Kämpfe um Goma Welche Interessen hat Ruanda im Ost-Kongo?
Seit mehr als zehn Jahren kämpft die berüchtigte Rebellengruppe M23 im Osten des Kongo gegen die Zentralregierung. Nun hat sie die Provinzhauptstadt Goma eingenommen - offenbar mit Hilfe aus Ruanda. Was steckt dahinter?
Für die Rebellenbewegung M23 ist die Eroberung großer Teile der Stadt Goma in der Demokratischen Republik Kongo der größte militärische Erfolg seit mehr als zehn Jahren. Es sei "ein herrlicher Tag" hieß es in einer Mitteilung der Miliz, kurz nachdem sie die Zwei-Millionen-Stadt am Kivu-See größtenteils eingenommen hatte.
Tatsächlich wurde die kongolesische Armee durch die Blitz-Offensive der Rebellen im Osten des Landes auf eine spektakuläre Art und Weise vorgeführt. Präsident Félix Tshisekedi pocht zwar immer noch auf die regionale Integrität seines Landes und betont, dass er nicht zu Zugeständnissen bereit sei.
Aber wie genau er die Einheit des Landes wiederherstellen möchte, lässt er offen. Für den 61-Jährigen ist es die größte Krise, seit er 2019 ins Amt gewählt wurde.
Die Zivilbevölkerung in und um Goma herum ist zwischen den Fronten gefangen. In Kinshasa wächst die Wut auf den Präsidenten und das Ausland - die Angriffe auf Botschaften in der Hauptstadt am Dienstag spiegele den Frust einer Bevölkerung wieder, die sich angesichts der Offensive im Osten von anderen afrikanischen Ländern und dem Westen im Stich gelassen fühlt, sagen Experten.
Die M23-Rebellen und Ruanda
Und im Nachbarland Ruanda, das seit Jahrzehnten die M23 finanziell und logistisch unterstützt und mit Soldaten im Ost-Kongo verstärkt, reiben sich die Verantwortlichen dagegen die Hände.
Im Dezember wurde in einem Expertenbericht der Vereinten Nationen klar dargelegt, wie Ruanda unter der Führung von Präsident Paul Kagame gemeinsam mit den M23-Rebellen wertvolle Rohstoffe wie Gold und Coltan im Osten des Kongos abbaut. Coltan wird vor allem in der Elektroindustrie nachgefragt, unter anderem für die Herstellung von Mobiltelefonen und Laptops.
Die M23 habe im vergangenen Jahr die größte Coltanmine in der Region im ostkongolesischen Rubaya erobert, heißt es in dem Bericht. In Rubaya habe die Miliz eine eigene Verwaltung geschaffen, die unter anderem den Abbau, Handel und Transport von Rohstoffen kontrolliere, heißt es weiter. Mindestens 150 Tonnen Coltan seien so illegal aus dem Kongo nach Ruanda gebracht worden, wo der Rohstoff mit ruandischem Coltan vermischt worden sei.
Ruanda exportiere mittlerweile Rohstoffe im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar pro Jahr, sagte der frühere UN-Experte und Politikwissenschaftler Jason Stearns der Nachrichtenagentur Reuters. Das sei ungefähr doppelt so viel wie vor zwei Jahren. Man wisse nicht, wieviel, aber ein großer Teil davon stamme aus der Demokratischen Republik Kongo.
Diplomatischer Druck?
In den vergangenen Jahren haben sowohl die US-Regierung unter Joe Biden als auch die EU versucht, durch Sanktionen Druck auf Ruanda auszuüben. Auch wenn Kritiker die Sanktionen als halbherzig bezeichnen, ist das Verhältnis zwischen den USA und Ruanda dadurch deutlich abgekühlt.
Kagame habe auf den Machtwechsel in Washington gewartet, um mit dem Vormarsch auf Goma zu beginnen. "Die USA sind gerade mit sich selbst beschäftigt, Europa zerstritten und der Nahe Osten im Aufruhr", zitiert Reuters einen westlichen Diplomaten. "Kagame hat den Moment genutzt", so der Diplomat.
Dass jetzt mehr diplomatischer Druck aufgebaut werden kann, der die M23 und Ruanda dazu bewegen könnte, aus dem Ost-Kongo abzuziehen, gilt als unwahrscheinlich. In den europäischen Hauptstädten hat sich Kagame als Partner im Bereich Migrations- und Sicherheitspolitik Freunde gemacht.
In Mosambik stellt die ruandische Regierung tausende Truppen, die die Sicherheit eines Gas-Projektes im Norden des Landes sichern sollen. Ohne wirkliche Hilfe aus dem Ausland und innenpolitisch wie militärisch geschwächt, hat Kongos Präsident Tshisekedi schlechte Karten im Ost-Kongo.
Kigali sei entschlossen, sich den vollständigen Einfluss über die Provinz Nord-Kivu und die dortigen Rohstoffe zu sichern und jeden bewaffneten Widerstand zu unterdrücken, schreibt die Denkfabrik International Crisis Group in einem Bericht.
Ruanda hält sich bedeckt
Ruanda selbst hat bislang nicht bestätigt, direkt an dem Konflikt beteiligt zu, eigene Truppen entsandt zu haben und die M23 zu unterstützen. Aber Präsident Kagame formuliert in einem anderen Kontext sein Interesse an der Entwicklung im Nachbarland.
Kagame verweist immer wieder auf den Völkermord an den Tutsi von 1994, aus dem er einen Auftrag ableitet, die Bevölkerungsgruppe nicht nur in Ruanda, sondern auch in den umliegenden Gebieten zu schützen - auch im Kongo.
Dort ist auch eine ruandische Rebellengruppe aktiv, die sich überwiegend aus der Ethnie der Hutu rekrutiert, von denen viele 1994 nach dem Genozid an den Tutsi aus Ruanda geflohen waren. Kagame wirft dem Kongo vor, die Gruppe FDLR militärisch zu unterstützen - weshalb Ruanda die Tutsi in Ost-Kongo verteidigen müsse.
Der M23 wird von ethnischen Tutsi angeführt. Laut der International Crisis Group gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass Ruanda im Kongo tatsächlich Tutsi schützt. Vielmehr gibt es laut Beobachtern Hinweise, dass die M23 dort schwere Menschenrechtsverletzungen begeht.
Humanitäre Krise
Während man in Kinshasa und auf diplomatischer Ebene eher ratlos ist, spitzt sich die humanitäre Lage vor Ort immer weiter zu. Die M23 kontrollieren den Hafen und den Flughafen. Der Personen- und Frachtverkehr auf dem Kivu-See ist zum Stillstand gekommen, die Versorgungswege nach Goma sind abgeschnitten.
Hunderttausende sind auf der Flucht, die Krankenhäuser überlaufen. Selbst die Basen der UN-Friedenstruppe MONUSCO sind nicht mehr sicher. In den Tagen seit der Offensive auf Goma sind auch MONUSCO-Basen und -Gebäude beschossen worden.
"Der Fall Gomas könnte eine der schlimmsten humanitäre Krisen" in Afrika auslösen, warnt Peter Musoko, der Landesdirektor des Welternährungsprogrammes der Vereinten Nationen.