Organisierte Kriminalität Mafia-Paradies Deutschland?
Die jüngsten Razzien haben gezeigt, wie sehr Mafia-Strukturen auch hierzulande verankert sind. Deutschland gilt als attraktiver Rückzugsraum für die Mafia. Woran liegt das?
Das seien "Pippi-Pippi-Ermittlungen". "So machen sich die Mafiosi in Italien lustig, weil sie genau wissen, dass in Deutschland nichts passiert", sagt die Journalistin Petra Reski. Für ihre Bücher befasst sich die Autorin seit Jahren mit dem Thema Mafia.
Deutschland geht ihrer Ansicht nach nicht entschlossen genug gegen die Mafia vor. Das liege aber nicht an den Ermittlungen. "Das ist natürlich nicht die Schuld der Ermittlerinnen und Ermittler. Es mangelt noch immer an den richtigen Gesetzen", sagt Reski. "Denn die Haftbefehle, die jetzt bei den Razzien ausgestellt worden sind, waren internationale Haftbefehle, die aufgrund der italienischen Gesetze ausgestellt worden sind. In Deutschland hätten die Gesetze nicht für Haftbefehle gereicht."
Deutschland gilt seit Jahrzehnten als ein Paradies für die italienische Mafia: Bargeldintensive Geschäfte wie Restaurants und Eisdielen werden genutzt, um Geld aus kriminellen Geschäften zu waschen.
Deutschland als Rückzugsraum
Außerdem sei Deutschland als Rückzugsraum für die Mafia attraktiv. In Deutschland sei kein politischer Wille vorhanden, strengere Mafia-Gesetze zu erlassen beim Thema Geldwäsche oder der Zugehörigkeit zur Mafia, kritisiert Reski. Das sei in Deutschland nicht so klar definiert wie in Italien. "Ein deutscher Polizist, ein Ermittler, kann nicht sagen: Woher kommt das Geld, was du da gerade in deine Eisdiele oder Pizzeria investierst? Da muss ein ganz konkreter Verdachtsmoment vorliegen. In Italien musst du hingegen klar vorlegen, woher das Geld stammt und kannst somit schwieriger Geld investieren."
Diese Beobachtungen teilt Sandro Mattioli. Er ist Vorsitzender der Vereins "mafianeindanke" und setzt sich gegen Organisierte Kriminalität und die Aktivitäten der Mafia ein.
Hoher Bargeldumlauf
"Begünstigt wird Deutschlands Rolle als Geldwäschezentrum auch durch den hohen Bargeldumlauf, durch seine Größe als Finanzplatz - und vor allem durch unzureichende Gesetze", sagt Mattioli.
Schon in den 1960er- und 1970er-Jahren siedelten sich Mafia-Organisationen in der Bundesrepublik an: Die Cosa Nostra aus Sizilien, die 'Ndrangheta aus Kalabrien und die Camorra aus Neapel. Neben Schutzgeldern haben sich die Clans tief verankert in Deutschland. Sie besitzen Hotels, Restaurants, Immobilien und Unternehmen, erklärt Mattioli.
"Was wir nicht vergessen dürfen, ist, dass die Mafia auch in legalen Bereichen aktiv ist. Gerade der Mittelstand in Deutschland ist für Mafia-Kriminelle hoch attraktiv, weil da die Zugangsschwelle nicht zu hoch ist und das Bewusstsein, dass Mafiosi in Deutschland sein könnten, nicht ausgeprägt ist."
Es gebe in Deutschland eine politisch und wirtschaftlich stabile Lage. Das bedeute, wenn hier Kriminelle Geld investieren, müssen sie keine Sorge haben, dieses Geld zu verlieren.
"Von Seiten der Strafverfolgung wird hier nur das Notwendige getan und solche Operationen, wie die europaweiten Razzien jetzt, finden nur ab und an statt", sagt Mattioli. Sein Verein "mafianeindanke" fordert ein kontinuierliches Vorgehen gegen mafiöse Organisationen in Deutschland.
Bekämpfung von Geldwäsche nötig
Die Bekämpfung von Geldwäsche müsse in Deutschland endlich als ein zentraler Bestandteil der Strafverfolgung behandelt werden, verlangt Mattioli. Die Journalistin Reski kritisiert außerdem, dass das Geld der Mafia in Deutschland gern gesehen werde. "Die Geldwäsche ist deutschen Politikern sehr angenehm und wird als eine Art Konjunktur-Ankurbelungsprogramm betrachtet. Wir reden hier nicht nur von Eisdielen, wo Geld gewaschen wird. Sondern wir reden hier von großen Investitionen, von Immobilien, die gekauft worden sind, von ganzen Straßenzügen, die gekauft worden sind."
Die Mafia ist eine globale Organisation, die strategisch agiert und massiv in Deutschland aktiv ist, auch wenn es nicht immer sichtbar ist. Die jüngsten Razzien seien ein Erfolg, findet Mattioli. "Es ist mit Sicherheit als positives Signal zu werten, weil namhafte Clans betroffen sind. Aber man muss diesen Erfolg etwas relativieren in seiner Wirkung. Angesichts von 505 Mitgliedern der 'Ndrangheta, die in Deutschland nach Behördenangaben lebten, bedeuten ein paar Haftbefehle keinen Sieg gegen die Mafia."
Deutschland müsse mehr leisten und diese Razzien als Auftakt sehen gegen die Mafia. Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit sei dabei ein Muss.