Trumps zweite Amtszeit Wie weiter in der Ukraine-Politik?
US-Präsident Trump will sich außenpolitisch zurückziehen. Verteidigungsminister Pistorius reist nun zu europäischen Verbündeten, um über die Ukraine-Unterstützung zu sprechen. Wie stellt Deutschland sich auf?
Donald Trump hat nun auch offiziell das Weiße Haus übernommen und lässt keinen Zweifel daran, dass er eine gänzlich andere Außen- und Verteidigungspolitik will. Gleichzeitig führt Russland unvermindert Krieg gegen die Ukraine. Dazwischen ist der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius nun auf Reisen zu den Verbündeten in Litauen, Polen und Frankreich - mit reichlich Diskussionsstoff im Gepäck.
Im Wahlkampf hatte der neue US-Präsident aufhorchen lassen: Säumigen NATO-Partnern will Trump den Schutz verwehren. Und überhaupt sollten die Mitgliedsstaaten fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigungsausgaben aufbringen statt wie bisher nur zwei.
Derzeit liegt Deutschland an der untersten Zielmarke. Und das auch nur, weil das 100-Milliarden-Euro Sondervermögen für die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene "Zeitenwende" mehr Geld in die Bundeswehr spült.
Bewegung in den Militäretats
Die Bündnispartner im Baltikum sind da schon einen Schritt weiter, sie geben deutlich mehr für Verteidigung aus. Litauen etwa, das erste Reiseziel von Verteidigungsminister Pistorius, wendete laut NATO-Schätzung im vergangenen Jahr 2,85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf.
Als erstes NATO-Mitglied hat sich das Land kürzlich für fünf bis sechs Prozent ausgesprochen. Die zusätzlichen Mittel will Litauen für "Leopard"-Panzer, Flugabwehrsysteme und andere Militärgüter ausgeben. Im Nachbarland Polen lagen die Verteidigungsausgaben laut NATO 2024 geschätzt bei 4,12 Prozent.
Trump scheint Bewegung in die Militäretats der Europäer gebracht zu haben - oder zumindest in die Diskussion darüber. Pistorius ist sich sicher: "Wir Europäer müssen mehr für unsere eigene Sicherheit und Verteidigung tun." Vielfach macht sich in den EU-Ländern die Erkenntnis breit, dass sie mehr Eigenverantwortung übernehmen müssen - einerseits wegen der Bedrohung durch Russland und zu dessen Abschreckung, andererseits, weil die US-Unterstützung zurückgehen könnte.
Wie Europa seine Kräfte bündelt
Für Anfang Februar hat EU-Ratspräsident António Costa die Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Gipfel zur europäischen Verteidigungspolitik eingeladen, offiziell wegen der russischen Aggressionen und zunehmender hybrider und Cyber-Angriffe. Inoffiziell dürfte aber auch der veränderte US-amerikanische Kurs eine Rolle spielen.
Bei dem Treffen in einem Schloss nahe Lüttich wird neben dem britischen Premier Keir Starmer auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte zu Gast sein. Rutte wird eine gute Verbindung zum neuen US-Präsidenten nachgesagt. Er betrachtet das Zwei-Prozent-Ziel längst als Geschichte. "Um ehrlich zu sein, sind zwei Prozent nicht annähernd genug, um in den kommenden Jahren sicher zu sein. Als Parlamentarier wissen Sie sehr gut, dass Sicherheit nicht zum Nulltarif zu haben ist", sagte Rutte jüngst im Europaparlament in Brüssel - und betonte, dass es bei mehr als drei Prozent liegen müsse.
Bei dem Gipfel beraten die EU-Mitgliedsstaaten aber nicht nur über die Verteidigungsetats, sondern auch darüber, wie sie privates Geld mobilisieren können. Ganz allgemein wird es auch um engere Zusammenarbeit und verstärkte Partnerschaften gehen.
Group of Five für schnellere Rüstungsbeschaffung
Ein Vorgeschmack darauf liefern die fünf Länder Polen, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Sie haben sich zur sogenannten Group of Five zusammengeschlossen und zuletzt Mitte Januar in der Nähe von Warschau beraten, wie sie Rüstungsgüter schneller beschaffen und Informationen intensiver auszutauschen können. Eine Idee ist beispielsweise, von technischen Entwicklungen in der Ukraine zu profitieren.
Vorzeige-Projekte gebe es bereits in der Drohnenproduktion. So habe die Software von Drohnen, die für die Spezialkräfte beschafft werden, mit den Erfahrungen aus der Ukraine weiterentwickelt werden können. Pistorius will "diese industrielle Zusammenarbeit auch auf andere Fähigkeitsbereiche ausweiten".
Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie
Potenzial sehen die fünf Länder auch in der Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie, etwa durch Joint Ventures, beispielsweise gemeinsame Tochterfirmen von deutschen und ukrainischen Rüstungsunternehmen. So könnten freie Produktionskapazitäten der ukrainischen Rüstungsfirmen effektiver genutzt werden - nicht nur für die Dauer des Krieges, sondern auch für die Zeit danach.
"Dabei können und sollen unsere Rüstungsunternehmen mit ihrem Know-how sowie ihren jeweiligen Lieferketten eine wichtige Rolle spielen", erklärte Pistorius. Ein Kalkül dahinter: Mehr Innovation und Effizienz könnten auch die Verteidigungsetats der Partner schonen.
Dennoch dürfte Deutschland mehr für Verteidigung aufbringen müssen. "Zwei Prozent werden nicht ausreichen", ist Pistorius überzeugt. Wenn das Sondervermögen weg sei, brauche man ab 2028 mindestens 85 Milliarden Euro - 30 Milliarden mehr als heute. Für das vergangene Jahr hatte Deutschland Ausgaben für Verteidigung in Höhe von etwa 52 Milliarden Euro eingeplant - plus Geld aus dem Sondervermögen.
Die Brigade Litauen soll starten
Doch Geld allein schafft noch keine schlagkräftige Truppe. Bei der Aufstellung einer kompletten Brigade in Litauen zeigen sich die Schwierigkeiten. Deutschland stationiert auf Dauer 4.800 Soldatinnen und Soldaten in der Nähe der litauischen Hauptstadt Vilnius, um das russische Regime abzuschrecken und die NATO-Ostgrenze zu sichern. Es ist das größte Vorhaben seiner Art in der Geschichte der Bundeswehr.
Seit April hat ein Vorkommando von etwa 20 Mann vor Ort mit den Vorbereitungen begonnen. Inzwischen ist dort ein sogenannter Aufstellungsstab mit 150 Soldatinnen und Soldaten tätig. Zusammen mit den Litauern sollen sie alles organisieren, was ein Großverband braucht: Kasernen und Übungsplätze, aber auch Wohnungen und Betreuungsmöglichkeiten für die Familien der Bundeswehrangehörigen. 2025 soll die Truppenverlegung beginnen, 2027 die Brigade dann voll einsatzbereit sein.
Den Zeitplan hält CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte für ambitioniert: "Pistorius hätte die Stationierung besser strecken und von vornherein multinational ausrichten sollen. Das trifft jetzt das Deutsche Heer - personell und materiell."
Das notwendige Gesetz fehlt noch
Auch die Grünen-Politikerin Sara Nanni meinte nach ihrem jüngsten Besuch in Litauen, "dass noch sehr viel zu tun ist, in der Tat, aber die Leute, die da vor Ort für uns Verantwortung übernehmen, das auf eine sehr zielstrebige Art versuchen, umzusetzen."
Für den neuen Großverband braucht es zum einen schweres Gerät wie Kampf- und Schützenpanzer. Zum anderen müssen sich genügend Soldaten finden, die bereit sind, an der NATO-Ostgrenze zu dienen. Die Bundesregierung will ihnen die Entscheidung mit Zulagen und Umzugshilfen erleichtern, aber noch beraten die Parteien das dafür notwendige Gesetz im Verteidigungsausschuss.
"Das ist einfach verschleppt worden von der Ampel", kritisiert CDU-Politiker Otte. Nächste Woche könnte es auf der Tagesordnung des Bundestags stehen. Vorausgesetzt, Pistorius ist zu Zugeständnissen bereit - etwa bessere Pendelmöglichkeiten für die Soldatinnen und Soldaten. Es könnte eine Blaupause werden für weitere Anforderungen der NATO während der zweiten Amtszeit von Donald Trump.