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Baden-Württemberg Uniklinik Freiburg: Über tausend Beschäftigte berichten von sexualisierter Belästigung

Stand: 22.01.2025 16:35 Uhr

Tausende Beschäftigte erlebten laut einer Umfrage an den Unikliniken in BW sexualisierte Belästigung. In Freiburg sind es drei Viertel der Befragten. Dagegen soll eine Kampagne helfen.

Sexuell aufgeladene Worte, Blicke und Gesten, Hinterherpfeifen, sexuelle Anspielungen oder körperliche Übergriffe. Davon berichten fast drei Viertel der knapp 2.500 befragten Beschäftigten der Uniklinik Freiburg. Sie sagen, eine dieser Formen sexualisierter Belästigung hätten sie im Laufe ihres Berufslebens an der Uniklinik mindestens einmal erlebt. Über ein Drittel der Befragten gab sogar an, innerhalb der letzten zwölf Monate.

Dies geht aus einer Umfrage hervor, bei der knapp 10.000 Beschäftigte der Unikliniken in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm anonym teilgenommen haben.

Uniklinik Freiburg: Frauen häufiger betroffen als Männer

An der Uniklinik Freiburg haben sich von März bis Mai im Jahr 2022 knapp 2.500 der fast 15.000 Mitarbeitenden an der Befragung beteiligt. Die Auswertung ergibt: Medizinerinnen und Mediziner als auch Pflegekräfte berichteten signifikant häufiger von sexualisierter Belästigung als Beschäftigte in der Verwaltung oder Wissenschaft. Außerdem auch Frauen häufiger als Männer und jüngere Beschäftigte häufiger als ältere.

Verbale sexualisierte Belästigung am häufigsten eingetreten

Die am häufigsten erlebte Form sexualisierter Belästigung ist demnach verbal. Genannt wurden etwa Abwertungen und Witze über Frauen, Männer, Trans*Personen oder Homosexuelle.

Die meisten der berichteten Vorfälle an der Uniklinik Freiburg wurden über fast alle Berufsgruppen hinweg am häufigsten durch Kolleginnen und Kollegen erlebt. Eine Ausnahme bilden Mitarbeitende in der Pflege: Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, durch Patientinnen und Patienten belästigt worden zu sein. Und: Die große Mehrheit der Betroffenen berichtet, dass sie sexualisierte Belästigung durch Männer erlebt hatte.

Kampagne soll Bewusstsein für das Thema schaffen

Nun haben die vier baden-württembergischen Unikliniken eine neue Kampagne gegen sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz gestartet. Damit wollen sie versuchen, jede Form sexuell motivierter Belästigung in ihren Häusern einzudämmmen. Neue Schutzkonzepte und Aktionen sollen auch in Freiburg helfen.

So solle etwa das Bewusstsein für grenzüberschreitendes Verhalten geschärft werden, sagt Frederick Wenz, Leitender Ärztlicher Direktor der Uniklinik Freiburg. "Als Arbeitgeber tragen wir eine besondere Verantwortung, ein sicheres und respektvolles Umfeld für unsere Mitarbeitenden sowie Patientinnen und Patienten zu gewährleisten."

In einem Video der Kampagne liest Frederick Wenz Bemerkungen vor. Sie wurden bei der anonymen Umfrage angegeben und sollen im Arbeitsumfeld gefallen sein: "Wenn du von mir Medizin lernen willst, möchte ich etwas anderes von dir", "Der neue Kollege ist aber wirklich ein ganz Süßer" oder "Wenn du weiter deine Briefe schreiben willst, musst du dich auf meinen Schoß setzen".

"Wir möchten ein klares Zeichen gegen sexualisierte Belästigung setzen", sagt Wenz. Er sehe darin nicht nur die Pflicht, vor Benachteiligung zu schützen. "Es ist auch die Frage, ob alle ihren Arbeitsplatz als sicheren Ort erleben können, an dem der Fokus auf Patientenversorgung liegt."

"Wachrütteln" mit Postkarten und Schaufensterpuppen

Mit der Kampagne sollen Mitarbeitende aber auch Patientinnen und Patienten ein Bewusstsein für sexualisierte Worte, Blicke oder Gesten bekommen. Dazu gehören verschiedene Aktionen, die "wachrütteln" sollen. In der Kantine der Freiburger Uniklinik sind etwa Schaufensterpuppen ausgestellt. Auf dem weißen Kittel leuchten neon-pinke und grüne Handabdrücke, die grenzüberschreitende Berührungen symbolisieren sollen.

Außerdem liegen Postkarten aus. Sie sind mit einem QR-Code versehen und leiten auf eine Internetseite. Dort erfährt man dann unter anderem, wo man Hilfe findet, wenn man selbst von sexualisierter Belästigung betroffen ist.

Unter anderem mit grün-pinken Postkarten, die in Freiburg ausliegen, macht die Uniklinik auf ihre Kampagne gegen sexualisierte Belästigung aufmerksam. Auf vielen der Karten stehen Sprüche, die tatsächlich gefallen sind.

Unter anderem mit grün-pinken Postkarten, die in Freiburg ausliegen, macht die Uniklinik auf ihre Kampagne gegen sexualisierte Belästigung aufmerksam.

Beauftragte für Chancengleichheit: "Betroffene sind nicht allein"

Die Beauftragte für Chancengleichheit des Universitätsklinikums Freiburg Angelika Zimmer sagt, Betroffene von sexualisierter Belästigung hätten Anspruch auf Unterstützung. "Mit niederschwelligen Hilfsangeboten und klaren Botschaften möchten wir signalisieren: Sie sind nicht allein." Die Uniklinik möchte Betroffenen nicht nur Gehör schenken, sondern auch aktiv begleiten und dafür sorgen, dass Täterinnen und Täter konsequent zur Verantwortung gezogen werden.

Unikliniken arbeiten an Weiterbildungen für Führungskräfte

Parallel zur Kampagne arbeiten die Universitätskliniken an der Umsetzung entsprechender Schutzkonzepte und Dienstvereinbarungen. Das Ziel: Beschäftigte sowie Patientinnen und Patienten vor diskriminierendem Verhalten und dessen Auswirkungen zu schützen. Personen mit Führungsverantwortung sollen außerdem Fort- und Weiterbildungen zum Thema diskriminierendem Verhalten erhalten.

Hilfe bei sexualisierter Gewalt
Wer selbst sexualisierte Gewalt erfährt oder den Verdacht hat, dass jemand anderes davon betroffen ist, kann sich hier Hilfe holen:
  • Beim "Hilfe-Portal sexueller Missbrauch": anonym anrufen unter 0800 22 55 530 oder über die Webseite eine Nachricht schreiben.
  • In allen Fällen geht auch die Nummer gegen Kummer: 116 111
  • Der Verein N.I.N.A., der bei sexualisierter Gewalt hilft, gibt es im Netz und auf Facebook und Instagram
  • Eltern, die sich Sorgen um ihre Kinder machen, können sich beim Elterntelefon melden 0800 111 0 550 

Sendung am Mi., 22.1.2025 6:30 Uhr, SWR4 BW Studio Südbaden - Regionalnachrichten aus dem Studio Freiburg

Mehr zur gemeinsamen Kampagne der BW-Unikliniken