Cyberattacken und Sabotage NATO plant neue Strategie gegen hybride Angriffe
Durchtrennte Unterwasserkabel, Cyberangriffe, Wahlbeeinflussung: NATO-Länder sind immer häufiger Ziel von hybriden Angriffen. Die Außenminister des Bündnisses beraten heute über Abwehrstrategien - und mögliche Gegenschläge.
Wie lässt sich die Infrastruktur der NATO-Mitgliedstaaten besser vor Angriffen schützen? Darüber sprechen die Außenminister des Verteidigungsbündnisses heute in Brüssel. Dort wollen sie eine Überarbeitung ihrer Strategie zur Abwehr hybrider Bedrohungen beschließen.
Nach Angaben von NATO-Generalsekretär Mark Rutte soll es dabei etwa um einen verstärkten Austausch von Geheimdienstinformationen und den besseren Schutz von kritischer Infrastruktur geben. Zudem geht es um die Frage, wie künftig bei Angriffen zurückgeschlagen werden sollte.
Nach Einschätzung von Experten sei es höchste Zeit, dass gehandelt wird. Man habe das Problem, dass man sich daran gewöhnt habe, dass die hybriden Angriffe stetig intensiver und häufiger werden, sagte er. Folge sei, dass man lange nicht angemessen reagiert habe.
NATO befürchtet weitere Sabotageakte
Unter dem Oberbegriff hybrider Bedrohungen werden Aktionen zusammengefasst, die staatliche oder nicht staatliche Akteure nutzen, um andere Länder zu schädigen, ohne dabei einen offenen Krieg zu führen. In der Regel lassen sie sich nur schwer oder gar nicht einem bestimmten Urheber zuordnen.
Zuletzt waren im November innerhalb kurzer Zeit Schäden an zwei Glasfaserkabeln in der Ostsee aufgetreten. Eines davon verläuft zwischen Schweden und Litauen, das andere zwischen Finnland und Deutschland. Die Ursache dafür ist in beiden Fällen noch unklar. Die schwedischen Behörden ermitteln wegen möglicher Sabotage. Der Fokus der Ermittler liegt auf einem chinesischen Schiff mit dem Namen "Yi Peng 3", das zum fraglichen Zeitpunkt die betroffenen Stellen der Kabel passiert haben soll.
Die NATO befürchtet weitere schwere Sabotageakte und Cyberangriffe auf das Bündnisgebiet. "Wir beobachten, dass insbesondere Russlands Bereitschaft zunimmt, in unseren Ländern durch Sabotage physischen Schaden anzurichten und Menschenleben zu gefährden", sagte ein ranghoher Beamter am Rande des Außenministertreffens.
Russland, China, Iran und Nordkorea aktiv
Bei Cyberangriffen seien zudem auch China, der Iran und Nordkorea aktiv. So führten Chinesen wie auch Russland eine andauernde Kampagne zur Verbreitung von Schadsoftware aus. Dabei gehe es um Spionage, aber auch darum, im Fall von steigenden Spannungen Störungen auslösen zu können. Russland konzentriere sich dabei auf kritische Infrastrukturen und insbesondere auf industrielle Steuerungssysteme, sagte der Beamte.
Als Beispiel für einen besonders schweren, bereits erfolgten Cyberangriff nannte der Beamte eine enorme Attacke gegen das NATO-Mitglied Albanien im Juli 2022, die wahrscheinlich vom Iran ausgeführt worden sei. Diese habe das Grenzkontrollsystem lahmgelegt und dafür gesorgt, dass alle Dateien des Innenministeriums im Internet veröffentlicht worden seien. "Jede polizeiliche Untersuchung, jede E-Mail zwischen Polizisten, jeder geheime Zeuge, jeder Gerichtsfall und jede Interpol-Akte war publik", erklärte er.
Unterwasser-Infrastruktur besonders verwundbar
Besonders anfällig für Sabotage sind den Angaben zufolge Gas-, Öl- und Datenleitungen. Laut einem NATO-Beamten gehe es um mehr als eine Million Kilometer dieser Infrastruktur, die von Russland über ein bereits vor Jahrzehnten gestartetes Programm kontinuierlich kartiert werde.
Die Russen hätten demnach die Fähigkeit, "wann immer sie es wünschen" Sprengstoffe anzubringen oder Kabel zu durchtrennen. Es gebe zudem ein Ungleichgewicht in der Verwundbarkeit: Russland sei bei Weitem nicht in dem Maße auf solche Infrastruktur angewiesen wie die Alliierten.
Großangelegte Programme zur Beeinflussung von Wahlen
Als weitere, vermutlich von Russland gesteuerte Aktivitäten nannte der Experte Brandstiftungen, die Instrumentalisierung von Flüchtlingen, Attacken auf Bahnlinien und Anschlagsplanungen gegen führende Industrievertreter. So gilt es beispielsweise als wahrscheinlich, dass zeitweise die Ermordung des Vorstandschefs des größten deutschen Rüstungskonzerns, Armin Papperger, geplant wurde.
Den Angaben aus der NATO zufolge muss damit gerechnet werden, dass Russland großangelegte Programme zur Beeinflussung von Wahlen in Bündnisstaaten startet. Dabei könnte wie zuletzt in Moldau auf die Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen, auf Cyberattacken oder Stimmenkäufe gesetzt werden. Bei all dem handele es sich um eine organisierte Kampagne, sagte der Beamte.