Baden-Württemberg Autoindustrie in BW: Gesamtmetall-Chef erwartet Wegfall von 40.000 Jobs
Stefan Wolf fordert wegen der massiven Krise eine Streichung des Verbrennerverbots. Ministerpräsident Kretschmann ist dagegen und will dauerhaft günstigen Strom an Ladesäulen.
Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, rechnet wegen der Wirtschaftsflaute und der Absatzkrise in der Autoindustrie mit massiven Jobverlusten in diesem Jahr. Ein großer Teil der Arbeitsplätze werde in Baden-Württemberg wegfallen, wo allein etwa 400.000 Menschen bei Automobilherstellern oder -Zulieferern arbeiten. "Ich halte es für realistisch, dass wir zehn Prozent verlieren", sagte Wolf im SWR-Interview. Das wären rund 40.000 Jobs allein in der Autobranche in BW.
Wolf: 100.000 Jobs in der Metall- und Elektroindustrie bedroht
Der frühere Chef des Autozulieferers ElringKlinger in Dettingen (Kreis Reutlingen) geht von einem erneuten Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland aus. Seine Branche, die Metall- und Elektroindustrie, werde davon besonders betroffen sein. Die Arbeitgeber der Branche in ganz Deutschland planten deshalb einen weiteren Jobabbau. "Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass wir bei der Zahl 100.000 landen in 2025, wenn die Rahmenbedingungen sich nicht ändern." Das wäre mehr als doppelt so viel wie im vergangenen Jahr, in dem die Branche laut Gesamtmetall rund 45.800 Arbeitsplätze abgebaut hat.
Wolf fordert: Verbrennerverbot kippen
Gesamtmetall-Chef Präsident Wolf forderte als Konsequenz eine Rolle rückwärts bei den Antrieben, weil die Konzentration auf E-Autos gescheitert sei. "Wir müssen ganz dringend zu dem Punkt kommen, dass wir sagen: Wir sind technologieoffen." Dafür müsse die EU auch die Rahmenbedingungen wieder ändern: "Ich halte es für wichtig, dass wir das Verbrennerverbot ab 2035 aufheben und hier flexibler sind."
Wolf warnt vor Etablierung chinesischer Autohersteller
Wolf erklärte, chinesische Fahrzeughersteller drängten auf den deutschen Markt. "Im Moment ist noch große Zurückhaltung da bei den Menschen, chinesische Fahrzeuge zu kaufen. Aber ich erinnere an die 80er-Jahre, als man auch skeptisch war, ob japanische und koreanische Fahrzeughersteller sich etablieren können auf dem deutschen und dem europäischen Markt. Sie sind heute voll etabliert, und ich sehe auch, dass die Chinesen sich etablieren werden."
Das drohende Verbot für Verbrenner-Motoren ab 2035 müsse gestrichen werden, sonst drohe der deutschen Autoindustrie schwerer Schaden.
Wir werden sonst aus meiner Sicht 2033 und 2034 eine Sonderkonjunktur kriegen. Die Menschen werden alle versuchen, noch ein Fahrzeug mit Verbrennermotor zu kaufen, das sie dann zehn Jahre behalten. Die Qualität ist heute so gut, dass sie so ein Fahrzeug locker zehn Jahre fahren können. Und das wird die Fahrzeugindustrie aus meiner Sicht ab 2035 in eine tiefe Krise stürzen." Gesamtmetall-Chef Präsident Stefan Wolf
Gesamtmetall-Chef lobt "Rückbesinnung" in Autoindustrie
Wolf lobte, dass es in der Industrie schon eine "Rückbesinnung" gebe. "Der eine oder andere Fahrzeughersteller hat ja auch strategisch entschieden, auch wieder Modelle mit Verbrennungsmotor oder in Hybridform anzubieten, wo ursprünglich nur reine Elektrofahrzeuge geplant waren." Es sei richtig, sich nach den Kundenwünschen zu richten. "Wenn man feststellt, dass Endverbraucher ein Produkt vielleicht nicht in dem Maße nachfragen, wie ich es in der ursprünglichen Strategie mir erhofft und erdacht habe, dann muss man eben auch manchmal strategisch umdenken und Dinge wieder in die andere Richtung entwickeln."
Wolf plädiert auch für neue Strategie beim Klimaschutz
Aus Sicht des Arbeitgeberchefs wäre eine solche Änderung der Strategie auch nicht unbedingt ein Problem für den Klimaschutz. "Klimaschutz macht eben nicht halt an den Landesgrenzen. Und man kann natürlich als Deutschland sagen: Wir gehen mit gutem Beispiel voran. Nur wenn wir 0,5 Prozent CO2 einsparen in Deutschland, damit retten wir die Welt nicht."
Es wäre seiner Meinung nach besser, "dass wir die drei großen CO2-Emittenten weltweit - es sind nämlich China, USA und Indien - dass wir die auf Linie bringen." Dafür müsse die deutsche Industrie klimaschützende Technologien, etwa im Fahrzeugbereich oder im Maschinenbau, entwickeln und diese dann in den drei großen Ländern implementieren und verkaufen. "Dann haben wir was für die Wirtschaft in Deutschland getan. Dann haben wir was für den Wohlstand getan. Und dann haben wir auch was für den Klimaschutz getan."
Kretschmann: "Rumgereite" auf Termin ändert aktuelle Situation nicht
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält es für nicht hilfreich, das Verbrenner-Aus zu kippen. In der Regierungspressekonferenz sagte er am Dienstagmittag, er könne nicht erkennen, was eine Terminänderung in zehn Jahren in der aktuellen Wettbewerbssituation mit einem Hochlauf der Elektromobilität in China und drohenden US-Zöllen helfen könne. "Es ist mir etwas schleierhaft, was das Rumgereite auf dem Ziel in der gegenwärtigen Situation bringen soll", so Kretschmann.
Stattdessen sprach sich der Grünen-Politiker für einen Ausbau der Lade-Infrastruktur für E-Autos und eine Preissenkung an den Ladesäulen aus. Es brauche mehr Berechenbarkeit. Man wisse, dass der Ladestrompreis für Menschen sehr wichtig sei bei der Frage, ob sie ein Elektroauto kaufen. "Deswegen schlage ich vor, dass man für mindestens zehn Jahre an den elektrischen Ladesäulen preiswerten Strom tanken kann."
Sendung am Di., 21.1.2025 6:00 Uhr, SWR4 BW am Morgen, SWR4 Baden-Württemberg