
Deutsche Rüstungsfirmen Eine boomende Industrie
Bislang gehört die deutsche Rüstungswirtschaft zu den kleineren Industriezweigen in Deutschland. Mit der veränderten Sicherheitslage wächst die Branche rasant - und fordert jetzt Verlässlichkeit von der Politik.
"Die Industrie benötigt langfristige Perspektiven, die mit Bestellungen unterlegt sind", sagt Klaus-Heiner Röhl, Rüstungsexperte am Institut der deutschen Wirtschaft. "Von Diskussionen über erhöhte Verteidigungsausgaben haben die Hersteller nicht viel." Für Röhl ist klar, dass die Rüstungsausgaben schnell und deutlich erhöht werden müssen in der derzeitigen geopolitischen Lage. "Die Kapazitäten müssen hier ausgeweitet werden durch Einbeziehung bislang ziviler Industriewerke oder Neuerrichtung von Produktionsstätten."
Die Branche wachse rasant, sagen Beobachter, aber: "Die Verteidigungsindustrie ist im Vergleich zur gesamten Industrie eine eher kleine Branche, auch nach den leichten Steigerungen der vergangenen drei Jahre. Die Endhersteller wie Rheinmetall, KNDS, TKMS oder Diehl haben rund 60.000 Mitarbeiter in Deutschland, einschließlich der Zulieferer sind es ungefähr 150.000", sagt Röhl. Fachleute gehen davon aus, dass Russland nach einem Waffenstillstand in der Ukraine in bis zu acht Jahren sein Militär regeneriert haben könnte für einen erneuten Angriff. "Es ist deshalb mehr Tempo bei der Beschaffung notwendig, aber auch bei Strukturreformen zur Vergrößerung der Bundeswehr", sagt der Forscher vom Institut der deutschen Wirtschaft.
Unterstützung aus Autoindustrie
Rüstung besteht nicht nur aus Panzern und Kampfjets: Eine vergrößerte Bundeswehr benötigt auch mehr Lkw oder leicht gepanzerte Geländefahrzeuge, die die Autoindustrie zügig liefern könnte. "Zudem zeigt der Krieg in der Ukraine die wachsende Bedeutung von Drohnen, die von anderen Herstellern als Kampf- und Schützenpanzer entwickelt und angeboten werden, zum Teil auch von Start-ups", sagt Klaus-Heiner Röhl.
Ein Blick auf die Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zeigt, dass der Großteil der umsatzstärksten Rüstungsfirmen aus den USA kommt. Von den deutschen Unternehmen schaffen es vier unter die Top 100. Neben Rheinmetall sind das Thyssenkrupp, Hensoldt und Diehl. Mittlerweile hat Rheinmetall aus Düsseldorf kräftig an der Spitze zugelegt. Seit dem russischen Angriffskrieg stieg der Aktienkurs deutlich an.
Beobachter weisen darauf hin, dass Rheinmetall in den vergangenen Jahren viele internationale Zukäufe getätigt habe und eine unterausgelastete Automobilzuliefersparte besitze.
"Welle neuer Bestellungen"
"Aus diesen Gründen hat Rheinmetall bessere Möglichkeiten als andere Hersteller, die Produktion noch weiter zu steigern", sagt Röhl. Auch der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sieht Potenzial in der Autoindustrie. "Aktuell bietet das Freiwerden von Ressourcen im Automobil- und Automobilzulieferbereich in Deutschland besondere Chancen, Rüstungskapazitäten gerade im Bereich größerer Serien schnell hochzufahren", sagt der Hauptgeschäftsführer Christoph Atzpodien. "Anstatt einen volkswirtschaftlichen Schaden durch den Abschwung der Auto-Konjunktur zu beklagen, sollten wir versuchen, Produktionseinrichtungen und vor allem Fachkräfte aus dem Automobilsektor möglichst verträglich in den Defence-Bereich zu überführen", so Atzpodien.
Auch er beobachtet die sich verschärfende geopolitische Lage in der Welt. "Die Konsequenz ist, dass die europäischen NATO-Länder mehr als bisher für ihre eigene Rüstung sorgen müssen und dies eine Welle neuer Bestellungen bei der europäischen und vor allem auch der deutschen Rüstungsindustrie auslösen wird", sagt Atzpodien.
Elektronische Kriegsführung aus Deutschland
Aylin Matlé forscht zu Sicherheit und Verteidigung für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Sie betont, dass es noch viel Wachstumspotenzial in Deutschland gebe. "Es gibt einige kleinere Unternehmen, wie zum Beispiel Helsing aus München, die im Bereich der Cybersicherheit und der elektronischen Kriegsführung auch immer stärker gefragt sind", sagt Matlé.
Genau das werde sicherlich auch ein wichtiger Bereich neben klassischen Panzern und Munition sein, in den Deutschland investieren müsse. Unternehmen, die zu KI und elektronischer Kriegsführung forschen, böten noch Wachstumspotenzial. "Es ist auf jeden Fall dringend notwendig, dass nicht nur die deutsche Rüstungsindustrie, sondern auch die europäische Rüstungsindustrien deutlich mehr wachsen wegen der Bedrohungslage", so Matlé.
Aber reichen die Kapazitäten aus in Deutschland in der aktuellen Situation? "Aus meiner Sicht kann die Industrie die Kapazitäten insgesamt schneller hochfahren als man dies allgemein vermutet", sagt Atzpodien vom Branchenverband. Helfen würden den Unternehmen drei Dinge, so seine Forderung: Es brauche eine langfristig tragfähige finanzielle Planbarkeit. Es helfe eine mit anderen EU-Ländern harmonisierte Ansage dazu, von welchem Produkt was benötigt werde. Und es müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden, um weitere Rüstungsanlagen in Deutschland schnell zu errichten.