US-Republikaner "Welches Problem haben die McCarthy-Gegner"?
Kevin McCarthy hofft noch immer, Sprecher des US-Repräsentantenhauses zu werden. Doch wie er die Gegner in den eigenen Reihen noch überzeugen könnte, ist unklar, sagt US-Experte Thimm. Denn Zugeständnisse habe er schon gemacht.
tagesschau24: Oft werden die 20 Abweichler pauschal als rechter Flügel der Republikaner bezeichnet. Inwiefern gilt es da zu differenzieren?
Johannes Thimm: Es lässt sich schon feststellen, dass die 20 Leute, die jetzt in den letzten sechs Abstimmungen gegen McCarthy gestimmt haben, überwiegend aus dem "Freedom Caucus" kommen. Das ist ein Block von Mitgliedern des Repräsentantenhauses, die sehr weit rechts stehen, wobei sich das über die Zeit etwas gewandelt hat. Sie sind zunächst vor ungefähr zehn Jahren mit einer Agenda von wenig Staatsintervention in der Wirtschaft und einer liberalen Wirtschaftspolitik angetreten. In den vergangenen Jahren sind sie zunehmend eher der Trump-Flügel der Republikaner geworden. Sie stehen für eine "America First"-Politik. Viele von ihnen haben die letzten Wahlen angezweifelt. Es sind Rechtsextreme im Repräsentantenhaus.
"Nicht klar, wofür McCarthy steht"
tagesschau24: Für welche Politik steht denn McCarthy, dass er diesen erzkonservativen bis rechtsextremen Flügel der republikanischen Abgeordneten so gegen sich aufbringt?
Thimm: Das ist genau Teil seines Problems. Es ist nicht ganz klar, für was für eine Politik er steht. Klar ist, dass er schon lange Sprecher des Repräsentantenhauses werden wollte. Er hatte 2015 schon mal die Möglichkeit dazu, musste auch damals wegen mangelnder Unterstützung jemand anderem den Vortritt lassen. Und das ist jetzt wahrscheinlich seine letzte Chance.
McCarthy zeichnet sich aus durch den unbedingten Willen zur Macht. Deswegen ist er jetzt auch noch nicht zurückgetreten. Und sonst? Politisch ist er immer sehr flexibel gewesen, was man besonders daran sieht, dass er mal Donald Trump kritisiert hat, zum Beispiel nach den Ausschreitungen vom 6. Januar 2021. Als er gemerkt hat, dass die republikanische Basis Trump weiter die Treue hält, ist er wieder umgeschwenkt. Aber dass die radikalen Republikaner, die jetzt gegen ihn stimmen, ihn als zu moderat bezeichnen, das ist schon bemerkenswert. Denn auch er war ein Trump-Loyalist und kann nicht wirklich als moderat bezeichnet werden.
"Nicht leicht, Fraktionsdisziplin zu etablieren"
tagesschau24: Das Amt des "Speakers" des Repräsentantenhauses ist das dritthöchste politische Amt in den USA. Welche Macht hat denn der "Speaker"?
Thimm: Das ist eine Kombination aus Vorsitzender des Repräsentantenhauses, also derjenige, der für die Geschäftsordnung verantwortlich ist, und Fraktionschef der Mehrheitsfraktion der Republikaner. Die Macht besteht eben genau darin, dass der Sprecher die Agenda setzen kann, dass er darüber entscheiden kann, welche Gesetzesvorhaben im Plenum überhaupt diskutiert werden, welche überhaupt abgestimmt werden. Aber ein großer Teil der Aufgabe, und der ist nicht leicht, besteht eben darin, die eigene Partei zusammenzuhalten und so etwas wie Fraktionsdisziplin zu etablieren.
"Legt die Arbeit des Repräsentantenhauses komplett lahm"
tagesschau24: Was bedeutet denn nun diese Wahlblockade, dieses Hin und Her für die Arbeit des Repräsentantenhauses?
Thimm: Das Repräsentantenhaus kann seine eigentliche Arbeit erst aufnehmen, wenn ein Sprecher gewählt ist. Bevor das nicht passiert ist, werden die Mitglieder nicht offiziell vereidigt. Bevor es keinen Sprecher gibt, gibt es keine Geschäftsordnung. Die Tatsache, dass es jetzt eine Blockade gibt, legt die Arbeit des Repräsentantenhauses komplett lahm.
"Schon inhaltliche Zugeständnisse gemacht"
tagesschau24: Nun hat Ex-Präsident Trump, der von einigen der Abweichler noch immer kurzerhand als Präsident bezeichnet wird, sich wiederholt für McCarthy ausgesprochen. Wenn wir jetzt auf die Zwischenwahlen schauen, da hatten sehr viele der von Trump unterstützten Kandidaten schlecht abgeschnitten. Ist also am Ende die Tatsache, dass Trump zur Wahl von McCarthy aufruft, das eigentliche K.O. Für McCarthy?
Thimm: Nein, so würde ich das nicht sagen. Aber es zeigt, dass auch der Einfluss von Trump abnimmt. Trump fordert immer unbedingte Loyalität ein, bevor er jemanden unterstützt. Und McCarthy war eben genau zu dieser Loyalität bereit, weil er sich damals ausgerechnet hat, dass ihm das ermöglichen würde, Sprecher des Repräsentantenhauses zu werden. Und er wird von Trump unterstützt. Er wird auch von Jim Jordan aus Ohio unterstützt, ein Repräsentant, der auch dem "Freedom Caucus" angehört und ähnlich radikal ist wie die anderen, die jetzt gegen McCarthy stimmen und der vorgestern als alternativer Kandidat nominiert war. Aber er unterstützt McCarthy.
Es ist nicht so ganz auszumachen, wo eigentlich genau das Problem der Gegner mit McCarthy liegt. Einige haben sicherlich persönliche Probleme mit ihm, aber es ist nicht so ganz klar, wie sich dieser Flügel gewinnen lässt. Denn was McCarthy an inhaltlichen Zugeständnissen machen kann, das hat er schon gemacht.
"Es sieht nicht gut für ihn aus"
tagesschau24: Wie schätzen Sie es ein? Wird McCarthy einsehen, dass er keine Chance hat?
Thimm: Ich wage keine Prognose, wie das ausgeht. Es sieht zunehmend schlecht aus für McCarthy. Es ist nicht klar, wie er noch die Gegner überzeugen möchte, dass sie doch noch für ihn stimmen. Insofern muss er sich dann früher oder später zurückziehen. Und unbegrenzt kann das nicht fortgesetzt werden. Ich weiß nicht, ob er noch irgendwelche Trümpfe in der Hinterhand hat, um Leute auf seine Seite zu ziehen, ob die Fraktion insgesamt Druck auf die Abweichler ausüben kann, die sie zum Umschwenken bewegen. Das lässt sich im Moment ganz schwer ausmachen. Er will jedenfalls weiter verhandeln, aber es sieht im Moment nicht gut für ihn aus.
Das Gespräch führte Ralph Baudach, tagesschau24