Zwei Eisbären stehen im Gehege des Karlsruher Zoos.

Baden-Württemberg Eisbären im Zoo: Ist die Haltung in Tierparks noch zeitgemäß?

Stand: 20.01.2025 19:10 Uhr

Der Karlsruher Zoo zeigt erste Bilder des neugeborenen Eisbär-Babys. Die Haltung der weißen Riesen ist umstritten, könnte aber eine große Rolle für die Zukunft der Spezies spielen.

Die Haltung von Eisbären in Zoos ist umstritten. Während Zoos darauf verweisen, dass die Haltung der Tiere für die Aufrechterhaltung der Spezies notwendig sei, spricht die Tierschutzorganisation Peta von "artwidrigen Bedingungen", unter denen die Tiere in Zoos leiden würden.

Als Anfang November die Geburt eines Eisbär-Babys im Karlsruher Zoo anstand, fieberten viele aus der Region mit: Wird das Tier die Geburt überleben? Mitte Januar kam dann die Entwarnung: Dem Tier gehe es gut, bestätigten die Zuständigen aus dem Zoo. Sogar erste Filmaufnahmen des Kleinen wurden veröffentlicht.

Drei Eisbären leben in Baden-Württemberg, alle im Zoo Karlsruhe

Das Karlsruher Eisbär-Baby ist eines von rund 30 Eisbären, die derzeit in deutschen Zoos leben. Der Zoo Karlsruhe, dessen Wappen ein Eisbär ziert, ist mächtig stolz auf das Junge.

Denn die Eisbären in Karlsruhe sind derzeit die einzigen in Baden-Württemberg. In der Stuttgarter Wilhelma leben bereits seit 2018 keine Eisbären mehr: Mit dem Tod der Eisbärdame Corinna beschloss der Zoo die Haltung von Eisbären, die vorwiegend von der Bekanntheit des Eisbär-Babys Wilbär geprägt wurde, nicht weiterzuführen.

Stuttgarter Wilhelma hält seit 2018 keine Eisbären mehr

Auf Anfrage sagt der zoologisch-botanische Garten in Stuttgart, man wolle sich nicht zur Haltung von Eisbären äußern, schließlich sei man nicht mehr davon betroffen. 2020 gab die Wilhelma bekannt, man könne das Eisbärengehege nicht ohne gewaltigen Aufwand so anpassen, "dass hieraus ein modernes, auf längere Sicht zukunftsfähiges Gehege für Eisbären entstünde". Dort, wo früher Eisbären gelebt haben, befindet sich der Bereich für Geparden.

Dass Eisbär-Babys in deutschen Zoos besondere mediale Aufmerksamkeit genießen, ist keine Seltenheit. Neben Wilbär aus Stuttgart ist der wohl prominenteste Fall der des Eisbär-Babys Knut.

Eisbären-Babys sind in Deutschland teilweise zu "Stars" geworden

Nach seiner Geburt 2006 bewegten die Bilder des kleinen Knut aus Berlin Tausende Menschen dazu, das Eisbär-Baby im Tierpark zu besuchen. Nachdem sowohl die Mutter des Tieres als auch der Pfleger, der eine besondere Rolle beim Heranwachsen des Eisbärs eingenommen hatte, verstarben, litt Knut jedoch unter massiven Verhaltensstörungen. 2011 ertrank er nach einem epileptischen Anfall vor den Augen der Besucherinnen und Besucher im Berliner Zoo.

Karlsruher Zoo möchte Aufmerksamkeit für Artenschutz nutzen

Der Karlsruher Zoo möchte die Aufmerksamkeit, die dem im November geborenen Eisbären zukommt, nutzen, um auf Arten- und Klimaschutz aufmerksam zu machen. Es gehe darum, die Besucherinnen und Besucher zu sensibilisieren, erläutert Timo Deible vom Karlsruher Zoo. "Wenn das Tier vor den Zoogästen steht, wirken diese Themen nicht mehr so abstrakt."

Deible betont die große Bedeutung der Eisbärhaltung in Zoos für die Zukunft der Spezies: die Zahl der in freier Wildbahn lebenden Tiere, laut Weltnaturschutzunion IUCN sind es zwischen 20.000 und 25.000, schrumpfe kontinuierlich. "Wegen des Klimawandels schmilzt den Tieren der Lebensraum unter den Pfoten weg." Deswegen ist im Karlsruher Zoo der Ausstieg aus der Haltung "überhaupt kein Thema". Im Gegenteil: "Es braucht jeden Zoo, um das Erhaltungszuchtprogramm weiter zu bringen".

Genetisch wertvollster Eisbär lebt derzeit in Karlsruhe

Im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) tauschen sich Zoos europaweit aus, um gezielt die Zucht von in Zoo gehaltenen Tieren zu koordinieren. Dem Karlsruher Zoo wurde im vergangenen Jahr als einzigem Zoo in Deutschland eine Zuchtempfehlung vom EEP für Eisbären ausgesprochen. "Grund dafür ist unser Kap", sagt Deible, "der genetisch wertvollste Eisbär im gesamten Erhaltungszuchtprogramm. Und der lebt derzeit bei uns in Karlsruhe."

In ein paar Jahrzehnten können wir Eisbären wieder auswildern. Timo Deible vom Karlsruher Zoo

"Wenn es irgendwann notwendig wird", sagt Timo Deible, "könnten wir als Zoogemeinschaft auch Eisbären aus der Erhaltungszucht auswildern. Gerade für Bestandsstützungen kann das vielleicht in einigen Jahrzehnten notwendig werden." Früher sei das zum Beispiel bei Luchsen undenkbar gewesen, heute werden die Tiere im Schwarzwald ausgewildert. Ähnlich, wenn auch komplizierter, könne das mit Eisbären geschehen, berichtet Deible.

Haltung von Eisbären ist unter Tierschützern hochumstritten

Die Haltung von Eisbären ist hochumstritten. Laut der Tierschutzorganisation Peta gibt es kaum eine Tierart, die so deutlich unter den artwidrigen Bedingungen im Zoo leide, wie die weißen Riesen. Bemerkbar mache sich das bei den Tieren unter anderem mit Verhaltensstörungen, wie das Hin- und Herschwenken ihres Kopfes, sagt Yvonne Würz, Fachreferentin für Tiere in Zoos der Tierschutzorganisation. "Die in Deutschland geltenden Richtlinien zur Haltung von Eisbären sind nicht geeignet, um den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden", fügt sie hinzu.

Weil in der Natur Eisbären Gebiete von hunderten bis tausenden Quadratkilometern zur Verfügung stehen, "kann kein Zoo der Welt einem Eisbären Lebensverhältnisse bieten, die als artgemäß zu bezeichnen sind." Das Argument der Zoos, man sehe die Tiere als Botschafter für mehr Klimaschutz, kann Würz nicht nachvollziehen: "Dieses Scheinargument rechtfertigt die Haltung in Zoos und das damit einhergehende Leiden nicht."

Tierschützer kritisieren Zoos für die Haltung von Eisbären

Für Yvonne Würz von der Tierschutzorganisation Peta veranschaulicht das "traurige Beispiel" von Knut, wie Tierbabys in Zoos zu Werbezwecken ausgebeutet würden. "Das von Hand aufgezogene Eisbär-Baby bescherte dem Berliner Zoo Gewinne in Rekordhöhe", sagt sie. Sobald die Eisbären jedoch älter werden, ebbe das öffentliche Interesse ab, "dann werden die Tiere meistens weitergereicht".

Sendung am Di., 14.1.2025 14:00 Uhr, SWR4 am Nachmittag, SWR4

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