Neue Arbeitsformen New Work - mehr als ein Modewort?
Mehr Flexibilität, weniger Hierarchie und Beteiligung an Entscheidungen: New Work gilt als Antwort auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt - setzt aber auch einen echten Kulturwandel voraus.
Bei New Work denken viele zuerst an hippe Start-Ups, bei denen die Menschen in einer Fabriketage in Berlin sitzen, Club Mate trinken und Post-its an bodentiefe Fenster pinnen. Längst aber hat die Realität das Klischee überholt. New Work verbreitet sich zunehmend in Unternehmen in ganz Deutschland - vom Kleinbetrieb bis zur Krankenkasse.
Viele Firmen, die New-Work-Elemente einführen, setzen auf offene Bürokonzepte und Arbeitsplatz-Autonomie. Wer ins Büro kommt, sitzt dort, wo gerade eine Team-Aufgabe ansteht. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice - seit der Corona-Pandemie vielerorts ohnehin Standard - sind ebenfalls klassisches New Work. Genauso wie Jobsharing, etwa um sich eine Führungsposition zu teilen, oder eine offene Fehlerkultur und selbstbestimmtes Lernen.
Radikale Modelle eher die Ausnahme
Einige Firmen, die New Work einführen, gehen noch weiter. Sie bauen ihre Hierarchien ab und verlagern Entscheidungen, die früher eine Chefin alleine getroffen hätte, an die Mitarbeitenden. Die Teams organisieren sich selbst, um gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. Aber: Radikale Enthierarchisierungs-Modelle wie Holokratie oder Soziokratie sind eher die Ausnahme. Dabei wird jegliche Entscheidungsgewalt auf die Gruppe übertragen und ein Unternehmen demokratisch von gewählten Führungskräften geleitet.
Teile von New Work sind inzwischen in immer mehr Branchen in ganz Deutschland verbreitet. Das hat eine Befragung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart ergeben. Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat sich ein Forschungsteam bei Großkonzernen wie BASF und Daimler umgehört, aber auch bei klassischen Mittelständlern wie Kärcher und Trumpf. Selbst kleine Bäckereien arbeiten teilweise mit New-Work-Prinzipien. Da können Azubis selbst über den Schichtplan bestimmen und gewinnen so mehr Freiheit und Entscheidungskompetenz.
Gegenentwurf zur kapitalistischen Lohnarbeit
Die Idee des agilen Arbeitens stammt aus der IT-Branche. Ursprünglich ging es darum, wie man schneller und passgenauer Software entwickeln kann. Heute meint Agilität eine wendige und auf stetige Veränderungen eingestellte Arbeitswelt.
Der Begriff New Work geht auf den österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück. Anfang der 1980er-Jahre arbeitete er mit Arbeitslosen in der amerikanischen Automobilindustrie und suchte nach einem Konzept, wie Menschen ihre Arbeit als würdig und sinnvoll empfinden können.
Seine Idee von New Work war ein Gegenentwurf zur kapitalistischen, aber auch sozialistischen Lohnarbeit. Dafür hat er ein Drei-Säulen-Modell entwickelt, in dem sich Lohnarbeit, Gemeinschaftsarbeit und die Arbeit ergänzen, die die einzelnen Menschen "wirklich, wirklich wollen". Heute hat sich New Work von diesem Ursprung oft entfernt, wie Studien zeigen.
New Work nicht in allen Bereichen möglich
Es reicht nicht aus, neue Strukturen einzuführen, gibt Wirtschaftspsychologe Carsten Schermuly von der SRH Hochschule Berlin zu Bedenken, der im New-Work-Barometer regelmäßig verschiedene Firmen untersucht. Wichtig sei das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden. Für einen echten Kulturwandel müssten Angestellte ihre Tätigkeit als bedeutsam und sich selbst als selbstbestimmt, kompetent und einflussreich erleben. Einfach nur die Hierarchien abzuflachen, weil das gerade in Mode ist, könne sogar nach hinten losgehen: Landen die Führungsaufgaben beim Team, kann das zu Konflikten führen.
In vielen Old-Work-Bereichen wie Kitas, Pflegeheimen oder bei der Müllabfuhr sind Homeoffice und flexible Arbeitszeiten ohnehin nicht möglich. Die schöne neue Arbeitswelt gilt nicht für alle. Gewerkschaften pochen zudem auf Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die umfangreiche Selbstbestimmung bei New Work dürfe nicht zur Selbstausbeutung werden, so die Kritik. Wo die einen von Flexibilität und Freiheit sprechen, pochen Gewerkschaften auf eine Arbeitszeiterfassung.
Lockmittel für junge Fachkräfte
In Zeiten des Personalmangels wird New Work auch zum Lockmittel, um als Unternehmen für jüngere, gut ausgebildete Fachkräfte attraktiv zu sein. Eine angemessene Bezahlung allein scheint oft nicht mehr auszureichen. Die Jüngeren achten auf ihre Work-Life-Balance und wollen einen interessanten Job, der sinnstiftend ist. Aber die Bedingungen müssen stimmen.
Für Unternehmen kann sich New Work lohnen: Wo die Maßnahmen sinnvoll eingesetzt werden, führen sie nachweislich zu weniger Depressionen, späterem Renteneintritt und Innovationsverhalten. Natürlich geht es am Ende auch darum, in der schönen neuen Arbeitswelt erfolgreich zu sein.