Proteste in Israel Geisel-Krise setzt Netanyahu unter Druck
In Israel haben erneut Tausende Menschen für die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen demonstriert. Laut einem Medienbericht ist das Militär selbst für ein Waffenruhe. Netanyahus Position wird dadurch weiter geschwächt.
Die Wut der Demonstranten auf Premierminister Benjamin Netanyahu wird größer und deutlicher: "Du bist verantwortlich für den 7. Oktober", ruft der Vater eines Opfers in Jerusalem vor Netanyahus Residenz. "Und jetzt versuchst du, anderen die Schuld zu geben. Schäm Dich!"
In Tel Aviv gehen drei ehemalige Armeesprecher vor Tausenden Menschen auf die Bühne. Einer ist Avi Benayahu. Er hält dem Regierungschef vor, er stelle sein eigenes politisches Überleben über das Leben der Geiseln. "Der Premierminister wird sich bald zwischen seiner radikalen Koalition und seiner Verantwortung für die Bürger Israels entscheiden müssen", sagt er. "Die Geiseln sind nicht der Preis, der für den Krieg gezahlt werden muss. Die Geiseln zahlen den Preis für eine Politik, die versagt hat. Und wenn es jetzt keinen Deal gibt, werden sie sterben."
Ein Demonstrant hält bei einer Demo in Tel Aviv ein Plakat, auf dem "Revenge is not victory" steht, auf Deutsch "Rache ist kein Sieg".
Demonstranten fordern Netanyahus Rücktritt
Seit fast vier Monaten sind die 136 Geiseln jetzt in der Hand ihrer Entführer. Die Armee glaubt, dass rund 30 von ihnen bereits tot sind.
Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Netanyahu und Neuwahlen. Fania Oz-Salzberger, Schriftstellerin wie ihr Vater Amos Oz, sagte in Haifa: Bevor das Land sich erholen und wieder zueinander finden könne, müsse die Regierung gehen. Sie gehöre auf die dunkelsten Seiten im Geschichtsbuch Israels.
Militärführung für Waffenstillstand?
Der israelische Fernsehsender Kan berichtete, die Armeespitze habe gegen einen Waffenstillstand von mehreren Wochen nichts einzuwenden. Schließlich habe man durch militärische Gewalt noch keine Geisel befreien können. Auch wenn sich kein Militärvertreter namentlich zitieren ließ: Netanyahus Standpunkt - der Krieg müsse erst bis zu einem umfassenden Sieg "zu Ende gebracht" werden - wird dadurch weiter geschwächt.
Heute Abend werde sich die Hamas-Führung zu einem möglichen Waffenstillstand und der Freigabe von Geiseln äußern, hieß es jetzt. Der Beginn von Verhandlungen scheint zumindest denkbar.
Währenddessen rückt die israelische Armee von Chan Yunis weiter Richtung Rafah ganz im Süden des Gazastreifens vor. Ungeachtet der Warnungen auch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, dort seien besonders viele der Bewohner des Küstenstreifens, die sich vor den Bombardierungen in Sicherheit bringen wollten.