Krieg in Syrien Islamisten erklären Damaskus "frei von Assad"
Nach Jahren des Kriegs soll Syriens Machthaber Assad die Hauptstadt Damaskus verlassen haben - wohin ist unklar. Islamistische Kämpfer meldeten die Einnahme der Hauptstadt und den Sturz von Assad. Alle Häftlinge sollen frei kommen.
Die islamistischen Kämpfer der Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Milizen haben die Einnahme der Hauptstadt Damaskus und die Flucht von Machthaber Baschar al-Assad gemeldet. Die Ankündigungen wurden von einem staatlichen Fernsehsender mit Sitz in Damaskus übertragen.
Assad soll die Hauptstadt Damaskus mit unbekanntem Ziel verlassen haben. Das berichteten hochrangige Armeeoffiziere den Nachrichtenagenturen dpa und Reuters.
Zuvor hatte HTS im Onlinedienst Telegram mitgeteilt, in die Hauptstadt eingedrungen zu sein. "Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen", teilten die Aufständischen mit. Dies sei der Moment, auf den die Vertriebenen und die Häftlinge lang gewartet hätten, "der Moment der Heimkehr und der Moment von Freiheit nach Jahrzehnten der Unterdrückung und des Leids".
Regierungschef wohl bereit für Machtübergabe
Angesichts des Siegeszugs der Dschihadisten erklärte Regierungschef Mohamed al-Dschalali seine Bereitschaft für eine Machtübergabe. Er sei bereit, die Regierungsgeschäfte abzugeben an "jede Führung, die das syrische Volk bestimmt", und stehe am Morgen für jegliches Verfahren zur Machtübergabe bereit, sagte al-Dschalili in einem auf seinem Facebook-Konto veröffentlichten Video.
Der HTS-Anführer Abu Muhammad al-Dscholani soll angeordnet haben, dass niemand unbefugt öffentliche Einrichtungen betreten darf. Die staatlichen Institutionen sollen bis zur offiziellen Machtübergabe unter der Kontrolle des bisherigen Premierministers al-Dschalali bleiben. Dieser soll sich noch in Damaskus aufhalten. Er teilte mir, die Kontinuität der Regierung unterstützen zu wollen.
Häftlinge in Damaskus befreit
Die Islamisten rückten in Damaskus in ein berüchtigtes Gefängnis ein und befreiten dort Häftlinge. Das bestätigte auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte: Sie teilte mit, die Türen des Gefängnisses seien für "Tausende Häftlinge" geöffnet worden, die "während der gesamten Herrschaft des Regimes" vom Sicherheitsapparat gefangen genommen worden seien. Sie erklärte zudem, die syrische Armee und die Sicherheitskräfte hätten den Flughafen der Hauptstadt Damaskus verlassen.
Neue Kämpfe seit vergangener Woche
Die Islamisten-Allianz HTS hatte am 27. November überraschend im Nordwesten des Landes eine Offensive begonnen. Innerhalb kurzer Zeit übernahmen die Aufständischen die Kontrolle über viele Orte, darunter Aleppo und Hama, weitgehend kampflos. In der Nacht erklärten die islamistischen Kämpfer, ebenfalls die strategisch wichtige Stadt Homs eingenommen zu haben. Viele Soldaten sollen desertiert sein, größere Kämpfe wurden kaum gemeldet.
Der Bürgerkrieg in Syrien hatte 2011 mit Protesten gegen die Regierung begonnen, die brutal niedergeschlagen wurden. Daraufhin lehnten sich verschiedene Gruppen in verschiedenen Landesteilen gewaltsam gegen Assad auf. Mehrere Staaten - darunter Russland, der Iran, die Türkei und die USA - mischten sich im Laufe der Jahre in den Krieg ein. Rund 14 Millionen Menschen wurden vertrieben. Nach UN-Schätzungen kamen bisher mehr als 300.000 Zivilisten ums Leben. Eine politische Lösung zeichnete sich bis zuletzt nicht ab.
Assad hatte vor mehr als zwei Jahrzehnten im Alter von 34 Jahren die Macht in Syrien übernommen, nachdem sein Vater Hafis al-Assad, der das Land jahrzehntelang autoritär regiert hatte, gestorben war. Zunächst weckte Assad, der in England studiert hatte, Hoffnungen auf einen neuen Kurs. Doch die anfängliche Euphorie des sogenannten "Damaszener Frühlings", der kurze Zeit offenere Diskussionen erlaubte, wich bald der Rückkehr autoritärer Repression.