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Fehlender Hanau-Prozess Erschütternd und beschämend
Die juristische Aufarbeitung des rassistischen Anschlags von Hanau hat bis heute zu keinem einzigen Gerichtsverfahren geführt. Dabei wäre ein Prozess möglich und wichtig gewesen.
Fünf Jahre ist er nun her, der rechtsextremistische Mordanschlag von Hanau: Ein Mann erschießt neun Menschen. Er war Anhänger rassistischer Verschwörungstheorien, im bürgerlichen Bücherregal seiner Eltern standen die gesammelten Reden von Adolf Hitler. Aus Sicht des rassistischen Mörders gehörten seine Opfer, die in Hanau seine Nachbarn waren, nicht zu Deutschland. Am Abend vor seiner Tat hatte er sich online eine Rede von AfD-Politiker Björn Höcke angeschaut.
Die Angehörigen der Opfer selbst sorgen für Aufklärung
Die Tat von Hanau ist auch nach fünf Jahren erschütternd und beschämend. Ebenso erschütternd und beschämend ist, dass es bis heute vor allem die Angehörigen der Opfer selbst sind, die die Hintergründe der Tat aufklären. Zum Beispiel Armin Kurtović und seine Familie. Der Sohn von Armin Kurtović, Hamza Kurtović war unter den letzten Opfern der Mordtat. Er saß in der "Arena Bar" in Hanau-Kesselstadt in der Falle, weil der Notausgang der Bar verschlossen war.
Sein Vater Armin Kurtović fand heraus, dass der Notausgang schon seit Jahren regelmäßig zu war. Er befragte Gäste und Tatzeugen. Er stieß auf einen kommunalen Skandal: Vermutlich war der Notausgang verschlossen, um regelmäßige Razzien der Polizei zu erleichtern. Und vermutlich kam die Anordnung dazu sogar von Polizisten. Jedenfalls gab es 2022 eine Zeugenaussage, die auch der ARD-Rechtsredaktion vorlag, und die den Verdacht nahelegt, dass ein Polizist hinter der Anordnung stehen könnte, den Notausgang der "Arena Bar" zu verschließen.
Erst die detektivische Arbeit der Familie Kurtović führte zu Ermittlungen der Justiz. Eigeninitiative von Staatsanwälten? Fehlanzeige! Und das, obwohl schon bei der ersten Tatortbegehung der verschlossene Notausgang festgestellt wurde. Jedenfalls wurde bis heute niemand rechtlich verantwortlich gemacht - dafür, dass ein Notausgang abgeschlossen war und Menschen in Lebensgefahr nicht flüchten konnten.
Ein Prozess wäre möglich gewesen
Rein rechtlich wäre ein Prozess möglich gewesen. Das zeigen zwei Gutachten, die Rechtsprofessoren aus Kiel kurz vor dem Jahrestag von Hanau erstellt haben.
Legt man sie neben den Bericht des hessischen Untersuchungsausschusses, ergibt sich ein frustrierendes Bild: Der Ausschuss zählt zahlreiche Behördenfehler auf. Die Rechtsprofessoren meinen, dass sich Behördenmitarbeiter rechtswidrig verhalten haben könnten - und es folgt nichts. Zumindest nicht der geradlinige Prozess, mit dem in einem Rechtsstaat unabhängige Gerichte die Behörden, ihre Macht und ihre Fehler kontrollieren.
Für die Trauer, die Wut und die Rechte der Opferfamilien wäre ein solcher Prozess unschätzbar wichtig. Diesen Prozess hat die hessische Justiz verweigert. Und das bleibt erschütternd und beschämend, gerade weil es die Familien der Opfer sind, die bis heute die Aufklärung vorantreiben.