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Arbeitsprogramm der Kommission So will die EU wieder glänzen
Die EU will Europas Unternehmen wieder international wettbewerbsfähig machen. Heute debattiert das EU-Parlament darüber. Aber lassen sich die Pläne auch umsetzen?
Ursula von der Leyen muss liefern - die EU-Kommissionspräsidentin hat im Europawahlkampf und danach für ihre zweite Amtszeit viel versprochen. Dabei haben sich die Arbeitsschwerpunkte gegenüber ihrem ersten Mandat deutlich verschoben.
Der Kampf gegen den Klimawandel steht nicht länger an erster Stelle. Die dafür beschlossenen Gesetze belasten Europas Industrie, die außerdem mit den Folgen von Corona-Pandemie und dem Krieg gegen die Ukraine sowie mit internationalen Wettbewerbern zu kämpfen hat.
Deshalb und auf Druck ihrer christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament gibt die Kommissionschefin das Ziel aus, beweglicher zu sein und Bevölkerung und Unternehmen bei Europas nachhaltigem Umbau besser zu begleiten.
Über allem steht das W-Wort
Der Ende Januar von der Kommission vorgestellte Wettbewerbskompass gibt die Richtung vor. Nach von der Leyens Ansicht hat Europas bisheriges Geschäftsmodell, das auf billiger Arbeit in China und vermeintlich preiswerter Energie aus Russland gründet, ausgedient. Um den Rückstand auf internationale Wettbewerber aufzuholen, schlägt sie ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor.
Im Mittelpunkt steht der für Ende Februar angekündigte Deal für saubere Industrie, der Investitionen erleichtern und Energiepreise senken soll. Wie das konkret funktionieren kann, ist noch offen.
Jedenfalls soll die Wettbewerbsfähigkeit von Europas Wirtschaft übergreifende Handlungsmaxime der EU werden, an der sich künftige Vorschläge aus Brüssel ausrichten. Grundlage sind Empfehlungen im Bericht des früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi.
Mit dem Omnibus zum Bürokratieabbau
Europas mächtigste Behörde will das Klischee widerlegen, wonach die gut 30.000 "Eurokraten" in Brüssel vor allem daran arbeiten, Firmen und Bürgern durch ständig neue Vorschriften das Leben zu erschweren. Stattdessen möchte die Kommission Bürokratie abbauen und Genehmigungsverfahren vereinfachen.
In einem ersten Schritt sollen Ende Februar Berichtspflichten aus drei Gesetzen mithilfe einer sogenannten Omnibus-Verordnung zusammengefasst werden. Weitere sollen folgen, um den Verwaltungsaufwand für Betriebe um mindestens 25, für kleine und mittlere Firmen sogar um 35 Prozent zu senken.
Nach von der Leyens Worten könnten sie dadurch jährlich 37 Milliarden Euro einsparen. Wirtschaftsverbände begrüßen das, fordern aber konkrete Schritte.
Die Kommission erwägt auch, die meisten EU-Firmen von CO2-Grenzzöllen auszunehmen, die auf Importe aus Drittstaaten fällig werden. In der Landwirtschaft hat es die EU vorgemacht: Kleinere Höfe, die den Großteil der Betriebe ausmachen, werden nicht länger kontrolliert.
Startkapital für Start-Ups
Nach Angaben der Kommission meldet Europa in etwa so viele Patente an wie die USA und China, wovon in der EU allerdings nur ein Drittel kommerziell genutzt werde. Um das zu ändern, will Brüssel Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz gezielt fördern.
Beim KI-Gipfel in Paris sagte die Kommissionschefin 20 Milliarden Euro für vier Giga-Fabriken zu, in denen Entwickler Modelle trainieren können. Weitere Vorschläge will die Kommission im zweiten Quartal machen.
Ein einheitliches Regelwerk soll Unternehmen grenzüberschreitende Geschäfte im Binnenmarkt erleichtern. Damit Start-Ups besser an Startkapital kommen, verstärkt die Kommission ihre Versuche, die Kapitalmarktunion voranzubringen.
Derzeit fließen Hunderte Milliarden Euro an privatem Kapital ins Ausland, weil die EU-Staaten Börsen, Unternehmensbesteuerung und Insolvenzen unterschiedlich regulieren. Dabei braucht es laut Ex-EZB-Chef Draghi jährliche Investitionen von bis zu 800 Milliarden Euro, um die großen EU-Vorhaben zu finanzieren: den grünen und digitalen Wandel sowie höhere Rüstungsausgaben.
Mehr Geld für Verteidigung - aber woher?
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor drei Jahren diskutiert die EU mit Hochdruck darüber, deutlich mehr Geld in die gemeinsame Verteidigung zu stecken. Donald Trumps Amtsantritt hat die Dringlichkeit noch verschärft. Die Kommission schätzt den Finanzbedarf dafür auf 500 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren. Wie die Mittel zusammenkommen sollen, ist offen.
Verteidigungskommissar Andrius Kubilius wird in einem Weißbuch Mitte März Optionen vorlegen. Gemeinschaftsschulden wie während der Corona-Pandemie lehnen Deutschland und einige andere EU-Länder ab.
Nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz ist Verteidigung eine Angelegenheit der Mitgliedstaaten, die über die nationalen Haushalte finanziert werden sollte. Das setzt hoch verschuldeten Staaten wie Frankreich oder Italien enge Grenzen.
Kommissionspräsidentin von der Leyen kann sich vorstellen, bei der Anrechnung gestiegener Verteidigungsausgaben auf die Defizite einzelner Mitgliedsstaaten flexibler vorzugehen. Diese aus dem Defizit herauszurechnen, ist nach den EU-Schuldenregeln aber nicht erlaubt.
Auf die Chefin kommt es an
Unabhängig vom Arbeitsprogramm ist diese Kommission in den nächsten fünf Jahren noch stärker als während Ursula von der Leyens erster Amtszeit auf die Präsidentin zugeschnitten. Die Zuständigkeiten der Kollegiumsmitglieder überschneiden sich, etwa beim Green Deal für den nachhaltigen Wandel.
Bei Unstimmigkeiten dürfte am Ende die Chefin entscheiden. Oder sie zieht Kompetenzen gleich an sich wie beim gerade laufenden strategischen Dialog zur Zukunft der Autoindustrie, dessen Leitung nicht der Verkehrskommissar, sondern von der Leyen übernommen hat. Anfang März sollen Ergebnisse vorliegen.
Die Kommissionschefin gewinnt dadurch noch mehr Einfluss. Sie steht aber auch in der Verantwortung, falls Brüssels Pläne nicht vorankommen wie vorgesehen.