Vermisster Kremlgegner Nawalny "Mir geht es gut"
Wochenlang war unbekannt, wo er ist. Inzwischen hat es sich geklärt: Der Kremlkritiker Nawalny wurde in ein Straflager in der Polarregion verlegt. In sozialen Netzwerken berichtet er nun von einer anstrengenden Reise.
Der wochenlang vermisste Kremlgegner Alexej Nawalny hat sich nach seiner Ankunft in dem berüchtigten Straflager "Polarwolf" im hohen Norden Russlands erleichtert gezeigt.
"20 Tage auf Etappe waren ziemlich anstrengend, aber meine Stimmung ist trotzdem ausgezeichnet", teilte der 47-Jährige in einem in sozialen Netzwerken veröffentlichten Brief mit. "Auf Etappe" bezeichnet in Russland die Verbringung von Gefangenen in ein Straflager. "Mir geht es gut", schrieb er. "Ich bin heilfroh, dass ich endlich angekommen bin."
In einer Reihe von Nachrichten auf der Plattform X schrieb Nawalny scherzhaft: "Ich bin euer neuer Weihnachtsmann." Während seines Transports sei ihm ein Bart gewachsen.
Sein Team vermutet Zusammenhang mit Wahlen
Seine Familie und Unterstützer reagierten erleichtert auf das erste Lebenszeichen seit Anfang Dezember. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch sagte, Kremlchef Wladimir Putin versuche, durch die Verbannung seines Gegners dessen Einfluss vor der Präsidentenwahl zu reduzieren. Putin will sich am 17. März zum fünften Mal zum Präsidenten wählen lassen, Nawalny greift ihn auch aus dem Straflager heraus immer wieder scharf an.
Nawalnys Team hatte am Montag darüber informiert, dass der Oppositionsführer nach langer Suche von einem Anwalt in dem Lager IK-3 in Charp im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen gefunden worden sei. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich hier jemand vor Mitte Januar findet", teilte Nawalny mit. Er bedankte sich bei seinem Team aus Juristen und Unterstützern, die ihn seit Wochen in verschiedenen Untersuchungsgefängnissen und Straflagern gesucht hatten.
Die russischen Behörden hatten keine Angaben zu Nawalnys Verbleib gemacht, nachdem er das vorherige Straflager im Gebiet Wladimir rund 260 Kilometer von Moskau Anfang Dezember verlassen hatte.
"Die Bedingungen dort sind brutal"
Das für seine harten Haftbedingungen berüchtigte Straflager "Polarwolf" liegt mehr als 2.000 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Die schwer zugängliche Region ist für ihren Permafrostboden bekannt. "Die Bedingungen dort sind brutal", sagte Nawalnys Mitarbeiter Iwan Schdanow. Es handele sich um eines der nördlichsten und entlegensten Straflager überhaupt.
Der unter anderem wegen angeblichen Extremismus zu 19 Jahren Haft verurteilte Nawalny führt immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzt die Gerichtsauftritte nicht zuletzt zur beißenden Kritik an Putins autoritärem System und Moskaus Krieg gegen die Ukraine. Zuletzt wurde Nawalny mit Beginn des Wahlkampfes zu den Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet.