Bundestagswahl 2025
Werbestrategien Die Macht der Wahlplakate
Ein Gesicht und ein Wort: Einige Wahlplakate wirken minimalistisch. Dahinter steckt Strategie. Beim ältesten Werbemittel setzen die Parteien vor allem auf Psychologie.
Sie leiten die heiße Phase der Wahlkämpfe ein: die Wahlplakate. Auch in Zeiten von Social Media und Werbemöglichkeiten, die sich an einzelnen Zielgruppen orientieren, zeigen sie unübersehbar, dass Parteien um jede Stimme kämpfen. Dabei spielt Psychologie eine große Rolle - und das richtige Timing. "Wahlplakate haben eine große Bedeutung in der Wählermobilisierung, aber auch in der Bekanntmachung und Wiedererkennung von Personen", sagt der Karlsruher Psychologe Dominic Hennig.
Eine Einschätzung, die auch Frank Brettschneider in Stuttgart teilt. Der Politik- und Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim untersucht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Wirkung von Wahlplakaten. "Über sie können Wähler über alle Bevölkerungsgruppen hinweg erreicht werden", sagt Brettschneider und hebt damit den großen Vorteil der Plakate gegenüber Social-Media-Kampagnen hervor. Eine Einschränkung gebe es aber: Sie müssen gut gemacht und verständlich sein.
Sind Wahlplakate noch zeitgemäß?
Der Psychologe Hennig hält das Wahlplakat auch in einer digitalen Welt für unverzichtbar: "Es gibt den sogenannten Exposure Effekt, der besagt: Je häufiger wir eine Person oder auch ein Objekt sehen, umso sympathischer wird das für uns in unserer Wahrnehmung." Sympathische Menschen würden eher gewählt als unsympathische. Deshalb startet die Plakatierung auch klassischerweise mit den Gesichtern der Direktkandidaten für einen Wahlkreis.
Kommunikationswissenschaftler Brettschneider unterteilt bei den Wahlplakaten drei Wellen, die jeweils etwa zwei Wochen andauern. Wann plakatiert werden darf, regeln die Kommunen. Im Schnitt geht es sechs bis sieben Wochen vor der Wahl los. "In diesem Jahr gehen die Phasen fließender ineinander über", sagt Brettschneider. Wegen der vorgezogenen Wahl ist der Wahlkampf kürzer. Da für die Plakate festgelegte Fristen gelten, lassen sich aber trotzdem auch im diesjährigen Bundestagswahlkampf Wellen erkennen.
Phase eins: Köpfe
In der ersten Plakatierungswelle versuchen die Direktkandidatinnen und -kandidaten, ihr Gesicht im Wahlkreis bekannt zu machen. "Hinzu kommen unspezifische Slogans, eher Schlagworte, die zeigen, in welche Richtung der Wahlkampf der Parteien gehen wird", sagt Brettschneider.
Als Beispiel nennt der Kommunikationswissenschaftler die Plakate der Grünen mit dem Konterfei von Robert Habeck und dem Wort "Zuversicht". Er vergleicht sie mit den SPD-Plakaten von 2021: Olaf Scholz und "Respekt".
Im Vergleich zu Scholz, CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz oder AfD-Kandidatin Alice Weidel ist Habeck schon früh präsent im Wahlkampf. Das ist aus Brettschneiders Sicht eher ungewöhnlich, weil die Kanzleranwärter eher in einer späteren Welle auftauchen. Viele Köpfe, wenig Inhalt dominieren die erste Phase der Wahlplakate. "Das führt dazu, dass die Menschen von diesen Plakaten schnell genervt sind", sagt der Wissenschaftler. "In erster Linie dienen sie dazu, Aufmerksamkeit zu wecken."
Phase zwei: Themen
Vor allem kleinere Parteien, die nur geringe Chancen auf ein Direktmandat sehen, starten gleich mit Phase zwei. Beispiel: Die Linke setzt schon früh im Wahlkampf Themen, weil sie lediglich in drei Wahlkreisen auf Direktmandate hoffen kann. Das spart Geld für aufwändige Kandidatenplakate.
"Wenn die Parteien schlau sind, öffnen sie nicht den ganzen Bauchladen an Themen, sondern konzentrieren sich auf Kompetenzthemen", sagt Brettschneider. Schlagwörter, die in der ersten Phase fallen, werden hier ergänzt. Die CDU wird "Wohlstand" konkretisieren. Die Grünen werden "Zuversicht" auf verschiedene Lebensbereiche übertragen, vermutet Brettschneider.
Werben um den kurzen Moment der Aufmerksamkeit
Doch die Themenplakate müssen gut gemacht sein. Auffälliges Bild, schnell verständliche Texte. "Gerade aufgrund der Reizüberflutung und der Überzahl an Informationen in unserer heutigen Welt geht es vielmehr darum, einen kurzen Moment der Aufmerksamkeit zu bekommen", sagt Psychologe Dominic Hennig.
Brettschneider sagt: "Wahlplakate sind keine Bücher. Der Inhalt muss innerhalb von drei bis fünf Sekunden erfassbar sein." Auf dieser Welle surfen die Parteien in der Regel am längsten: Vier Wochen vor der Wahl kommen die Themen spätestens auf das Plakat.
Phase drei: Das große Finale
"Ein bis zwei Wochen vor der Wahl machen die Parteien nochmal klar: Jetzt gilt es", fasst Brettschneider die letzte Plakatierungswelle zusammen. Spätestens jetzt lächeln Kanzler- und Spitzenkandidaten in Fußgängerzonen um die Wette. Mit Slogans wie "Zweitstimme ist Kanzlerstimme" konkurrieren die Parteien um einen möglichst großen Anteil der Sitze im Bundestag.
Je länger der Wahlkampf dauert, desto mehr Plakate sind zu sehen. Werbung aus vorherigen Wellen bleibt schließlich Werbung. Außerdem achten die Parteien darauf, wo plakatiert wird. "Die AfD plakatiert beispielsweise sehr viel, wo sie bei vergangenen Wahlen stark war", sagt der Kommunikationswissenschaftler. Diese Beobachtung gilt für alle Parteien - in unterschiedlicher Abstufung.
Aus der Plakatierung im eigenen Viertel lässt sich also nicht nur etwas über die Parteien und Kandidaten erfahren, sondern auch über das bisherige Wahlverhalten der Nachbarn.