Sanktionen gegen Russland "Das Geschäft findet immer seinen Weg"
Waren wie deutsche oder italienische Luxuswagen dürfte es wegen der Sanktionen in Russland offiziell nicht mehr geben. Doch findige Geschäftsmänner haben neue Wege gefunden - wenn auch zu einem deutlich höheren Preis.
Es ist die Stunde von Menschen wie Ararat Mardoyan. Der 41-jährige Armenier kauft und verkauft Autos: am liebsten Luxuskarossen, am liebsten an reiche Russen - ausgerechnet. Denn offiziell stehen Luxusgüter dort unter EU-Sanktionen. Ihr Export nach Russland ist verboten.
Was sich für ihn seit Kriegsbeginn verändert habe? "Absolut nichts", antwortet er, ohne zu überlegen.
Die Routen für die Einfuhr sanktionierter Waren hätten sich einfach verändert, erzählt Mardoyan, der zwischen der armenischen Hauptstadt Eriwan und Moskau pendelt. Es sei kein Geheimnis, dass die EU den Import über einige westliche Häfen unterbunden habe. Aber Russland sei ein derart großes Land: "Sie haben keine Ahnung, wie viele alternative Möglichkeiten es in Russland gibt, ins Land zu kommen."
Importe über Umwege
Über welche Wege genau Mardoyan seine Luxusautos nach Russland verkauft, will er nicht verraten. Geschäftsgeheimnis. Er erwähnt mehrmals aber den durch Sanktionen selbst blockierten Iran - oder Georgien und Kasachstan.
Ein kleines Land wie Armenien, das könne man mit Embargos und Sanktionen vielleicht noch abschotten, meint Mardoyan. Russland aber, das ein Achtel der Fläche dieser Welt einnehme, blockieren zu wollen - das finde er lächerlich: "Das Geschäft findet immer einen Weg."
Das, womit Mardoyan in Zeiten wie diesen sein Geld verdient, heißt offiziell "Parallelimport" und funktioniert ganz einfach: Originale Waren, die beispielsweise wegen Sanktionen in einem Land nicht mehr zu kaufen sind - seien es Autos, Waschmaschinen oder Ersatzteile - werden über ein anderes Drittland bestellt und importiert.
Illegale Praxis nun rechtens
Vor Kriegsbeginn waren sogenannte Parallelimporte, wie in vielen Ländern, auch in Russland verboten. Denn sie schaffen einen grauen, kaum zu kontrollierenden Markt. Anfang März aber legalisierte der Kreml diese Praxis und aktualisiert nun ständig eine lange Liste an Waren, die ganz legal "parallel importiert" werden dürfen. Die Liste führt über 50 Kategorien an Waren auf. Dort finden sich Automarken wie Tesla, Mercedes Benz, Ferrari oder Aston Martin.
Für den Autohändler Mardoyan ist "Parallelimport" für das heutige Russland allerdings das falsche Wort. Er nennt das, was er beruflich macht, lieber "Multi-Kanal-Importe". Aus einem ganz einfachen Grund: "Parallelimporte" liefen, wie der Name ja schon sage, rechtlich als auch logistisch, parallel zu offiziellen Importen, erklärt Mardoyan. Wenn offizielle Importe aber grundsätzlich fehlten, dann seien das keine "Parallelimporte" mehr, sondern die einzigen, die es gebe.
Erfundene wirtschaftliche Daten
Der Ökonom Steven Tian hat zusammen mit seinen Kollegen der Yale School of Management eine weltweit diskutierte Studie zur wirtschaftlichen Lage Russlands veröffentlicht. Zum ersten Mal haben sie sich nicht auf offizielle Daten verlassen - die, wie die Autoren der Studie selbst sagen, mittlerweile "unterdrückt" und "erfunden" würden - sondern haben um die offiziellen Zahlen herumgerechnet.
Es gebe zwar eine ganze Reihe von neu erlassenen Regelungen zu "Parallelimporten", erklärt Tian, die "im Wesentlichen Urheberrechtsverletzungen legalisieren" - und natürlich auch "Schwächen in den Lieferketten", die Geschäftsmänner wie Mardoyan ausnutzten.
Doch dafür, dass diese "Parallelimporte" das Wegbrechen von Einfuhren nach Russland aufhalten könnten, gebe es keine Anzeichen. Parallel importierte Waren seien ein ganz kleiner Teil des Gesamtbildes. Insgesamt, so rechnet die Studie vor, seien die Importe nach Russland um mittlerweile mehr als die Hälfte zurückgegangen.
"Parallelimporte" halten den Trend nicht auf
Wer heute neue Ersatzteile für Flugzeuge oder Bildschirme für iPhones in Russland kaufen wolle, erklärt Jeff Sonnenfeld, einer der Studienautoren, müsse dafür mittlerweile zwischen 100 und 500 Prozent mehr bezahlen. Die Inflation sei - ganz anders als von Russlands Präsident Wladimir Putin immer behaupte - keineswegs am Abflachen. "Parallelimporte" hätten ihren Preis, erläutert Sonnenfeldt.
Für Mardoyan aber ist all das weniger schlimm. Umwälzungen im Wirtschaftssystem seien eben immer ungemütlich, meint der Autohändler. Außerdem seien die Sanktionen doch auch eine Chance: darauf, jetzt wirtschaftlich unabhängig zu werden - mittelständische, statt multinationale Konzerne in Russland zu fördern.
Dass Russland in den vergangenen Jahrzehnten allerdings noch nie wirtschaftlich unabhängig war, und auch, dass es vor allem Rohstoffe und Getreide exportierte, das meiste andere aber importieren musste, das erwähnt Mardoyan nicht.