Sturm auf das US-Kapitol Von Trump ernannter Richter gegen Begnadigungen
Donald Trump will an seinem ersten Tag als US-Präsident massenhaft Teilnehmer des Aufstands vom 6. Januar 2021 begnadigen. Vorerst gehen die Prozesse und Verurteilungen aber weiter - auch durch von Trump berufene Richter.
Seit Donald Trumps Wahlsieg vor gut zwei Wochen gibt der designierte US-Präsident fast täglich neue und teils sehr kontroverse Personalentscheidungen bekannt. Loyalen Trump-Anhängern kommen Schlüsselpositionen zu - wie etwa dem rechten Hardliner Matt Gaetz, der Justizminister werden sollte, dann aber zurückzog.
Die Personalien könnten damit zusammenhängen, dass Trump für den ersten Tag seiner Amtszeit radikale Entscheidungen angekündigt hat: Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung will er massenhaft abschieben, Teilnehmer am Sturm auf das Kapitol, der kurz vor der Machtübergabe an Joe Biden im Jahr 2021 stattfand, begnadigen.
"Frustrierend und enttäuschend"
Ausgerechnet ein von Trump ernannter US-Bundesrichter sprach sich nun gegen mögliche Begnadigungen für am Aufstand Beteiligte aus. Es wäre "mehr als frustrierend und enttäuschend", wenn der designierte Präsident massenweise Randalierer begnadige, sagte Richter Carl Nichols während eines Gerichtstermins laut Abschrift. "Aber das ist nicht meine Entscheidung", fügte er hinzu, wie die Nachrichtenagentur AP berichtete.
Angestachelt von Behauptungen Trumps, ihm sei der Wahlsieg gestohlen worden, hatten seine Unterstützer am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt. Nichols leitet den Prozess gegen einen mutmaßlichen Beteiligten, dem Angriffe auf Polizisten vorgeworfen werden.
Der Angeklagte postete wenige Stunden nach Trumps Wahlsieg, dass er am Tag von dessen Amtseinführung frei sein werde. Dann könnten er und andere "politische Gefangene" des 6. Januar "endlich nach Hause zurückkehren".
Auch einige Richter argumentierten zuletzt, die Prozesse seien wegen der angekündigten Begnadigungen Geldverschwendung und sollten nicht weitergeführt werden.
Mehrheit der Prozesse läuft weiter
Die meisten Richter schließen sich solchen Forderungen jedoch nicht an und positionieren sich ähnlich wie Nichols. Ein wegen Angriffen auf Polizisten verurteilter Mann sagte bei seiner Urteilsverkündung kurz nach der Wahl, er erwarte für die Kapitol-Stürmer "Patriotismus-Begnadigungen", wie der US-Sender CNN berichtete. Die vorsitzende Richterin Dabney Friedrich, die ebenfalls von Trump ernannt worden war, habe den Mann als wahnhaft kritisiert. Sie verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren.
Mehr als 1.500 Menschen wurden wegen der Gewalt vom 6. Januar angeklagt, Hunderte verurteilt. Ex-Präsident Trump hingegen lobt die Beteiligten bis heute als Patrioten. Er hatte während des Wahlkampfes teils widersprüchliche Angaben dazu gemacht, wen und wie viele Verurteilte er begnadigen wolle.
Dem Time Magazine sagte Trump, er ziehe die Begnadigung aller in Betracht. Später fügte er aber hinzu: "Wenn jemand böse und gemein war, würde ich das noch einmal anders betrachten." Im Gespräch mit dem Sender NBC schloss er allerdings auch Enrique Tarrio nicht aus, den ehemaligen Anführer der rechtsextremen "Proud Boys", der wegen aufrührerischer Verschwörung zu 22 Jahren Haft verurteilt wurde.
Trumps Einfluss auf die Justiz
Als Präsident hat Trump umfassende Befugnisse, Massenbegnadigungen auszusprechen. In Bezug auf die Prozesse gegen ihn selbst wird er davon aller Voraussicht nach aber nicht Gebrauch machen müssen. Drei der vier Strafverfahren werden zu den Akten gelegt oder vertagt. Und im New Yorker Prozess um Schweigegeld an eine Pornodarstellerin, in dem Trump bereits verurteilt wurde, wird die Verkündung des Strafmaßes wohl erst nach seinen vier Jahren im Amt bekannt gegeben.
Trump hatte während seiner ersten Amtszeit drei neue Richter für den neunköpfigen Supreme Court, das höchste Gericht der USA, ernannt. Die konservative Mehrheit des Gerichtshofs kippte nicht nur das bundesweite Abtreibungsrecht, sondern verschärfte auch die Regeln für die Verurteilung von am Sturm auf das Kapitol Beteiligten. Kritiker befürchten, Trump könnte mit künftigen Berufungen von Richtern sowie Gefolgsleuten das Rechtssystem beeinflussen.