Krieg gegen die Ukraine Feuerpausen in vier Städten angekündigt
Russland hat für Kiew und drei weitere Städte Feuerpausen angekündigt, um Evakuierungen zu ermöglichen. Doch die dafür von russischer Seite vorgeschlagenen Fluchtrouten lehnt die ukrainische Regierung klar ab.
In vier ukrainischen Städten sollen offenbar für ein paar Stunden die Kämpfe ausgesetzt werden, um den dort lebenden Menschen die Flucht zu ermöglichen. Das russische Verteidigungsministerium kündigte die Feuerpausen sowohl für die Hauptstadt Kiew als auch für Charkiw, Mariupol und die im Osten der Ukraine gelegene Stadt Sumy an.
Nach Angaben des russischen Militärs sollen sämtliche Waffenruhen ab 8 Uhr Mitteleuropäischer Zeit in Kraft treten, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete. In dieser Zeit sollten Einwohnerinnen und Einwohner die umkämpften Städte über insgesamt sechs humanitäre Korridore verlassen können. Laut russischem Verteidigungsministerium sollen sich die Bewohner sowohl in andere Städte in der Ukraine begeben oder die Ukraine in Richtung Russland und Belarus verlassen können.
Ukraine lehnt vorgeschlagene Flüchtlingsrouten ab
Das russische Militär veröffentlichte mehrere Fluchtrouten, die aus den vier Städten herausführen sollen. So sollten etwa Menschen aus Kiew zunächst nach Gomel in Belarus gefahren und von dort nach Russland geflogen werden. Von Mariupol aus sollten Zivilisten in die südrussische Stadt Rostow gebracht werden. Flüchtende aus Sumy sollten demnach in der zentralukrainischen Stadt Poltawa vorübergehend eine Unterkunft finden. Russland hat nach eigenen Angaben internationale Hilfsorganisationen informiert. Man werde die Evakuierung mit Kampfdrohnen überwachen, zitieren die Nachrichtenagenturen den russischen Koordinationsstab.
Doch die ukrainische Regierung lehnte es klar ab, die Bevölkerung über die von Russland vorgeschlagenen Fluchtrouten aus den Städten herauszubringen, da diese ausschließlich nach Russland oder Belarus führen würden. "Das ist keine akzeptable Option", erklärte die stellvertretende ukrainische Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Ihre Regierung habe Russland Gegenvorschläge vorgelegt, bei denen die humanitären Korridore Orte innerhalb der Ukraine zum Ziel hätten.
Zuvor hatte auch der Sprecher des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj diese Fluchtwege in einer schriftlichen Erklärung kritisiert. "Bürger der Ukraine" sollten auch "das Recht haben, in ukrainisches Territorium" gebracht zu werden. Er warf Russland vor, mit seinem Vorstoß für die Evakuierungen nur "das Leid der Menschen" auszunutzen, "um die gewünschten TV-Bilder zu schaffen".
Sämtliche Städte Ziel russischer Offensive
Alle der vier Städte, für die die Feuerpausen angekündigt sind, waren in den vergangenen Tagen das Ziel immer stärkerer Angriffe Russlands geworden. In der Nacht zu Montag hatten russische Truppen ihre Angriffe auf mehrere Orte noch verstärkt. Charkiw wurde erneut Ziel von Luftangriffen. Neben Sumy gerät auch die Stadt Mykolajew im Süden des Landes immer stärker unter Druck. Die Hafenstadt Mariupol wird bereits seit Tagen umkämpft.
Für die Hauptstadt Kiew erwartet der ukrainische Generalstab einen unmittelbar bevorstehenden Angriff. Russland habe begonnen, Truppen und Ressourcen rund um Kiew noch stärker zusammenzuziehen.
Bereits zwei Versuche in Mariupol gescheitert
In Mariupol hatte es bereits zwei Versuche gegeben, die Stadt zu evakuieren. Doch sowohl am Samstag als auch am Sonntag wurde die dafür erforderliche Feuerpause nicht eingehalten. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld dafür.
Mariupol ist mit einer Einwohnerzahl von etwa 440.000 eine der größten Städte der Ukraine. Behörden hatten gehofft, dass am Wochenende etwa 200.000 Menschen über den bis in die Stadt Saporischschja eingerichteten humanitären Korridor in Sicherheit gebracht werden könnten. Auch den Einwohnerinnen und Einwohnern der nahegelegenen Kleinstadt Wolnowacha sollte die Chance zur Flucht gegeben werden.
Doch am Samstag wurde die Evakuierung von den Behörden Mariupols verschoben, am Sonntag wurde sie abgebrochen. Russische Separatisten hatten mitgeteilt, dass bei dem zweiten Versuch zumindest 300 Menschen Mariupol hätten verlassen können. Von ukrainischer Seite wurden diese Angaben jedoch nicht bestätigt. Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sprach von einem gescheiterten zweiten Versuch einer Evakuierung.
Im Vorfeld der beiden vergangenen misslungenen Evakuierungsversuche hatte sich die ukrainische Regierung immer zu Wort gemeldet. Sowohl am Samstag als auch am Sonntag, als die Feuerpause hätte greifen sollen, veröffentlichten auch lokale ukrainische Behörden detaillierte Informationen. Diese liegen am heutigen Morgen nicht vor - nur die Meldungen von der russischen Seite.
Staatschefs drängen auf Einhaltung der Waffenruhe
Auf die Einrichtung humanitärer Korridore als Fluchtwege hatten sich Vertreter Russlands und der Ukraine bei gemeinsamen Verhandlungen am Freitag geeinigt.
Am Wochenende hatten sowohl der französische Präsident Emmanuel Macron, Israels Ministerpräsident Naftali Bennett und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in persönlichen oder telefonischen Gesprächen Putin aufgefordert, diesem Kompromiss nachzukommen und die dafür notwendigen Waffenruhen einzuhalten.