Heimischer Anbau in der Krise Warum es weniger Erdbeeren aus der Region gibt
In Deutschland lohnt es sich immer weniger, Erdbeeren anzubauen. Viele Landwirte setzen auf andere Obst- und Gemüsesorten. Ob die heimische Erdbeere eine Zukunft hat, hängt auch von den Konsumenten ab.
"Ich habe immer gerne Erdbeeren angebaut, aber es geht einfach nicht mehr", sagt der Landwirt Albrecht Schäffer. Vor rund 20 Jahren hat er den elterlichen Betrieb in Ravensburg am Bodensee übernommen und über viele Jahre vor allem Gemüse und Erdbeeren angebaut, mittlerweile nur noch auf 0,8 Hektar von insgesamt 22. Auf dem Rest baut er Getreide für Viehfutter an.
Kommendes Jahr ist dann mit den Erdbeeren ganz Schluss. Der Grund sei die schlechte Erlössituation, so Schäffer. "2012 bis 2019 waren immer wieder schlechte bis katastrophale Jahre bei der Erdbeerernte. Es gab Jahre mit 3000 Euro Verlust pro Hektar."
Mit dem Mindestlohn steigen die Preise
Erdbeeren seien sehr exponiert, was die Witterung angehe. Frost, Hagel, Regen: All das beeinflusst die Ernte sehr. Jahre, in denen es nochmal späten Frost gab, hätten bei ihm zu einem Ausfall von 60 bis 80 Prozent geführt. "Was jetzt noch obendrauf kommt, sind die gestiegenen Kosten für Dünger und vor allem der Mindestlohn von zwölf Euro die Stunde", so Schäffer.
Um einen Hektar Erdbeeren zu ernten, brauche er mindestens zehn Erntehelfer, erklärt Schäffer. Für einen Hektar Apfelanbau brauche man dagegen nur einen. "Die Lohnkosten bei Erdbeeren fallen einfach stärker ins Gewicht." Hinzu komme, dass Erdbeeren nicht wie Äpfel gelagert werden können. Erdbeeren, die geerntet werden, müssen auch direkt verkauft werden. Und je nachdem, wie viele Erdbeeren zeitgleich auf den Markt drängen, sei der Preisdruck groß.
Spargel statt Erdbeeren
Bei Schäffer geht es mit der Erdbeerernte erst in zwei bis drei Wochen los. Bei Rolf Haller aus Horgenzell am Bodensee ist die Erdbeerernte schon angelaufen. "Die Erdbeeren sehen super aus, wir stehen vor einer sehr schönen Ernte", sagt Haller optimistisch. Zurzeit ernten sie 100 Kisten am Tag, in der Haupternte ab Juni sind es dann etwa 6000 Kisten à fünf Kilogramm am Tag. Haller baut auf 100 Hektar Erdbeeren an, sie machen bei ihm 60 bis 70 Prozent des Anbaus aus.
Doch auch er wird die Erdbeer-Anbauflächen wohl im nächsten Jahr reduzieren müssen und dafür dann mehr Spargel anbauen. "Die Preise bei Düngemittel und Treibstoff sind gestiegen, aber das meiste macht der Mindestlohn aus", sagt auch Haller. "Bei den Erdbeeren macht die Hälfte der Kosten der Lohn aus."
Konkurrenzdruck aus dem Ausland
Hinzu komme die Konkurrenz aus dem Ausland. "Portugal, Spanien - da ist der Mindestlohn ein anderer. Die können günstiger produzieren und günstiger verkaufen. Und dann stehen die günstigen Erdbeeren aus Spanien neben den teuren aus der Region." Da sei dann auch der Verbraucher gefragt: 2022 hat Haller versucht, die 500-Gramm-Schale für 4,50 Euro zu verkaufen - und blieb auf seiner Ware sitzen. Also sei er wieder auf 2,90 Euro runter gegangen, den Preis von 2021 - mit Verlusten. In diesem Jahr wird die 400-Gramm-Schale bei ihm im eigenen Hofladen 3,90 Euro kosten.
Die Hälfte seiner Ernte verkauft Haller über den Direktverkauf, also über die Hofläden, Verkaufsstände und über Markthändler auf dem Wochenmarkt. Die andere Hälfte geht in den Einzelhandel. Haller hofft, dass der Mindestlohn nicht noch weiter steigt. Er würde sich eine Ausnahme für den Obstanbau wünschen, zumal die meisten Saisonkräfte aus dem Ausland kommen. Seine Sorge: Wenn alle Landwirte die Anbaufläche reduzieren, gibt es irgendwann viel weniger regionale Produkte.
Anbauflächen gesunken
Tatsächlich sind die Erdbeer-Anbauflächen laut Statistischem Bundesamt in Deutschland insgesamt von 19.123 Hektar im Jahr 2014 auf 14.862 Hektar im Jahr 2022 gesunken. "Die Produktionskosten in arbeitsintensiven Kulturen steigen zu stark und zu schnell. Die Erlöse steigen bei Weitem nicht im gleichen Maße oder sinken sogar. Die steigenden Kosten sind direkt von den Bauernfamilien zu tragen und belasten diese zu stark", heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der landwirtschaftlichen Verbände am Bodensee.
Und weiter: "Eine Sonderregelung beim Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte der Landwirtschaft und des Gartenbaus würde erreichen, dass die Betriebe nicht derart stark bis existenzbedrohend belastet werden. Diese Ausnahme ist auch dringend notwendig, um die heimische Produktion arbeitsintensiver Kulturen zu erhalten und Produktionsverlagerungen ins Ausland zu verhindern."
"Landwirte sind engagiert"
Landwirt Schäffer aus Ravensburg hat sich schon vor Jahren ein zweites Standbein als Software-Entwickler für landschaftliche Berechnungen aufgebaut, erzählt er. Wegen der gestiegenen Risiken will er nicht 100 Prozent auf die Landwirtschaft setzen; ganz aufgeben wird er sie vorerst aber auch nicht.
"Es macht mich traurig. Landwirte sind engagiert, die bringen viel Einsatz, viel Engagement", sagt er. "Wenn man davon dann nicht mehr leben kann, ist das eine fragliche Entwicklung."