
Konferenz im Auswärtigen Amt Mit den Taliban reden - für Frauenrechte in Afghanistan
Mit der Machtübernahme der Taliban begann vor allem für Frauen in Afghanistan eine dunkle Zeit. Deutschland und andere Länder haben nun eine Initiative gestartet - und dafür auch die Taliban kontaktiert.
Sie reden, lachen und umarmen sich. Was in Berlin selbstverständlich ist, es wäre in Kabul sehr gefährlich. Afghanische Frauen sind ins Auswärtige Amt gekommen, um denen eine Stimme zu geben, die nicht mehr sprechen dürfen: Den Frauen in Kabul, Herat oder Kandahar.
Auf der Bühne werden Gedichte vorgetragen. Sie erzählen von dem, was Frauen seit August 2021 erleben. "Selbst der Spiegel vergisst irgendwann dein Gesicht" - vielleicht die Zeile, die sich besonders einprägt. Frauen in Afghanistan ist es mittlerweile verboten, öffentlich zu sprechen. Ältere Mädchen dürfen nicht zur Schule. Doch die Welt schaut kaum noch hin.
"Leider ist Afghanistan fast vergessen", sagt Negina Yari. Sie floh 2021 aus Afghanistan, lebt heute in Ulm und setzt sich für die Rechte der afghanischen Frauen ein. "Die Frauen in Afghanistan fühlen sich wie in einem Gefängnis. Ihre Zukunft ist sehr dunkel."

Negina Yari im Gespräch mit Annalena Baerbock
Erinnerung an das Völkerrecht
Negina Yari sitzt auf einem Podium im Auswärtigen Amt, sie zeigt ihr Gesicht. Sie kann das, weil sie in Deutschland lebt. Doch auch Frauen, die noch in Afghanistan leben, nehmen an der Konferenz teil. Sie hören still zu. Später, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, erzählen sie von ihrem Schicksal. Es offen zu tun, wäre viel zu gefährlich. Einfach nur weil sie Frauen sind.
Annalena Baerbock, die deutsche Außenministerin hat eine Botschaft, die sie direkt nach Afghanistan senden möchte. "Wir vergessen euch nicht. Wir hören euch. Und wir stehen an eurer Seite." Das sind Worte, die ganz sicher guttun. Aber was sind sie wert? Seitdem die Taliban die Macht übernommen haben, hat Deutschland die Regierung in Kabul nicht anerkannt. Es gibt technische Kontakte, um zum Beispiel über Abschiebungen von Straftätern zu sprechen. Doch was ist mit den Rechten von Frauen und Mädchen?
Deutschland, Australien, Kanada und die Niederlande haben sich an die Taliban gewandt, an eine Regierung, die sie eigentlich nicht anerkennen. Doch sie haben die Islamisten daran erinnert, dass sie Frauenrechte mit Füßen treten. Das Völkerrecht brechen - zu dem sich auch Afghanistan bekannt hat. In einer Zeit, in der nicht die Taliban regierten.
Was hilflos klingt, ist ein Versuch zumindest ein wenig zu tun. Außenministerin Baerbock träumt davon, irgendwann Mauern niederzureißen. Aber der Weg ist langwierig und komplex, das muss auch sie zugeben. "Niemand ist naiv", sagt sie.
Es soll vor allem eine Botschaft an die Taliban sein. Und eine Chance, dass wenigstens für einen Tag mal wieder öffentlich über das Leiden der afghanischen Frauen gesprochen wird. Die Taliban haben auf die Botschaft aus Deutschland reagiert, geben sich formal offen. Doch das scheint erstmal nur Fassade. Wer Saif ul-Islam Khyber hört - den Sprecher des Tugendministeriums - kann schnell die Hoffnung verlieren. Der verbittet sich in einem Interview mit dem afghanischen Fernsehen generell Einmischung von außen. Das spiegele die "Doppelmoral" wider.
Aus den Schlagzeilen verschwunden
Afghanistan ist aus den deutschen Schlagzeilen verschwunden. Berichtet wurde zuletzt, weil Flugzeuge landeten, um Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland zu bringen. Noch wenige Ortskräfte, vor allem aber Menschen die besonders gefährdet sind. Weil sie zum Beispiel als Anwalt oder Journalistin gearbeitet haben.
Die Union fordert, diese Flüge auszusetzen, das Bundesaufnahmeprogramm zu stoppen. "Entscheidungen über Einreisen aus Afghanistan sollten der neuen Bundesregierung obliegen", sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz. Außenministerin Baerbock entgegnet auf der Konferenz. Sie möchte daran erinnern, um welche Personen es gehe: "Verletzliche Menschen, die vom Taliban Regime verfolgt werden."
Negina Yari - die Afghanin, die nach Deutschland geflohen ist, will nicht aufgeben. Jetzt sei die richtige Zeit, nach der Verantwortung der Taliban zu fragen. Afghanische Frauen seien keine Opfer, sondern Verbündete. Wenn wir das akzeptierten, könnten wir gemeinsam etwas ändern. "Aber wenn Afghanistan ganz hinten auf der Prioritätenliste steht, dann wird es sehr hoffnungslos." Eine Hoffnungslosigkeit, die - so fürchtet sie - sich ausbreiten könnte - auch über Afghanistan hinaus.