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Marktbericht

Tech-Zahlen wirken nach Erleichterung an der Wall Street

Stand: 29.07.2022 22:28 Uhr

Gute Unternehmensbilanzen haben zum Wochenschluss die US-Märkte gestützt. Aber auch die Aussicht auf einen Verlangsamung im derzeitigen Zinszyklus hebt die Stimmung der Investoren.

Mit deutlichen Gewinnen sind die großen US-Aktienindizes heute aus dem Handel gegangen. Der Leitindex Dow Jones schloss am Ende bei 32.845 Punkten, ein Tagesgewinn von 0,97 Prozent. Die Technologiebörse Nasdaq gewannt 1,88 Prozent auf 12.390 Zähler, der marktbreite S&P-500-Index endete bei 4130 Zählern, ein Plus von 1,42 Prozent.

Nicht nur die abgelaufene Woche, auch der Monat Juli waren ausgesprochen gute Monate gewesen. Der Dow Jones legte im Wochenvergleich knapp 3,0 Prozent zu und im Monatsvergleich sogar 6,7 Prozent. Noch besser lief es für den marktbreiten S&P-500-Index, der im Juli um 9,1 Prozent anzog, so viel wie seit über 80 Jahren nicht mehr.

Unter den Einzeltiteln legten heute unter anderem die große Ölmultis ihre Zahlen vor. Die beiden Platzhirsche aus dem Dow Jones, Chevron und Exxon Mobil, glänzten dabei mit Rekordgewinnen. Bereits gestern hatten schon die europäischen Ölfirmen starke Quartalsberichte vorgelegt. Die export- und damit dollarabhängigen Konsumgüterartikler Procter & Gamble und Colgate Palmolive legten hingen durchwachsene Berichte vor.

Hauptthema im Unternehmenssektor waren aber die überraschend gut ausgefallenen Quartalsberichte der beiden Tech-Riesen Amazon und Apple vom Vorabend. Analyst Lee Horowitz von der Deutschen Bank nannte Amazon "den Hafen im konjunkturellen Sturm". Anleger hatten im Vorfeld befürchtet, dass die hohen Zinsen und die Inflation die Kauflust der Kunden belasten würde, was aber nicht der Fall war.

Amazon-Papiere behaupteten ihren hohen nachbörslichen Stand vom Vortag und legten am Ende 10,36 Prozent zu. Der weltgrößte Online-Händler schickte ungeachtet der hohen US-Inflation mit einem Umsatz über den Experten-Erwartungen und einem optimistischen Ausblick seine Aktie auf Höhenflug.. Amazon gab im zweiten Quartal einen Umsatz von 121,2 Milliarden Dollar bekannt.

Gut aufgenommen von den Anlegern wurde auch die Apple-Bilanz mit einem Kursplus von 3,28 Prozent auf 162,51 Dollar. Auch bei den Apple-Aktionären herrscht Erleichterung. Denn der iPhone-Hersteller meistert die Herausforderungen durch Lieferkettenprobleme und die galoppierende Inflation. Im abgelaufenen Quartal stiegen die Erlöse um zwei Prozent auf 83 Milliarden Dollar. Beobachter hatten vermutet, dass sich Verbraucher beim Einkauf von teuren Apple-Produkten stärker zurückhalten könnten.

Für einen Schock unter den Investoren sorgte hingegen Intel mit seiner Zahlenvorlage. Der Chipriese hat nach einem Umsatzeinbruch und roten Zahlen im vergangenen Quartal seine Jahresziele kassiert. Intel rechnet mit weniger Umsatz und Gewinn als noch vor drei Monaten. Anleger ließen die Aktie heute gnadenlos fallen, das Papier brach um 8,56 Prozent ein.

Eingeleitet wurde die Aufwärtsbewegung aber schon am Mittwoch, als die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zwar die Leitzinsen erneut wie erwartet um 75 Basispunkte angehoben hatte, gleichzeitig aber ein zukünftig etwas moderateres Vorgehen im Zinszyklus signalisiert hatte. Zudem fiel die Berichtssaison der Unternehmen bisher insgesamt nicht so schlecht aus, wie von so manchem Beobachter im Vorfeld befürchtet.

Der deutsche Leitindex DAX hat sich mit einem deutlichen Tagesgewinn von 1,52 Prozent auf 13.484 Punkte ins Wochenende verabschiedet. Auf Wochensicht legte der Index damit 1,7, auf Monatssicht sogar 5,4 Prozent zu. Das war der stärkste Juli-Anstieg seit sechs Jahren. Im Tageshoch wurde mit 13.515 Punkten die Marke von 13.500 Punkten leicht überwunden. Auch der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, rückte um 2,01 Prozent auf 27.364 Zähler vor.

Kräftigen Rückenwind erhielt der heimische Markt heute von der Wall Street, schwächere Wirtschaftsdaten traten hingehen zurück. Die Ergebnisse der beiden US-Techgrößen waren auch bei den heimischen Investoren mit Spannung erwartet worden.

"Gerade bei den Big-Techs waren große Einbrüche durch die steigenden Zinsen befürchtet worden", sagte Marktexperte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. "Dass die Big-Techs jetzt solide berichten, nimmt viel Druck und auch viel Angst aus dem Markt." Auch der in Aussicht stehende moderatere Zinskurs der Fed strahlt derzeit auf die europäischen Märkte positiv aus.

Auch wenn über den Atlantik aktuell viel Optimismus an die Märkte kommt, der genau Blick auf die Wirtschaftsdaten mahnt weiter zur Vorsicht. Denn die deutsche Wirtschaft hat im Frühjahr stagniert. Das Bruttoinlandsprodukt war zwischen April und Juni gegenüber dem Vorquartal unverändert, wie das Statistische Bundesamt heute Vormittag mitteilte. Ökonomen hatten mit 0,1 Prozent Wachstum gerechnet.

Nach dem beispiellosen Einbruch des GfK-Konsumklima und dem stark gefallenen ifo-Geschäftsklima und Einkaufsmanagerindex mehren sich damit hierzulande die negativen Konjunkturindikatoren.

"Derzeit scheinen die Anleger wohl zu glauben, es sei alles schön und gut. Aber das ist nicht der Fall, wie man an den Konjunkturdaten erkennt, die derzeit veröffentlicht werden", sagte Michael Brown vom Finanzhaus Caxton.

Auch die unklare Lage bei den Gaslieferungen aus Russland belastet weiter die Märkte. Experten sind sich einig, dass ohne russisches Gas eine Rezession wohl kaum zu vermeiden wäre. "Wie sich die Wirtschaft am Ende tatsächlich entwickelt, hängt vor allem von Putins Gaslieferungen ab", betont Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Dieser Nervenkrieg um das Gas wird Unternehmen und Verbraucher weiter verunsichern, sie werden sich beim Geldausgeben zurückhalten. Das Rezessionsrisiko steigt."

Update Wirtschaft vom 29.07.2022

Anne-Catherine Beck, HR, tagesschau24

Ein weiterer negativer Konjunkturindikator kam am Vormittag aus Brüssel: Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise in der Eurozone im Juli um 8,9 Prozent, wie das EU-Statistikamt mitteilte. Dies ist die höchste Rate seit Einführung des Euros als Buchgeld 1999. Im Vormonat waren die Verbraucherpreise um 8,6 Prozent gestiegen. Experten hatten lediglich eine Beschleunigung auf 8,7 Prozent erwartet.

Der Rekordwert bei der Inflation unterstreicht einmal mehr, wie spät dran die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihren Zinserhöhungen ist. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde hatten sich erst im Juli zu einer ersten Zinserhöhung von 0,5 Prozent durchgerungen. Die EZB habe schon lange die Kontrolle über die Inflationserwartungen verloren, monieren viele Ökonomen. Die EZB hätte spätestens zum Jahreswechsel 2021/2022 die Zinswende einläuten müssen, ist auch Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest überzeugt.

Das zögerliche Verhalten der EZB hat lange dem Euro zugesetzt, der mit der Parität zum US-Dollar ringt, sich aber auf niedrigem Niveau inzwischen etwas stabilisiert hat. Im US-Handel stiegt die Gemeinschaftswährung wieder über die Marke von 1,02 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0198 (Donnerstag: 1,0122) Dollar fest. Eine Feinunze Gold kostete 1761 Dollar, ein leichtes Plus von knapp 0,4 Prozent.

Die hohen Energiepreise und trübere Konjunkturaussichten stimmen den Kunststoffkonzern Covestro noch vorsichtiger für das laufende Jahr. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wird nun zwischen 1,7 und 2,2 Milliarden Euro erwartet, nach bisher 2,0 bis 2,5 Milliarden, wie das DAX-Unternehmen überraschend am Freitag kurz nach Börsenschluss mitteilte. Der neue Ausblick liegt damit unter der durchschnittlichen Analystenschätzung. Die Aktien fielen auf der Handelsplattform Tradegate im Vergleich zum Xetra-Schluss zunächst um 1,6 Prozent.

Im DAX bleibt auch die VW-Aktie ein großes Thema. Der designierte Konzernchef Oliver Blume will laut "Spiegel" seinen Posten als VW-Produktionsvorstand aufgeben. Porsche-Chef Blume, der den Chefposten bei der Sportwagentochter behalten will, wolle auch Aufsichtsrats- und Beiratsmandate abgeben und wohl auch nicht den Audi-Aufsichtsrat führen. Blume wolle sich darauf konzentrieren, gleichzeitig den VW-Konzern und Porsche zu führen.

Der Energiekonzern EnBW sieht in der Gas-Krise keinen Bedarf für milliardenschwere Hilfen oder ein Eingreifen des Staates bei seiner Gastochter VNG. "Es gibt momentan keine Notwendigkeit", sagte EnBW-Chef Frank Mastiaux gestern vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf auf eine entsprechende Frage. Bei der VNG komme etwa ein Fünftel des Gases aus Russland und davon "nur ein kleiner Teil aus der Nord-Stream-Pipeline". "Wir reden hier über eine andere Größenordnung", betonte Mastiaux.

Der Münchner Chip-Zulieferer Siltronic schraubt die Umsatzprognose wegen des starken Dollars nach oben, hält seine Gewinnerwartungen aber konstant. Der Hersteller von Siliziumscheiben (Wafer) für die Chip-Produktion rechnet nun für das laufende Jahr mit einem Umsatzzuwachs von 21 bis 27 (bisher 15 bis 22) Prozent. Im zweiten Quartal schnellte der Umsatz - auch dank Preiserhöhungen für die Wafer - um fast 30 Prozent auf 442,2 Millionen Euro.

Der Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub wird nach einem deutlichen Umsatzplus im ersten Halbjahr etwas zuversichtlicher für sein Jahresziel. Im laufenden Jahr sollen die Erlöse das obere Ende der Bandbreite von 3 bis 3,3 Milliarden Euro erreichen, teilte das im MDAX notierte Unternehmen mit. Für das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) peilt das Unternehmen weiterhin das untere Ende der Bandbreite von 360 bis 390 Millionen Euro an.

Gestiegene Zinsen in wichtigen Ländern haben der spanischen Großbank BBVA im zweiten Quartal einen überraschend starken Gewinnsprung beschert. Der Überschuss sei im Jahresvergleich um 139 Prozent auf fast 1,68 Milliarden Euro geklettert, teilte das Geldhaus am Freitag in Madrid mit. Auch ohne Sondereffekte hätte der Zuwachs noch 45 Prozent betragen. Die geplante Übergewinnsteuer für Banken in Spanien stößt bei der BBVA-Führung allerdings auf Kritik: "Spanien braucht Wachstum, keine Besteuerung von Banken", sagte Bankchef Onur Genc im Gespräch mit Analysten.

Glänzende Geschäfte am Aktienmarkt und mit Privatkunden haben der französischen Großbank BNP Paribas ein kräftiges Gewinnplus beschert. Der Gewinn stieg im zweiten Quartal dabei stärker als von Experten erwartet. Der Überschuss kletterte um gut neun Prozent auf knapp 3,2 Milliarden Euro, teilte die Bank am Freitag in Paris mit. So viel hatte die Bank nach einer Erhebung der Nachrichtenagentur "Bloomberg" noch nie verdient. Die Erträge legten um 8,5 Prozent auf rund 12,8 Milliarden Euro zu. Damit lagen die beiden wichtigen Kennziffern über den Erwartungen der Experten. BNP gilt als eine der größten Banken der Eurozone.

Der Rückzug aus Russland hat Renault einen Milliardenverlust beschert. Für das erste Halbjahr wies der französische Autobauer einen Nettoverlust von fast 1,4 Milliarden Euro aus. Im Vorjahr hatte noch ein Gewinn von 350 Millionen Euro zu Buche gestanden. Renault hatte seinen Mehrheitsanteil an dem russischen Hersteller Lada zu einem symbolischen Betrag an ein russisches Forschungsinstitut verkauft.

Der Schweizer Rückversicherungskonzern Swiss Re ist im zweiten Quartal 2022 in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt. Im ersten Halbjahr stand unter dem Strich ein Gewinn von 157 Millionen Dollar. Nach den ersten drei Monaten hatte der Nettoverlust noch 248 Millionen Dollar betragen. Die Erreichung der Ziele 2022 hänge nun in hohem Maße von der Entwicklung der Finanzmärkte und der Großschäden im zweiten Halbjahr 2022 ab.

Der französisch-niederländische Luftfahrtkonzern Air France-KLM senkt seine Kapazitätsprognose für das dritte Quartal. Hintergrund seien Schwierigkeiten an Flughäfen wegen des globalen Personalmangels, so die Airline. Die Kapazität solle im laufenden Quartal zwischen 80 und 85 Prozent des Vor-Corona-Niveaus liegen, im Vergleich zur früheren Prognose von 85 bis 90 Prozent.

Das Kabinenpersonal der Billigairline Easyjet in Spanien hat seinen für das Wochenende geplanten Streik gestrichen. Die für Freitag bis Sonntag vorgesehenen Arbeitsniederlegungen seien abgesagt worden, teilte die zuständige spanische Gewerkschaft USO gestern mit. Die britische Fluggesellschaft habe "deutliche Lohnverbesserungen" von insgesamt 22 Prozent bis 2024 zugesagt.

Die Aktionäre des italienischen Ölkonzerns Eni dürfen sich auf weitere Geldflüsse freuen. Das Unternehmen will nach erfolgreichen ersten sechs Monaten dieses Jahr weitere Aktien im Wert von 1,3 Milliarden Euro zurückkaufen. Bereits am Vortag hatten Shell, Totalenergies und Repsol Rekordgewinne vorgelegt und teilweise Aktienrückkaufprogramme angekündigt.

Gute Geschäfte mit Corona-Medikamenten stimmen den Pharmahersteller AstraZeneca optimistischer für den Umsatz im laufenden Jahr. 2022 solle das Wachstum des Gesamterlöses nun im niedrigen Zwanziger-Prozentbereich liegen, teilte das britisch-schwedische Unternehmen heute in Cambridge mit. Bislang hatte das Management ein Plus im hohen Zehnerprozentbereich in Aussicht gestellt.

Aktien von L'Oréal legen zum Wochenschluss deutlich zu. Die Analysten von Bernstein sprachen von besser als erwarteten Zahlen des französischen Kosmetikkonzerns. Vor allem bei Luxuskosmetika habe das Unternehmen überzeugt. L'Oréal wachse derzeit doppelt so schnell wie der Markt. Auch die Margenentwicklung habe überzeugt.

Sony hat wegen einer Abkühlung des Playstation-Geschäfts und schwacher Ergebnisse mit Finanzgeschäften seine Gewinnprognose gesenkt. Der japanische Elektronikriese rechnet nun für das bis Ende März laufende Geschäftsjahr mit einem Gewinn von 800 Milliarden Yen (5,8 Mrd Euro). Das wäre ein Rückgang von 9,3 Prozent. Im Mai war Sony noch von 830 Milliarden Yen Nettogewinn ausgegangen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 29. Juli 2022 um 09:00 Uhr.