Klimaforschung Warum die Meere ungewöhnlich warm sind
Die Temperatur des oberflächennahen Meerwassers ist weltweit ungewöhnlich hoch. Das liegt nicht nur am menschengemachten Klimawandel, sondern vermutlich auch an einem Vulkanausbruch im Südpazifik.
In den nächsten Tagen gelangt Kaltluft polaren Ursprungs über die Nordsee nach Mitteleuropa und bringt den Mittelgebirgen einen ersten winterlichen Gruß in Form einiger Zentimeter Neuschnee. Zwar rieseln die Flocken auch bis ins Tiefland, doch nur in Höhenlagen oberhalb von etwa 500 Metern dürfte sich das winterliche Ambiente auch bis in die kommende Woche hinein halten.
Die Luftmasse bleibt dann erst mal etwa zwei bis fünf Grad kälter als um diese Jahreszeit üblich, das reicht aber trotzdem noch nicht für Dauerfrost im Flachland. Ihre Temperatur in Bodennähe beträgt zwar zu Beginn der Reise vor der Ostküste Grönlands zwischen Minus 20 und Minus 15 Grad Celsius, jedoch streicht die Luft über die nach Süden zunehmend warme Nordsee und erreicht dann mit etwa Plus 2 bis Plus 4 Grad deutlich milder die deutsche Küste.
Warme Farbtöne auf allen Weltmeeren
Das ist um diese Jahreszeit ein ganz normaler Vorgang, jedoch ist das Nordseewasser in der Deutschen Bucht abseits der Küste mit elf bis 14 Grad etwa ein bis drei Grad wärmer als üblich. Das ist für sich genommen nicht besorgniserregend, jedoch ist auch die Temperatur des oberflächennahen Meerwassers in der Ostsee verbreitet 0,5 bis 2,5 Grad wärmer als normal. Und auch im Mittelmeer liegt das Temperaturniveau meist ein bis drei Grad über dem Mittel der Jahre zwischen 1971 und 2000.
Betrachtet man die weltweiten Anomalien, so überwiegen warme Farbtöne auf allen Weltmeeren rund um den Globus. Zwischen 1982 und 2011 lag die oberflächennahe Wassertemperatur im weltweiten Mittel um diese Jahreszeit bei 20,0 Grad. Der niedrigste Wert betrug 19,7, der bisher höchste 20,5, aktuell sind es 20,8 Grad. Diese Wärmeanomalie existiert nicht erst seit gestern, wie aufgrund der thermischen Trägheit der Ozeane zu vermuten ist. Bereits seit März 2023 wird diese beispiellose Erwärmung beobachtet.
Auswirkungen von El Niño
Einen Hinweis auf eine Ursache findet sich in der auffälligen Warmwasser-Zunge, welche sich entlang des Äquators ausgehend von der südamerikanischen Küste fast 10.000 Kilometer westwärts auf den Pazifik erstreckt. Innerhalb dieses gigantischen Meeresgebietes liegt die Meeresoberflächentemperatur seit Monaten zwei bis fünf Grad höher als normal. Dies sind die Auswirkungen des sich aktuell vollziehenden El-Niño-Ereignisses, einer im Abstand von etwa zwei bis sieben Jahren wiederkehrenden, natürlichen Schwankung der Meeresoberflächentemperatur in dieser Region.
Beim letzten El Niño, welcher von 2014 bis 2016 dauerte, kam es zu weltweiten Temperaturrekorden und Niederschlagsanomalien. Auch im Zuge des aktuellen Ereignisses sind die Auswirkungen global. In Brasilien beispielweise leiden die Menschen bereits jetzt vor dem südhemisphärischen Sommer unter ungewöhnlichen Hitzewellen, und der Amazonas-Regenwald wird von der extremsten Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen vor über 120 Jahren heimgesucht.
Rekordwert am 17. November
Da während El Niño große Wärmemengen vom Ozean in die Atmosphäre gelangen, liegt auch die globale Mitteltemperatur der bodennahen Luftschichten auf Rekordniveau. Am 17. November wurde laut Angaben des Copernicus-Klimawandeldienst der Europäischen Union mit 2,06 Grad zum ersten Mal ein Wert registriert, der mehr als zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau, also dem Mittel der Jahre 1850 bis 1900, lag.
Das ist jene Grenze, die nach der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen im mehrjährigen Mittel nicht überschritten werden soll. Durch höhere Werten an einzelnen Tagen wird dieses Schwelle zwar noch nicht überschritten, jedoch ist dies ein untrügliches Warnsignal.
Vulkanausbruch in Tonga
Die auffällige Erwärmung anderer ausgedehnter Meeresgebiete, im Atlantik und im Indischen Ozean, lassen sich jedoch nicht direkt auf El Niño zurückführen. Am 15. Januar 2022 brach der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Haʻapai im Inselstaat Tonga im Pazifik aus. Durch die unterseeische Eruption gelangten neben kühlend wirkenden Schwefeldioxid-Aerosolen gewaltige Mengen Wasserdampf in die Stratosphäre und verteilten sich in den Folgemonaten global.
Nun ist Wasserdampf ein wirksames Treibhausgas, wirkt also erwärmend. Welche Komponente überwiegt, ist Gegenstand aktueller Forschungen. Jedoch ist bisher kein vergleichbarer Ausbruch beobachtet worden, so dass die Auswirkungen sowie deren Dauer auf die globale Mitteltemperatur und die oberflächennahe Meerestemperatur noch unklar sind.
Sicherer sind jedenfalls die Auswirkungen der menschengemachten Klimaerwärmung. Denn die Ozeane nehmen bis zu 90 Prozent der zusätzlichen Wärmeenergie auf, die durch steigende Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre entsteht. Ein gigantischer Puffer, dessen Kapazität aber sicherlich nicht unendlich ist.