Baden-Württemberg "Reichsbürger"-Prozess: Gutachter hält Reutlinger für "komplett normal"
Warum hat ein Reutlinger mutmaßlich auf SEK-Beamte geschossen, die in seine Wohnung eingedrungen sind? Ist er schuldfähig? Im "Reichsbürger"-Prozess sagte ein Gutachter aus.
Im sogenannten "Reichsbürger"-Prozess am Oberlandesgericht Stuttgart hat am Mittwoch ein psychiatrischer Sachverständiger ausgesagt. Darin analysiert er: Wer ist Markus L.? Der 48 Jahre alte Angeklagte aus Reutlingen schweigt im Prozess. Deshalb versucht das Gericht, seine Persönlichkeit mit Hilfe von Zeugenaussagen und Gutachten einzuordnen. Nach Ansicht des psychiatrischen Sachverständigen ist Markus L. ein "komplett normaler Mensch".
Der Psychiater konnte für das Gutachten nicht mit Markus L. sprechen. Es beruht ausschließlich auf den Prozessakten und Einsatzvideos der Polizei sowie den Zeugenaussagen in der Verhandlung. Sie alle hätten bestätigt, dass Markus L. psychiatrisch keine Auffälligkeiten zeige, sagte der Gutachter. Beschrieben wurde er sowohl von Polizisten als auch von Bekannten als ruhig und gelassen, als hilfsbereit und respektvoll.
Waffenfan und Impfgegner
Der 48-Jährige habe einen Schulabschluss und eine Ausbildung gemacht, Wehrdienst geleistet und danach etwa 25 Jahre im gleichen Unternehmen gearbeitet, so der Psychiater weiter. Er interessiere sich für amerikanische Autos und Waffen, sei Sportschütze.
Das einzige Mal, dass er seine Meinung geäußert habe, sei während der Corona-Pandemie gewesen. In der Zeit habe er sich gegen Masken und gegen das Impfen ausgesprochen.
Angeklagter sorgte sich um seine Katze
Der Psychiater hat auch das Verhalten von Markus L. während des Polizeieinsatzes in dessen Wohnung analysiert. Seiner Ansicht nach hat der Angeklagte keine Anzeichen gezeigt, dass er sich währenddessen oder danach in einem psychischen Ausnahmezustand befunden hätte.
Er sei geistesgegenwärtig und wach gewesen, habe auf Fragen reagiert und selbst Fragen gestellt. Zum Beispiel hatten ihn die Polizisten gefragt, ob noch jemand oder eine Falle in der Wohnung sei. Markus L. verneinte das, fragte aber nach seiner Katze.
Mehrere 10.000 Schuss Munition in der Wohnung
Als sich Markus L. ergab, trug er einen Gehörschutz und eine Schussweste. Einen Sessel in der Wohnung hatte er mit einer weiteren Schussweste präpariert und sich dahinter verschanzt. Mehrere Waffen in der Wohnung waren geladen und griffbereit. Der Psychiater sagte aus, es sei nicht sicher, ob der Angeklagte diese Vorkehrungen vor dem Einsatz getroffen oder spontan gehandelt habe. Auch daraus könne er keine psychiatrischen Auffälligkeiten erkennen.
Markus L. hatte mehr als zwanzig Waffen und nach der Einschätzung eines BKA-Beamten mehrere 10.000 Schuss Munition in der Wohnung und im Keller. Bei einem Schusswechsel zwischen dem SEK und Markus L. wurde ein SEK-Beamter schwer verletzt. Markus L. ist wegen versuchten Mordes und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt.
Sendung am Mi., 4.12.2024 14:00 Uhr, SWR4 am Nachmittag, SWR4