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Bürgerschaftswahl Hamburg bleibt SPD-Hochburg
Eine Woche nach dem Debakel bei der Bundestagswahl hat Hamburgs Erster Bürgermeister Tschentscher die SPD zum Sieg geführt. Trotz Verlusten bleibt sie stärkste Kraft. Die CDU zieht an den Grünen vorbei. Rot-Grün kann aber weitermachen.
"Hamburg bleibt in guten Händen", schreibt der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz an Wahlsieger Peter Tschentscher in seinem Gratulationspost auf X. Scholz hatte mal in Hamburg regiert, bis er 2018 nach Berlin wechselte und sein Parteifreund Tschentscher übernahm. Seitdem regiert der 59-Jährige zusammen mit den Grünen - und kann dieses Bündnis auch fortsetzen. Er hat aber auch eine andere Option, was ihn in eine machtpolitisch komfortable Situation bringt.
Bei der Bürgerschaftswahl kam die SPD laut Ergebnis der vereinfachten Auszählung auf 33,5 Prozent. Das ist zwar weniger als die gut 39 Prozent, die die SPD bei der Wahl 2020 erreichte, aber immer noch ein satter Sieg. Zahlen, von der die Bundespartei derzeit sehr weit entfernt ist.
Wegen des komplizierten Wahlrechts gibt es in Hamburg am Wahlabend nur eine vereinfachte Auszählung. Die eigentliche Auszählung aller Stimmen beginnt erst am Tag nach der Wahl. Die Zahlen können sich deshalb noch etwas ändern.
Grüne werden von der CDU überholt
Tschentschers bisheriger Koalitionspartner - die Grünen - können ihr Rekordergebnis von 2020 nicht halten und rutschen auf 18,5 Prozent ab. Damit sind sie nur noch drittstärkste Kraft hinter der CDU. Spitzenkandidatin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank zeigte sich dennoch erleichtert. Die Grünen gehen von einer Fortsetzung ihres Bündnisses mit der SPD aus. Fegebank sagte zu den von Tschentscher angekündigten Gesprächen, sie nehme den Bürgermeister beim Wort.
Zu den Gewinnern der Wahl kann sich die CDU zählen. Die Partei von Spitzenkandidat Dennis Thering legt nach ihren historisch schlechten 11,2 Prozent von 2020 nun auf 19,8 Prozent zu und steigt damit zur zweitstärksten politischen Kraft in Hamburg auf. Sie wird aber voraussichtlich in der Opposition bleiben, auch wenn Tschentscher ankündigte, auch mit der CDU sprechen zu wollen.
Linke erstmals zweistellig
Bei der Linken wird auch bei dieser Wahl gejubelt. Nach ihrem Überraschungserfolg auf Bundesebene wird die Partei in Hamburg erstmals zweistellig. Sie kommt auf 11,2 Prozent. Das ist zwar nur leicht besser als 2020, als sie gut neun Prozent erreichte, aber zwischenzeitlich hatte man die Linke fast totgeglaubt. Das zweistellige Hamburger Wahlergebnis für die Linke dürfte auch viel mit dem für die Partei günstigen Bundestrend zu tun haben.
Die AfD bleibt in Hamburg weit hinter Ergebnissen wie zuletzt im Bund zurück. Sie kommt auf 7,5 Prozent und legt damit im Vergleich zu 2020 leicht zu (5,3 Prozent).
FDP mit Negativrekord
Die FDP scheitert mit 2,3 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Das ist ein neuer Negativrekord für die Liberalen bei einer Bürgerschaftswahl. Das Bündnis Sahra Wagenknecht war erstmals bei der Bürgerschaftswahl angetreten und verpasst mit 1,8 Prozent ebenfalls klar den Einzug ins Landesparlament. Die Europapartei Volt zieht an beiden Partei vorbei und kam auf 3,3 Prozent.
Wie schon bei der Bundestagswahl vor einer Woche war das Interesse auch an der Hamburger Wahl groß: Die Wahlbeteiligung stieg auf 68 Prozent. 2020 hatten 63,0 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Rund 1,3 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger ab 16 Jahren waren wahlberechtigt.
Weiter so in Hamburg?
In Hamburg stehen die Zeichen auf eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Sowohl Tschentschers SPD als auch die Grünen hatten sich im Wahlkampf entsprechend geäußert. Auch bei den meisten Hamburgern und Hamburgerinnen ist dies Umfragen zufolge die Wunschkoalition. Es habe eine große Zustimmung zur Regierungsarbeit gegeben, inhaltlich wie im Stil, sagte Tschentscher. Die bisherige Zwei-Drittel-Mehrheit hätte Rot-Grün aber nicht mehr.
Der 59-Jährige kündigte an, zuerst mit den Grünen zu sprechen, dann aber auch mit der CDU. Er freue sich auf Sondierungsgespräche mit der SPD, sagte CDU-Spitzenkandidat Thering in der ARD. Es helfe Hamburg, wenn dort dieselben Partner wie im Bund regieren würden.
Hamburg ist nicht Berlin
Doch die Bundespolitik scheint weit weg von den Verhältnissen in der Hansestadt. "Hamburg ist anders", sagte auch Tschentscher im Wahlkampf immer wieder und wollte am liebsten wenig zu tun haben mit dem Bundes-Ballast. Die Hamburger SPD konnte sich vom Bundestrend ein Stück weit abkoppeln und ist im Stadtstaat doppelt so stark wie im neuen Bundestag. Das Ergebnis "tut der SPD insgesamt auch gut", sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch.
Konkrete Folgen für den Bund dürfte diese einzige Landtagswahl in diesem Jahr aber nicht haben. CDU und SPD wollen an diesem Montag ihre Sondierungen fortsetzen - früher als erwartet und unter großem Druck. Grund sind auch die jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Konflikt nach dem Eklat beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus.
Sollten Union und SPD im Bund zu einer Koalition zusammenkommen, müssen sie bis weit ins kommende Jahr keine Rücksicht mehr auf Landtagswahlen nehmen. 2026 folgen Landtagswahlen in fünf Bundesländern mit zusammen rund 23 Millionen Einwohnern, und zwar in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.