DeutschlandTrend

Februar 2008 Deutschland rückt nach links

Stand: 08.02.2008 17:34 Uhr

Die Partei Die Linke hat nach zwei erfolgreichen Landtagswahlen Rückenwind. Als einzige Partei kann sie laut ARD-DeutschlandTrend an Boden gewinnen: Bei der Sonntagsfrage kommt sie auf elf Prozent und wird damit zur drittstärksten politischen Kraft. Die Isaf-Mission bleibt umstritten, ein Kampfeinsatz der Bundeswehr wird klar abgelehnt.

Von Jörg Schönenborn, WDR

Der Einzug der Partei Die Linke in die Landtage von Hannover und Wiesbaden ist Indiz für die Veränderung der deutschen Parteienlandschaft, aber auch für die wachsende Akzeptanz dieser Partei. Von der übergroßen Mehrheit wird sie zwar weiterhin als Protestpartei wahrgenommen: 75 Prozent der Befragten sagen, die Linkspartei "löse zwar keine Probleme, nenne die Dinge aber wenigstens beim Namen". Aber: 59 Prozent betrachten sie als "eine demokratische Partei, wie alle anderen Bundestagsparteien auch."

Und am meisten überrascht, dass 50 Prozent der Befragten erklären, sie stimmten "in einigen Punkten mit den politischen Positionen der Linkspartei" überein. Ganz offensichtlich treffen Lafontaine, Gysi und Co mit vielen ihrer Forderungen den Zeitgeist, auch wenn sie nicht wirklich als gestaltende politische Kräfte akzeptiert werden. So sind nur 22 Prozent der Ansicht, die Linke habe bewiesen, dass sie regierungsfähig ist. Immerhin 39 Prozent begrüßen aber, dass die Linke nun im Westen auch zunehmend in Landesparlamente einzieht.

Deutschland ist wahrnehmbar nach Links gerückt. Das veränderte Profil der Linken ist dafür nur ein Anzeichen neben vielen anderen im neuen DeutschlandTrend. In einer Langzeitbeobachtung misst Infratest dimap seit vielen Jahren, wie weit links oder rechts die Deutschen ihre Parteien im Spektrum einordnen und vor allem, wo sie selbst stehen. Das Ergebnis: Auf einer Zehner-Skala haben sich die Deutschen im Jahr 2001 selbst im Durchschnitt exakt in der Mitte eingeordnet. Heute sind sie um 0,5 Punkte nach links gerückt.

Und auch die Wahrnehmung der Parteien hat sich merklich verschoben. 2001 sahen die Deutschen die SPD noch 0,7 Punkte links von der Mitte. Heute steht sie bei 0,9. Sehr viel deutlicher ist die Verschiebung bei der CDU. 2001 wurde sie 1,5 Punkte rechts von der Mitte eingestuft, heute nur noch 0,9 Punkte. Unverändert geblieben ist die Einordnung der FDP (0,4 Punkte rechts der Mitte) und der Grünen (1,4 Punkte links der Mitte). Am weitesten links steht natürlich – schon namensbedingt – die Linkspartei (3,6 Punkte links der Mitte).

Das sind mehr als Zahlenspiele. Diese Untersuchung belegt einen gesellschaftlichen Klimawechsel, den vor allem die beiden großen Volksparteien schon aus Selbsterhaltungsinteresse mitmachen mussten.

Kein großer Schrecken vor Linksbündnis

Naturgemäß löst auch der Gedanke eines Linksbündnisses keinen allzu großen Schrecken mehr aus in einer Gesellschaft, die sich eher nach links orientiert. So sind immerhin 44 Prozent der Befragten der Ansicht, SPD und Grüne sollten den Gedanken einer Koalition mit der Linken nicht von vornherein verwerfen, sondern dies je nach Bundesland und politischer Situation im Einzelfall prüfen. Unter den Wählern von SPD und Grünen gibt es für diese abwägende Position sogar Mehrheiten um die 60 Prozent.

Das heißt aber nicht, dass die Deutschen sich nach einem solchen Bündnis sehnen. Sie sind ganz eindeutig noch nicht vorbereitet auf die neue Wirklichkeit vieler deutscher Parlamente, in denen es für die klassischen Koalitionen einer großen und einer kleinen Partei keine Mehrheiten mehr gibt.

Dreier-Konstellationen werden – egal wie sie aussehen – mehrheitlich abgelehnt. Auf Länderebene findet die Ampel aus SPD, FDP und Grünen dabei mit 39 Prozent noch die stärkste Unterstützung, gefolgt von der Jamaika-Koalition mit 38 Prozent und der rot-rot-grünen Koalition mit 24 Prozent. Offenbar müssen die Parteien nicht nur ihre Mitglieder, sondern auch ihre Wähler noch auf ihre neuen Optionen vorbereiten.

Wulff und Steinmeier beliebt, Koch im Meinungstief

Natürlich haben die Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen auch die persönlichen Gewichte der Spitzenpolitiker neu justiert. Roland Koch findet sich jetzt mit nur noch 24 Prozent Zustimmung fast am Ende der Skala wieder – hinter ihm rangiert nur noch Oskar Lafontaine mit 20 Prozent. Und am oberen Ende macht Christian Wulff einen Sprung auf Rang 4. Dass er im Landtagswahlkampf darauf verzichtet hat, die Kampagne zur Ausländerkriminalität zu übernehmen, verschafft ihm Respekt und immerhin 51 Prozent Zustimmung.

Ganz oben liegt Außenminister Steinmeier in diesem Monat mit 67 Prozent um einen Punkt vor Kanzlerin Angela Merken (66 Prozent). Und Roland Koch muss auch hinnehmen, dass er von der Mehrheit der Deutschen nicht als Sieger der Landtagswahl in Hessen wahrgenommen wird – auch, wenn seine CDU knapp stärkste Partei geblieben ist. 50 Prozent der Befragten wünschen sich, dass Andrea Ypsilanti (SPD) die nächste Landesregierung in Wiesbaden anführt. Nur 33 Prozent sähen Roland Koch gerne in dieser Rolle.

Breite Ablehnung von Kampfeinsätzen

Bleibt der Blick auf das aktuelle Thema dieser Woche: Afghanistan. Hier laufen die politische Debatte und die Akzeptanz in der Bevölkerung in entgegengesetzte Richtungen. Auch wenn der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wegen seiner Wiederaufbaukomponente bei den Deutschen immer besser angesehen war als andere Auslandsengagements, hat er weiterhin keine wirkliche Unterstützung. 55 Prozent wünschen sich, dass die Bundeswehr möglichst schnell ihre Soldaten aus dem Land zurückzieht. 42 Prozent sind der Ansicht, die Bundeswehr sollte weiter in Afghanistan stationiert bleiben und sich um Friedenserhaltung bemühen.

Fast vollständig abgelehnt wird hingegen die Überlegung, dass die Bundeswehr künftig auch an Kampfeinsätzen teilnimmt – sei es im Rahmen der Eingreiftruppe im Norden oder als Ersatz für andere Nato-Partner im Süden. 86 Prozent formulieren hier ein klares Nein. Auf keinem anderen Politikfeld hat die Bundesregierung ihre Hausaufgaben derart mangelhaft erledigt, wenn es darum geht, eigene Entscheidungen den Wählerinnen und Wählern zu vermitteln.

Untersuchungsanlage DeutschlandTrend
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews
Fallzahl: 1000 Befragte (700 West / 300 Ost)
Sonntagsfrage: 1500 Befragte
Erhebungszeitraum: 4. bis 5. Februar 2008
Sonntagsfrage: 4. bis 6. Februar 2008
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte