Studie von Allianz Trade Starker Anstieg bei Insolvenzen befürchtet
Der Kreditversicherer Allianz Trade rechnet mit einem Anstieg der globalen Insolvenzen um zehn Prozent in diesem Jahr. 2023 könnte sich die Lage noch deutlich verschlimmern. Deutschland zeige sich im Vergleich aber "vergleichsweise robust".
Steigende Energiepreise, Lieferkettenprobleme und die deutliche Eintrübung der Konjunktur belasten Unternehmen weltweit. Hierzulande ist die Bereitschaft der Unternehmen, neues Personal einzustellen, angesichts der drohenden Rezession so schlecht wie seit anderthalb Jahren nicht mehr. Das Beschäftigungsbarometer fiel im Oktober um 1,7 auf 97,7 Punkte, wie das Ifo-Institut zu seiner monatlichen Umfrage unter Tausenden Betrieben mitteilte.
Mit dem wirtschaftlichen Abschwung ziehen aber auch die Unternehmensinsolvenzen an. Der Kreditversicherer Allianz Trade rechnet in einer neuen Studie für das nächste Jahr mit einem deutlich heftigeren Insolvenzgeschehen.
Die Experten des Kreditversicherers gehen von einem Anstieg der weltweiten Pleiten um zehn Prozent im bald zu Ende gehenden Jahr und um 19 Prozent 2023 aus. In Deutschland dürfte der Anstieg mit fünf Prozent in diesem Jahr und weiteren 17 Prozent im Jahr 2023 auf dann 17.150 Fälle im Vergleich etwas moderater ausfallen - und von niedrigem Niveau kommend. "Deutschland zeigt sich im internationalen Vergleich vergleichsweise robust, auch wenn die aktuellen Herausforderungen nicht spurlos an der hiesigen Wirtschaft vorbeigehen", sagte der Chef der Allianz-Tochter im deutschsprachigen Raum, Milo Bogaerts.
In der ersten Hälfte des Jahres 2023 drohe ein Zinsschock, der im Doppelpack mit steigenden Löhnen vielen Unternehmen kräftig zusetzen dürfte. Durch die hohen Kassenbestände können viele Unternehmen dies im laufenden Jahr noch abfedern, 2023 werde es dann für viele enger.
Schlechtere Aussichten in Nachbarländern
Laut Bogaerts von Allianz Trade zeichnet sich in Deutschland erstmals wieder ein merklicher Anstieg der Insolvenzen ab, wenngleich weniger stark als in vielen Nachbarländern. Durch den Anstieg der Finanzierungs- und Lohnkosten vor dem Hintergrund eines geringen Wirtschaftswachstums sind demnach das Baugewerbe, das Transportwesen, die Telekommunikation, der Maschinen- und Anlagenbau, der Einzelhandel, die Haushaltsgeräteindustrie, die Elektronikindustrie, die Automobilindustrie und die Textilindustrie am stärksten gefährdet.
Neben Deutschland gehören laut Allianz Trade die USA, China, Italien und Brasilien zu den Ländern mit einem bisher noch anhaltend niedrigen Insolvenzniveau. In den meisten Ländern sei die Trendwende allerdings bereits erfolgt, insbesondere in wichtigen europäischen Märkten wie Großbritannien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Belgien und in der Schweiz. Insgesamt seien die Aussichten für ganz Europa aber alles andere als rosig, so Bogaerts.
"Steigende Insolvenzen sind in den meisten Ländern schon Realität", sagt Insolvenz-Chefanalyst Maxime Lemerle. "Auf die wichtigsten europäischen Märkte entfallen zwei Drittel des Anstiegs." In China geht Allianz Trade für 2023 von einem Anstieg der Insolvenzen um 15 Prozent aus, in den USA könnte der Zuwachs sogar 38 Prozent betragen infolge der strafferen geld- und finanzpolitischen Bedingungen.
Kleine Unternehmen stärker betroffen
Überdurchschnittlich betroffen sind dabei den Angaben zufolge aktuell vor allem kleinere Unternehmen. "Große globale Pleiten, wie wir sie trotz niedriger Fallzahlen 2021 und insbesondere 2020 gesehen haben, sind aktuell nicht die Treiber hinter dem weltweiten Anstieg", hieß es. "Insgesamt zählten die Experten von Allianz Trade weltweit 182 Großpleiten in den ersten drei Quartalen 2022, verglichen mit 187 und 332 im gleichen Zeitraum 2021 und 2020."
"Angesichts der zahlreichen aktuellen Herausforderungen ist es keine Überraschung, dass Insolvenzen wieder deutlich anziehen", sagt Milo Bogaerts. Es handele sich hierbei allerdings zunächst um eine sukzessive Normalisierung des Insolvenzgeschehens.
Aussichten auf Staatshilfen
Das Statistische Bundesamt teilte Mitte Oktober mit, dass die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen von Unternehmen in Deutschland im September im Vergleich zum August um 20,6 Prozent gesunken sind. "Die Aussicht auf weitere Staatshilfen hat in der aktuellen Situation sicher dazu beigetragen, dass mancher Antrag nicht gestellt wurde", sagte Christoph Niering dazu, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). "Der derzeitige Anstieg der Insolvenzzahlen führt nicht zu massenhafter Arbeitslosigkeit. Ganz im Gegenteil: Die von dem insolvenzbedingten Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer finden aktuell innerhalb kürzester Zeit eine neue Tätigkeit."
Bislang hätten staatliche Unterstützungsmaßnahmen als Puffer gewirkt und beispielsweise in Deutschland 2600 Unternehmen vor der Pleite bewahrt, wie die Allianz-Trade-Ökonomen schätzen. "Sollte sich die Energiekrise noch weiter verschärfen und die Rezession stärker ausfallen als bisher erwartet, reichen die aktuellen Maßnahmen zum Abfedern einer Pleitewelle allerdings nicht aus und es könnten deutlich mehr Insolvenzen drohen", warnen sie aber. "Das Insolvenzgeschehen bleibt also nach wie vor volatil und stark von der weiteren Entwicklung staatlicher Unterstützung abhängig."