Lithium-Förderung in Deutschland Der weiße Schatz am Oberrhein
Lithium gilt als entscheidender Rohstoff, vor allem für die Autoindustrie. Firmen wollen das "weiße Gold" auch in Deutschland fördern, etwa in der Pfalz. Kann die deutsche Wirtschaft so unabhängiger von Importen werden?
In unscheinbaren Röhren in einem Container soll einer der aktuell begehrtesten Rohstoffe der Wirtschaft gewonnen werden. Es handelt sich um eine "Lithiumextraktionsoptimierungsanlage" - ein Wortungetüm, das eine Anlage von rund 1.000 Quadratmetern Größe in Landau in Rheinland-Pfalz beschreibt. Betrieben wird sie dort vom Unternehmen Vulcan Energy, das sich davon wichtige Erkenntnisse für die kommerzielle Förderung von Lithium verspricht.
In der Demonstrationsanlage wird Lithium extrahiert und in weiteren Schritten verarbeitet, wie Francis Wedin, Aufsichtsratsvorsitzender von Vulcan Energy erklärt. "Diese Anlage wird die ersten Tonnen an Lithium für die Lieferkette von Elektro-Fahrzeugen in Europa produzieren, die vollständig vor Ort gefördert wurden", sagt Wedin.
Thermalwasser aus der Tiefe
Die Anlage dient demnach also der Vorbereitung der kommerziellen Phase, die Vulcan 2026 starten möchte. Zunächst gehe es etwa darum, Betriebsabläufe zu optimieren, um dann in drei Jahren im großen Stil Lithium zu fördern, so der Plan. Nach Angaben des Unternehmens sollen in der ersten Phase 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr produziert werden. Kaufen soll es unter anderem die Opel-Mutter Stellantis.
Das Grundprinzip funktioniert dabei so: Um das Lithium in der Pfalz zu gewinnen, braucht es Geothermie-Anlagen. Diese pumpen lithiumhaltiges Thermalwasser aus mehr als 3.000 Meter Tiefe nach oben. Nachdem das Lithium aus dem Wasser extrahiert wurde, wird es wieder zurück in das Reservoir unter die Erde geleitet. Eine Art geschlossenes System, bei dem das "weiße Gold" gewonnen werden kann.
In Landau steht das Kraftwerk, das für die Demonstrationsanlage das Tiefenwasser liefern soll, derzeit noch still, es wird instandgesetzt. Vulcan will sich so lange mit einem weiteren Standort behelfen.
Stark wachsende Nachfrage
Lithium ist ein entscheidender Rohstoff für die Wirtschaft, vor allem für die Automobilindustrie. Dort wird Lithium benötigt, um Batterien für Elektrofahrzeuge zu fertigen. Und gerade hierbei wollen die heimischen Hersteller wie auch die Bundesregierung Wertschöpfungsketten nach Deutschland und Europa verlagern. "Der Bedarf hierzulande wird also, abhängig von der Kapazität und der Ausbaugeschwindigkeit, enorm steigen", sagt Valentin Goldberg. Er forscht am Karlsruher Institut für Technologie zur Lithiumgewinnung durch Geothermie.
Auch Experten der Deutschen Rohstoffagentur gehen von einer deutlich wachsenden Nachfrage aus. In Europa könnte der Bedarf durch den Ausbau der Elektromobilität bis 2030 bei 73.000 Tonnen Lithium liegen, meint Michael Schmidt von der Rohstoffagentur. Auch ein deutlich höherer Bedarf sei denkbar. Zum aktuellen Zeitpunkt ist Deutschland dabei komplett auf Importe angewiesen.
Chile und Australien als Produzenten
Den Weltmarkt teilen also bislang andere Länder unter sich auf. So werden nach Zahlen der Rohstoffagentur rund 75 Prozent des weltweit geförderten Lithiums in Chile und Australien produziert. Das Lithium wird dort aus Solen oder aus Festgestein gewonnen. Dabei werden mitunter riesige Mengen Wasser verbraucht und es wird in die Umwelt eingegriffen; hinzu kommt der hohe CO2-Ausstoß durch sehr lange Transportwege. China beispielsweise spielt als Exporteur eine Schlüsselrolle, nicht zuletzt beim Handel mit Lithium-Ionen-Batterien. Könnte sich all das durch deutsche Geothermie-Projekte ändern?
"Der Abbau in Deutschland kann da eine tragende Rolle spielen und den Bedarf zumindest im zweistelligen Bereich decken", sagt Forscher Valentin Goldberg. Gleichzeitig zeigen globale Prognosen ein Lithiumdefizit an. Das heißt, wir werden in Zukunft jedes Lithium brauchen, das wir produzieren können."
Pläne auch bei EnBW
Relevant sind hier etwa das Erzgebirge, aber eben auch der rund 300 Kilometer lange Oberrheingraben, der sich bis nach Südwestdeutschland erstreckt. Hier gibt es unterirdische Reservoirs an Thermalwasser. Dabei ging es aber jahrelang darum, das Wasser als Wärmequelle zu nutzen. Nicht darum, dass enthaltene Lithium zu gewinnen. Doch gerade wegen der deutschen Abhängigkeit von Importen bei kritischen Rohstoffen - und angesichts der globalen Krisen - ist das Interesse an den heimischen Lithiumvorkommen rasant gewachsen. Neben Vulcan will unter anderem das Energieunternehmen EnBW Lithium aus Thermalwasser fördern.
Vor Ort ist das Bohren in die Tiefe aber durchaus umstritten. Vor allem Bürgerinitiativen protestieren dagegen. Denn immer wieder haben Geothermie-Vorhaben in der Vergangenheit kleinere Erdbeben ausgelöst, etwa im Elsass nahe Straßburg. 2020 stoppte deswegen die örtliche Verwaltung ein entsprechendes Projekt. Auch auf deutscher Seite hatten die Tiefenarbeiten Schäden an Gebäuden verursacht.
Sorgen der Bürgerinitiative
"Das Risiko eines Erdbebens ist da. Und wenn es passiert, ist das für die gesamte Region eine Katastrophe", sagt Werner Müller, Vorsitzender einer Bürgerinitiative, die sich gegen Geothermie in Landau ausspricht. "Wir haben die Sorge, dass Schäden im Untergrund entstehen, die nicht beherrschbar sind und vielleicht erst in Jahren auftreten."
Experte Valentin Goldberg hält das Risiko insgesamt aber für überschaubar. "So wie das bei Straßburg gemacht wurde, wäre es hierzulande nicht genehmigungsfähig", sagt der Geowissenschaftler. Projekte in Deutschland würden engmaschig überwacht. "Das fängt schon bei der Planung an, die ein sehr detailliertes Untergrundgutachten fordert", dazu komme etwa die laufende Aufzeichnung von Bodenvibrationen, bevor sie für Menschen spürbar seien. "Insgesamt überwiegen die Vorteile im Vergleich zu dem verbleibenden Restrisiko", bilanziert Goldberg.
Ohne Importe wird es nicht gehen
Könnte Deutschland aber komplett unabhängig von Lithium-Importen werden? Rohstoff-Experte Michael Schmidt hat eine klare Meinung: "Die Industrie in Europa und somit auch Deutschland wird auf Importe angewiesen bleiben. In Summe könnten Projektumsetzungen und Bergbau in Europa aber dazu führen, die Importabhängigkeit um 25 bis 35 Prozent zu reduzieren."
Um das zu erreichen, sollen weitere Geothermie-Kraftwerke entstehen - nicht nur in der Pfalz. Die Bundesregierung plant jedenfalls mit 100 neuen Projekten bis zum Jahr 2030.