Felix Klein, Jürgen Dusel, Mehmet Daimagüler, Sven Lehmann, Reem Alabali-Radovan und Ferda Ataman (Aufnahme vom 10.9.2024).

Beauftragte der Bundesregierung Behalten oder abschaffen?

Stand: 16.02.2025 08:49 Uhr

Sie sollen sich um Bürokratieabbau kümmern, um Tierschutz, Migration, Pflege, Tourismus oder sexuelle Vielfalt. Die Liste der Beauftragten in der Bundespolitik ist lang. Zu lang, finden Oppositionspolitiker.

Von Hans-Joachim Vieweger, ARD-Hauptstadtstudio

Über die Zahl der Beauftragten gibt es unterschiedliche Angaben: Die Bundesregierung selbst spricht aktuell von 43 Stellen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kam im vergangenen Jahr dagegen auf 66 Stellen. Dabei wurden auch Beauftragungen einzelner Ministerien mitgerechnet, zum Beispiel die Beauftragte für feministische Außenpolitik im Auswärtigen Amt.

Unabhängig von der genauen Größenordnung aber ist klar: Noch nie war die Zahl der Beauftragten so groß wie in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode. Die Ampelkoalition schuf gleich mehrere neue Stellen.

Kritik am "aufgeblähten" Politikapparat

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sieht darin ein Zeichen für einen "aufgeblähten" Politikapparat. Außer der Wehrbeauftragten, die als Beauftragte des Bundestags ohnehin eine Sonderstellung hat, sollten alle anderen Beauftragten auf den Prüfstand gestellt werden, so der CDU-Vorsitzende. Die Aufgaben gehörten in der Regel in die normalen Ministerien und nicht "in Parallelstrukturen, die mit viel Geld und viel Personal und der Versorgung von allen möglichen Amtsinhabern und zu kurz gekommenen Abgeordneten ausgestattet werden".

Offiziell fordern CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm, "die exorbitant gestiegene Zahl der Beauftragten" um mindestens 50 Prozent zu reduzieren. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geht noch weiter und will alle Beauftragten in den Ministerien abschaffen und soweit erforderlich in die Organisationsstruktur der Ministerien integrieren.

Bei der FDP wiederum heißt es im Wahlprogramm, man wolle die Zahl der Beauftragten "deutlich reduzieren". Die AfD hat konkret den erst 2024 eingeführten Polizeibeauftragten des Bundestags im Visier.

SPD, Grüne und Linke dagegen heben in ihren Wahlprogrammen die Bedeutung verschiedener Beauftragungen hervor. So will die SPD die 2022 neu geschaffene Stelle der Anti-Rassismus-Beauftragten dauerhaft verankern.

Die Grünen betonen, man habe mit der Schaffung der Beauftragten für Antidiskriminierung, für Queeres Leben, Antirassismus und Antiziganismus "die politische Stärkung von Vielfalt noch stärker verankert": Ihre Arbeit und die Arbeit der weiteren Beauftragten für gesellschaftliche Vielfalt solle weiter gestärkt werden.

Die Linke wiederum fordert, einen zusätzlichen Beauftragten "für muslimisches Leben und den Kampf gegen antimuslimischen Rassismus" zu schaffen.

Beauftragungen als Frage der Prioritätensetzung

Das deutet schon darauf hin: Die Frage, welche Beauftragten man braucht und welche verzichtbar sind, ist eine Frage der politischen Prioritätensetzung. Beauftragte "verleihen bestimmten Themen Sichtbarkeit", sagt der Duisburger Politikwissenschaftler Andreas Blätte. Das gelte vor allem für Querschnittsaufgaben, die nicht leicht in die Struktur der Ministerialverwaltung eingefügt werden können. Als Beispiele nennt Blätte den Ostbeauftragten der Bundesregierung und den Beauftragten für Antisemitismus.

Aus Sicht des SPD-Abgeordneten Frank Schwabe, der sich um Themen der internationalen Religionsfreiheit kümmert, könnten manche Aufgaben zwar inhaltlich von Beamten oder Diplomaten übernommen werden. Wenn er sich aber als offizieller Beauftragter der Bundesregierung zum Beispiel im Irak für die Rechte von Christen oder Jesiden einsetze, dann habe das eine ganz andere Wirkung: "Man macht damit einfach Themen viel stärker, als wenn man dort Diplomaten der Bundesregierung hinschickt." Mit relativ wenig Einsatz ließe sich die Wirkung, die man außenpolitisch erzielen wolle, auf diese Weise maximieren.

Abgeordnete als Regierungsbeauftragte - ein Problem?

Dass er als Abgeordneter diese Aufgabe übernehme, sei nicht zwingend, sagt Schwabe. Er versteht, dass es Kritik daran gibt, dass mit der Zahl der Beauftragten auch die Zahl der Parlamentarier steigt, die quasi die Seiten wechseln und zugleich Aufgaben der Regierung übernehmen. "Wenn am Ende die Hälfte des Bundestags mit einer Regierungsfunktion betraut ist, kann man darüber nachdenken, ob dann die Kontrolle der Regierung ausreichend gegeben ist", so Schwabe im Gespräche mit dem ARD-Hauptstadtstudio.

Der Mainzer Staatsrechtler Friedhelm Hufen sieht aber kein grundsätzliches Problem, wenn Abgeordnete die Funktion von Beauftragten übernehmen. Schließlich gebe es zwischen einer Regierung und der Parlamentsmehrheit immer Überschneidungen. Wichtig sei allerdings, die Unabhängigkeit der Beauftragten abzusichern, zum Beispiel durch konkrete Geschäftsordnungen. Es müsse immer gewährleistet sein, dass Beauftragte nicht durch die jeweiligen Ministerien angewiesen werden, in einer bestimmten Weise in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.

Die Kosten

Bleibt als weitere Frage die nach den Kosten - eine Frage, die Rainer Holznagel vom Bund der Steuerzahler auf den Nägeln brennt. Zwar fließt das meiste Geld an Beauftragte, die eigenen Behörden vorstehen - wie etwa bei der Datenschutzbeauftragten, deren Amt unumstritten ist. Doch auch die vielen kleineren Beauftragungen gingen ins Geld, sagt Holznagel: "Wenn erst mal eine Funktion geschaffen ist, hat jeder natürlich ein Interesse, die gut ausstatten zu lassen." Schon deshalb sollte man die Zahl begrenzen.

Allerdings hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass es wesentlich leichter ist, neue Beauftragtenstellen einzurichten als bisherige Stellen abzuschaffen. Denn mit einer Abschaffung ist immer das Signal verbunden, dass ein bestimmtes Thema nicht so wichtig ist. Und das kommt weder bei Verbänden noch bei Fachpolitikern gut an - und das häufig über Parteigrenzen hinweg.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 15. Februar 2025 um 08:08 Uhr.