Russland und die Ukraine Und wo liegt nun der Ball?
Russland und die Ukraine sprechen von Verhandlungsbereitschaft - sehen aber die Bringschuld jeweils beim Gegner. Schon die Einschätzung, ob es neue Vorschläge gegeben hat, gehen auseinander.
Auch wenn die Kämpfe in der Ukraine andauern und ein wirklicher Frieden noch weit entfernt scheint - das Wort "Verhandlungen" fällt nahezu täglich. Anfang der Woche sagte der russische Präsident Wladimir Putin beim Treffen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres in Moskau:
Ich möchte Sie informieren, dass wir, trotz der Tatsache, dass die Militäroperation weitergeht, damit rechnen, Vereinbarungen auf diplomatischem Weg zu erzielen. Wir führen Verhandlungen, wir verzichten nicht auf sie.
Lawrow sieht Kiew am Zug
Die Bringschuld aber, wenn es darum geht echte Fortschritte zu erzielen, sieht der russische Außenminister Sergej Lawrow zum jetzigen Zeitpunkt klar bei der Ukraine:
Wie Sie wissen, stimmten wir sofort zu, nachdem Präsident Selenskyj Anfang März Verhandlungen vorgeschlagen hatte. Aber das Verhalten der ukrainischen Delegation bei den Gesprächen, das Verhalten von Präsident Selenskyj selbst, der sich weigert zu bestätigen, dass sie unsere neuen Vorschläge erhalten haben - das ist natürlich deprimierend.
Vor gut einer Woche gab Kreml-Sprecher Dmitri Peskow an, einen Dokument mit ausgearbeiteten Vorschlägen nach Kiew geschickt zu haben. Welche genau, ist offiziell nicht bekannt. "Der Ball ist nun auf ihrer Seite, wir warten auf ihre Antworten", so Peskow.
Außenminister Lawrow sagt, Russland sei verhandlungsbereit und macht die Ukraine für den Stillstand verantwortlich.
Selenskyj sieht Moskau am Zug
Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte damals, nichts bekommen zu haben.
Ob der Ball auf unserer Seite liegt? Na, ich habe früher ganz gut Fußball gespielt, in friedlichen Zeiten. Und wie lauten die Regeln? Man braucht zwei Mannschaften und einen Ball. Hier scheint mir, dass Herr Peskow mit sich selbst Fußball spielt.
Später räumte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak ein, dass man zwar ein Papier aus Moskau erhalten habe, es aber von einem echten, neuen Entwurf weit entfernt sei.
Das ist das Kommuniqué von Istanbul, das die Ukraine der russischen Seite in Istanbul übergeben hat. Dann hat sich die russische Seite Zeit genommen, die Vorschläge zu studieren - vor allem in Bezug auf eine Einigung über Garantien und Sicherheiten - um dann Gegenvorschläge und Anmerkungen gemacht. So, wie üblich. Es gibt, und das ist wichtig, kein neues Dokument.
Im April kein direktes Treffen
Seit den Gesprächen Ende März in Istanbul, hat es kein direktes Treffen der Verhandlungsgruppen Russlands und der Ukraine gegeben. Unter anderem hatten die Bilder aus Butscha und anderen Kiewer Vororten die Verhandlungen ins Stocken geraten lassen.
Nun drängt die ukrainische Seit auf ein erneutes, persönliches Treffen der Verhandlungsteams. Präsidentenberater Olexij Arestowytsch sagt dazu: "Wir haben den Russen vorgeschlagen, eine spezielle Verhandlungsrunde durchzuführen, vor Ort - direkt an den Wänden von Asowstal."
Lawrow verlangt eine Antwort
Er meint damit die eingekesselte Industrieanlage in der Hafenstadt Mariupol. Der russische Außenminister Lawrow hat diesem Vorschlag bereits eine Absage erteilt.
Nun was soll ich sagen? In der Tat eine theatralische Geste, die Ukrainer lieben es, alles zu inszenieren. Anscheinend wollten sie eine Art herzzerreißende Szene spielen. Wenn wir im Rahmen von Verhandlungen über eine ernsthafte Einstellung sprechen, wäre es besser, wenn sie schnell auf unseren Vorschlag reagieren würden.
Die ukrainische Seite schlägt Verhandlungen in Maiupol vor - Russland hält das für theatralisch.
Erdogan bietet sich erneut an
In der Zwischenzeit hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wieder als Vermittler ins Gespräch gebracht:
Die Verhandlungen, die in Istanbul stattgefunden haben, sind nach wie vor die wichtigste Grundlage zur Lösung der Krise zwischen der Ukraine und Russland. Unser Ziel ist es, den Istanbul-Prozess auf die Ebene eines Treffens beider Staatschefs anzuheben und zu bewirken, dass in diesem Zuge jene Unterschriften gesetzt werden, die diesen Krieg beenden.
Zweimal schon haben die Präsidenten Putin und Erdogan seitdem telefoniert und vereinbart, weiter in Kontakt zu bleiben. Ein direktes Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj hat Moskau bisher abgelehnt - mit dem Argument, dass es dafür noch zu früh sei.