in die Spree kritisch. Vor allem, weil die Elbe selbst mit Wasserknappheit zu kämpfen hat.
Iris Brunar vom BUND ist skeptisch, dass die Elbe Berlin mit Trinkwasser versorgen könnte.
"Durch eine Überleitung würde ein Teil des sowieso schon knappen Wassers der Elbe abgeleitet. Dabei wird es dringend in der Flussaue gebraucht", sagt Elbe-Expertin Iris Brunar vom BUND dem MDR. Aufgrund anhaltend niedriger Wasserstände habe die Elbe zehn Jahre lang ihre Aue nicht mehr erreicht, um sie flächendeckend mit Wasser zu versorgen.
Und noch etwas macht der Elbe zu schaffen: Laut Iris Brunar hält Tschechien in Regenphasen Wasser zurück, um Talsperren aufzufüllen. "Damit sichern sie unter anderem ihre Trinkwasserversorgung, betreiben Wasserkraftwerke und halten Wasser für landwirtschaftliche Beregnung vor." Auch die Neuansiedlungen der Chipindustrie sowie die Landwirtschaft bräuchten immer mehr Wasser.
Schwankende Pegelstände an der Elbe
Auch das UBA weist auf die schwankenden Pegelstände der Elbe hin und empfiehlt daher, die Menge des möglichen Wasserabflusses genau festzulegen und auch einzuhalten. Eine kontinuierliche Wasserentnahme käme nicht infrage, so ein UBA-Sprecher. Deshalb sei die Wasserüberleitung immer nur im Zusammenhang mit einer konzipierten Wasserspeicherung zu diskutieren.
Das UBA sieht grundsätzlich jedoch dringenden Handlungsbedarf. Sachsen und Brandenburg haben bereits eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingesetzt, nun soll ein umfassendes Wasserkonzept erarbeitet werden. Auf dem Wassertreffen in Berlin Mitte Juni wollen sich die drei Bundesländer weiter austauschen - sie sind beim Thema Wasser aufeinander angewiesen.