Nach 53 Tagen im All Chinesische Mondsonde zurück auf der Erde
Die chinesische Mondsonde "Chang'e-6" ist zurück auf der Erde. Im Gepäck: Gesteinsproben von der Rückseite des Mondes. Die Mission war technisch anspruchsvoll und gilt als großer Erfolg.
China hatte mit der "Chang'e-6"-Mission bereits Raumfahrtgeschichte geschrieben, noch bevor die Sonde zurück auf der Erde landete: Erstmals gelang es der Volksrepublik, Proben von der erdabgewandten Seite des Mondes zu entnehmen.
Mit den Gesteins- und Bodenproben im Gepäck erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Erkenntnisse über die Beschaffenheit der Mondrückseite, die von der Erde aus nie zu sehen ist. Wegen seiner sogenannten gebundenen Rotation zeigt er uns immer dieselbe Seite.
Rückseite "geologisch spannender"
Die sechs "Apollo"-Missionen der 60er- und 70er-Jahre hatten nur Proben von der Vorderseite des Mondes zurückgebracht. Die Rückseite sei geologisch jedoch spannender, weil älter, erklärt Raumfahrtexperte Paolo Ferri, der viele Jahre für die Europäische Weltraumagentur (ESA) gearbeitet hat:
"Der größte Unterschied zwischen den beiden Mondseiten ist, dass auf der Vorderseite des Mondes mehr vulkanische Lava auf der Oberfläche ist. Sie hat die alte Oberfläche abgedeckt. Proben von dieser Seite sind also relativ neu. Proben von der Rückseite kommen von der ursprünglichen Oberfläche des Mondes."
Wahrscheinlich habe die Schwerkraft der Erde mehr vulkanische Aktivität auf der Vorderseite ausgelöst.
Zusammenarbeit mit der ESA
An Bord der "Chang'e-6"-Sonde war auch ein Instrument der ESA, das zum ersten Mal negative Ionen auf dem Mond nachgewiesen hat. Raumfahrtexperte Ferri erläutert, warum das für die Wissenschaft interessant ist: "Der Mond hat kein Magnetfeld und keine Atmosphäre. Die geladenen Teilchen des Sonnenwinds treffen darum - anders als bei der Erde - direkt auf seine Oberfläche, interagieren mit ihr und produzieren positive und negative Ionen." Diese seien praktisch der Schlüssel zu der Komposition der Mondoberfläche.
Noch ist unklar, ob die ESA bei den chinesischen Folgemissionen "Chang'e-7" und "Chang'e-8" und anderen Projekten weiter mit China zusammenarbeitet. Die ESA ist bei diesem Thema auf Nachfrage von tagesschau.de wenig auskunftsfreudig und sagt nur: "Derzeit gibt es noch keine Entscheidungen über die Fortsetzung der Zusammenarbeit bei 'Chang'e-7' und -8."
Konkurrenz um bemannte Mondmissionen
Der Grund könnte darin liegen, dass sowohl China als auch die USA planen, in den nächsten Jahren bemannt zum Mond zu fliegen. Die ESA wiederum spielt bei dem "Artemis"-Mondprogramm der US-Amerikaner eine bedeutende Rolle: Ein wichtiges Modul des "Orion"-Raumschiffs kommt aus Europa. Es wird in Bremen bei Airbus zusammengebaut, sorgt für den Antrieb und ist das Herzstück des Raumschiffs.
Der ehemalige Astronaut Ulrich Walter mutmaßt darum, dass den USA eine weitere Zusammenarbeit der ESA mit China nicht recht ist: "Chinas Mondprogramm besteht aus vier Phasen. Diese 'Chang'e-6'-Mission war das Ende der dritten Phase, und die nächsten zwei 'Chang'e'-Missionen sind die vierte Phase und zugleich Vorbereitungsmissionen für die darauffolgende bemannte Landung der Chinesen auf dem Mond." Damit stünden die Chinesen in Konkurrenz mit den US-Amerikanern.
Lagerbildung bei der Erforschung des Mondes
Sowohl die USA als auch China suchen derzeit Partner für ihre Mondprogramme. Die USA haben die "Artemis Accords" aufgelegt. In diesen Verträgen regeln sie unter anderem rechtliche Details bei der zukünftigen Erkundung des Mondes.
Auch Deutschland hat nach einigem Zögern im vergangenen September unterschrieben, damals als 29. Land. Erst kürzlich gaben die USA bekannt, dass die Slowakei als inzwischen 42. Land die "Artemis Accords" unterzeichnet hat.
Die Lagerbildung schreitet voran, denn auch die Chinesen wollten ihr Mondprogramm in internationaler Partnerschaft durchziehen, sagt Ex-Astronaut Walter: "China arbeitet mit Raumfahrt-Schwellenländern wie Brasilien, Aserbaidschan, Pakistan oder Saudi-Arabien zusammen. Sie wollen diese Staaten über das Mondprogramm an sich binden."
Die Rolle Russlands
Auch Russland kooperiert mit China und hat eigene Mondpläne, aber China habe Russland längst überholt, sagt der ehemalige ESA-Offizielle Ferri: "Das russische Programm ist sicherlich hinterher. Heute gibt es zwei Großmächte im Weltraum, und das sind nicht mehr Russland oder damals die Sowjetunion und die USA, sondern das sind die USA und China."
Das sieht Ulrich Walter ähnlich und ergänzt: Die chinesische Technologie baue auf russischer auf - und zwar aus den 1970er-Jahren. "Aber China hat sie so weiterentwickelt, dass sie eigentlich heutzutage nichts mehr mit russischer Technologie zu tun hat. Tatsächlich belächeln die Chinesen inzwischen die russische Raumfahrttechnologie. Eigentlich wollen sie raumfahrttechnisch nichts mehr mit den Russen zu tun haben."
Welche Interessen verfolgen China und die USA?
Nach jetzigen Planungen landen die US-Amerikaner vor den Chinesen mit Astronauten auf dem Mond. Die US-amerikanische "Artemis III"-Mission ist für September 2026 geplant, die chinesische Mission offiziell frühestens 2029. Für die USA ist der Mond ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Mars.
Auf dem Erdtrabanten wollen sie lernen, wie man im Weltraum mit Menschen für eine gewisse Zeit leben kann. Da der Mond mit rund 400.000 Kilometern Entfernung relativ nah zur Erde ist, kann man "Leben im All" hier gut testen. Bei lebensbedrohlichen Situationen etwa kann man innerhalb von drei Tagen zurück zur Erde fliegen.
Der Wissenschaftscharakter der "Artemis"-Missionen soll helfen, die Erkundung des Weltraums voranzutreiben. So könnte man Wassereis auf dem Mond schmelzen und aufspalten, um Raketentreibstoff - Sauerstoff und Wasserstoff - daraus zu gewinnen. Außerdem gibt es Ideen, irgendwann vom Mond zum Mars zu fliegen. Da der Mond nur ein Sechstel der Schwerkraft der Erde hat, wäre weniger Treibstoff nötig.
Für die Chinesen sei der Mond ein Prestige- und Technologieprojekt, sagt Ex-Astronaut Walter. "Zum einen geht es um Bildung für die Jugend, die Jugend soll fasziniert werden." Außerdem wolle man Technologien vorantreiben. "Wenn Sie sich den chinesischen Fünfjahresplan anschauen, da steht ganz klar drin: Wir brauchen neue Technologien." Und Raumfahrt sei Technologietreiber, darum mache China das sehr umfangreiche Mondprogramm. "Sie wollen den Mond mit vielen Satelliten überziehen, Mondbeobachtung machen, viele Mondlandungen und ab 2029 auch bemannt landen."
Militärische Interessen auf dem Mond
Aus heutiger Sicht scheint es nicht sinnvoll, den Mond militärisch zu nutzen und dort Waffen zu stationieren. Dafür ist der Mond zu weit von der Erde entfernt. Pläne, den Mond zu militarisieren, hatte es allerdings bereits zur Zeit des Kalten Kriegs gegeben, sie wurden aber verworfen.
Die Militarisierung des Weltraums findet aber bereits trotzdem statt, im niedrigen Erdorbit. Dort kreisen Satelliten, die zur kritischen Infrastruktur gehören. Laserangriffe vom Boden, Antisatellitentests mit Raketen und Annäherungsmanöver feindlicher Satelliten sind realistische Szenarien.