Fraktionschef Merz im Bundestag.

Nach Abstimmungen im Bundestag Nachwehen einer turbulenten Woche

Stand: 01.02.2025 13:57 Uhr

Die Abstimmungen im Bundestag zur Migrationspolitik sind vorbei, doch die politischen Nachwehen dauern an. SPD und Grüne zweifeln an der Glaubwürdigkeit von CDU-Chef Merz. Der kontert - zeigt aber Verständnis für Merkels Kritik.

Am Mittwoch ein Antrag der Union, der mit Hilfe der AfD angenommen wird, am Freitag ein heftig diskutierter Gesetzentwurf, der doch keine Mehrheit bekommt - die zurückliegende Bundestagswoche hat viele aufgewühlt. Nicht nur die Abgeordneten, auch das Land, wie die Proteste in zahlreichen Städten zeigen.

Vorwürfe und Schuldzuweisungen

Und die politischen Nachwehen dauern an. Die Vorwürfe, die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen den wahlkämpfenden Parteien gehen weiter.

"Grüne und SPD sind nicht bereit, in der Migrationspolitik den Weg mitzugehen, den die Menschen sich wünschen", sagte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die turbulente Bundestagssitzung am Freitag sei "ein Highlight für die Demokratie" gewesen. "Das mal etwas heftiger diskutiert wurde, gehört zur Meinungsbildung im Parlament dazu. Die Wählerinnen und Wähler haben nun ein klares Bild."

Schon im ARD-Brennpunkt hatte Merz sein Vorgehen in dieser Woche verteidigt und deutlich gemacht, dass er alles noch mal genauso machen würde. "Das ist eine Woche, die für Klärung gesorgt hat", befand der CDU-Chef. Die Union habe unter Beweis gestellt, dass sie beim Thema Migration eine echte Wende wolle. Mit der AfD habe es keine Zusammenarbeit gegeben.

"Jammer für die Union"

Die SPD sieht das grundlegend anders. Aus Sicht von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat Merz ein Tabu gebrochen. Dass der Unionsantrag für Zurückweisungen an deutschen Grenzen mit Hilfe von Stimmen der AfD eine Mehrheit bekam, sei "ein Jammer für die Union und ein Schaden für die gesamte Demokratie", sagte Pistorius im Interview mit dem Tagesspiegel. Merz habe "Vertrauen zerstört und an Glaubwürdigkeit eingebüßt", da er entgegen seinen Aussagen im November nun doch Mehrheiten mit der AfD gebildet habe. Merz' Wortbruch wiege schwer, sagte Pistorius auch mit Blick auf eine mögliche Koalition mit der Union nach der Wahl.

Noch deutlicher wurde SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in den tagesthemen. "Er hat sich verzockt", sagte er mit Blick auf Merz und fügte hinzu: "Aber viel schlimmer ist es, dass er gezockt hat."

In Momenten wie nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg gehe es um Zusammenarbeit unter den demokratischen Parteien. Es sei entscheidend, "das Land zusammenzuhalten und nicht auseinanderzuführen, zu spalten und Unsicherheit zu säen". Doch genau das habe Merz getan.

Grüne zweifeln am Nein zur Koalition mit AfD

Die Fraktionsspitze der Grünen hält nach dem gemeinsamen Votum der Union mit der AfD sogar einen "Wortbruch" von Merz hinsichtlich einer Koalition mit der AfD für möglich. "Wir fragen uns schon, was wir ihm noch glauben können", sagte die Vorsitzende Katharina Dröge der Rheinischen Post. "Wer einmal sein Wort bricht, dem ist nur noch schwer zu glauben, dass er es nicht auch ein zweites Mal tut."

Ko-Fraktionschefin Britta Haßelmann fügte hinzu: "Ich sehe die Gefahren, die von der AfD ausgehen, mache mir aber auch um das Verhalten der Union Sorgen." Über Merz sagte die Grünen-Politikerin: "Merz' Wortbruch sagt viel über seine Verlässlichkeit aus."

Merz widerspricht

Merz weist solche Mutmaßungen zurück. "Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben", betonte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auf die Frage, ob es dabei bleibe, dass die Union keine Koalition mit der AfD eingehen werde, sagte er: "Ja. Und wer daran irgendeinen Zweifel hat, der hat nicht zugehört, was ich in den vergangenen Jahren dazu gesagt habe."

Merz teilt Merkels Unbehagen

Angesprochen auf die ungewöhnlich deutliche Kritik von Alt-Kanzlerin Angela Merkel an Merz' migrationspolitischen Vorhaben und der Inkaufnahme von Mehrheiten mit der AfD, reagierte der Kanzlerkandidat zurückhaltend. "Angela Merkel drückt ein Unbehagen aus, das von vielen - auch von mir - geteilt wird", sagt er.

CSU-Chef Markus Söder äußerte sich deutlicher: "Angela Merkel hat sich als Person geäußert. Für die CSU spricht sie nicht", sagte er dem Handelsblatt. Die Union sieht er trotz der gescheiterten Abstimmung zur Migrationspolitik "geschlossen und entschlossen wie seit vielen Jahren nicht". Er stehe voll hinter dem schärferen Migrationskurs von Merz. Die Bevölkerung erwarte einen Richtungswechsel. "Alles andere würde nur die radikalen Kräfte stärken."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 31. Januar 2025 um 22:05 Uhr.