Diabetes-Medikament Ozempic Gefährlicher Diät-Hype um eine Spritze
Eigentlich ist Ozempic für die Therapie von Diabetes gedacht. Aber weil es den Appetit zügelt, preisen es Promis auch als Diät-Mittel an - mit gefährlichen Folgen auch für die, die das Medikament dringend brauchen.
Moderator Jimmy Kimmel beginnt die Oscar-Nacht in Los Angeles mit einem Insiderscherz. Wenn er sich so umschaue, frage er sich schon: "Ist Ozempic auch für mich richtig?" Es ist die Anspielung auf den Hype um ein Medikament, das nicht nur in Hollywood als Schlankmacher-Wunderdroge gehandelt wird.
Zum Hashtag Ozempic finden sich allein bei TikTok über drei Millionen Clips von Menschen, die sich ihre wöchentliche Depot-Spritze mit Ozempic in den Bauch jagen, über Abnehmerfolge schwärmen oder Nebenwirkungen klagen. Einer stammt aus einem Interview der Komikerin Chelsea Handler mit der "New York Post": "Meine Anti-Aging-Ärztin verschreibt das jedem, der es haben will", sagt die Schauspielerin, die es selbst auch eine Weile genommen hat.
Jimmy Kimmel machte bei der Oscar-Verleihung Späße über Ozempic.
Verschreibungspflichtiges Medikament aus Dänemark
Ozempic, hergestellt vom dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk, ist ein verschreibungspflichtiges Medikament. Es ist in den USA wie in Europa zugelassen für die Behandlung der sogenannten Altersdiabetes. Es fördert die Freisetzung von Insulin im Körper und sorgt dafür, dass man sich schnell richtig satt fühlt, keine Heißhunger-Attacken bekommt - und weniger isst.
Im Schnitt verlieren Patienten laut Studien so 15 Prozent Gewicht. Deshalb wird es in den USA von vielen Ärzten inzwischen auch zur Behandlung von Adipositas eingesetzt - also von Fettleibigkeit. Beispielsweise von Caroline Apovian, Harvard-Professorin und Ärztin am Brigham and Women's Hospital in Boston. Im Sender NRP erklärt sie: "Es ist ein Lebensretter für beide Krankheiten, Diabetes und Adipositas. Adipositas verursacht Diabetes."
Warnungen vor Off-Label-Verschreibung
Adipositas-Experte Andres Acosta von der Mayo Clinic in Minnesota dagegen warnt vor der sogenannten Off-Label-Verschreibung - vor allem für Leute, die einfach nur ein bisschen abnehmen wollen. Dafür seien sie nicht getestet: "Wir wissen schließlich gar nicht, was diese Medikamente mit ihrem Körper anstellen, wenn Sie diese Krankheit gar nicht haben."
Die häufigsten Nebenwirkungen, erklärt Acosta, seien Übelkeit und Erbrechen, Verstopfung, Durchfall und selten Bauchspeicheldrüsenentzündung. Laut US-Arzneimittelbehörde FDA erhöht Ozempic auch das Risiko von Schilddrüsenkrebs. Eine Monatsdosis kostet ohne Versicherung rund 1000 Dollar.
Medikament wird in USA knapp
Der Run auf Ozempic ist laut US-Medienberichten mittlerweile so groß, dass Diabetiker wie Scott Mühe haben, es noch in irgendeiner Apotheke zu ergattern. Bei NPR macht der 65-Jährige seinem Frust Luft: "Ich muss bitten und betteln um ein Medikament, das mein Leben retten könnte."
Adipositas-Forscher Acosta macht eine andere Folge des Ozempic-Hypes viel größere Sorgen: Nachahmer-Produkte, die schon jetzt viel günstiger im Internet zu kaufen sind, ungeprüft und ungetestet: "Es ist nur eine Frage, bis eines dieser Präparate mit Bakterien verseucht ist und ein Patient, weil man es injiziert, dann an einer Infektion stirbt." Dadurch gerate dann die ganze Klasse von Medikamenten in Gefahr.
Auch bei TikTok finden sich inzwischen viele kritische Clips zum Thema. Chelsea Handler hat das Medikament wieder abgesetzt. Ein Medikament für Diabetiker zu nehmen, wenn man es nicht wirklich braucht, das sei nicht richtig.
Korrektur: In einer älteren Version des Textes unserer Korrespondentin Julia Kastein stand, dass Novo Nordisk ein niederländisches Unternehmen sei - es ist aber aus Dänemark. Zudem gab es einen Namensfehler - die Schauspielerin heißt Chelsea Handler, nicht Chandler.