JD Vance spricht auf der Münchner Sicherheitskonferenz
analyse

Auftritte in München Unterschiedliche Signale aus den USA

Stand: 15.02.2025 18:25 Uhr

Die Rede von US-Vizepräsident Vance auf der Sicherheitskonferenz hallt nach. Aber andere US-Politiker äußerten sich anders - hinter den Kulissen und auf der Bühne. Wie ist die Bilanz des US-Auftretens?

Von Jasper Ruppert, BR

Wie es im Ukraine-Krieg weiter geht, wie es um das transatlantische Verhältnis steht - das sind die Fragen, wegen der die Welt dieser Tage gespannt nach München blickt. Im Vorfeld gab es eine große Dynamik mit unterschiedlichen Signalen: US-Vizepräsident JD Vance erklärte, dass man Moskau mit weitreichenden Sanktionen belegen könne, wenn Putin nicht kooperativ sei. US-Präsident Donald Trump kündigte Verhandlungen mit Russlands Präsidenten Putin über das Schicksal der Ukraine an - ohne Kiew zunächst darüber zu informieren. Und der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth nannte eine NATO-Mitgliedschaft Kiews unrealistisch.

Eckhart Querner, BR, mit Beobachtungen und Reaktionen von der Münchner Sicherheitskonferenz

tagesschau24, 15.02.2025 19:00 Uhr

Eine Menge Klärungsbedarf - und die Münchner Sicherheitskonferenz hätte der ideale Ort sein können, um Pläne zu erläutern und gemeinsam zu besprechen. Es gab Beschwerden europäischer Vertreter, dass man bei Friedensverhandlungen möglicherweise nicht mit am Tisch sitzen werde.

Doch auf all das eingehen wollten die US-Regierungsvertreter nicht.

Selenskyj: "Lassen Sie mich ehrlich sein"

Nicht nur, dass Vance in seiner Rede die Ukraine nur am Rande streifte. Stattdessen setzte er zu einer halbstündigen Schimpftirade an und warf den Europäern mangelndes Demokratieverständnis vor. Andere Republikaner äußern sich in München ähnlich, US-Außenminister Marco Rubio meldet sich gar nicht zu Wort. Verteidigungsminister Hegseth ist gar nicht erst in München erschienen.

Auf der Bühne ist nichts zu den großen Fragen zu hören. Ist es in den Hintergrundgesprächen anders?

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird gefragt, ob bei seinem Aufeinandertreffen mit Vance mehr Details besprochen wurden und ob er das Gefühl hatte, dass der amerikanischen Seite bewusst sei, was auf dem Spiel steht. Selenskyj zögert. "Lassen Sie mich ehrlich sein", sagt er. "Daran müssen wir arbeiten". Aus dem Publikum ist ungläubiges Raunen zu hören.

Stephan Stuchlik, ARD Berlin, zum Auftritt von Selenskyj bei der MSC 2025

tagesschau, 15.02.2025 20:00 Uhr

Baerbock spricht von anderen Signalen

Außenministerin Annalena Baerbock erklärte, dass sie die Vertreter der US-Regierung hinter den Kulissen anders wahrgenommen habe als auf der Bühne. Bei einem Treffen mit Außenminister Rubio und dem Sonderbeauftragten Keith Kellogg habe sie ganz andere Töne gehört, sagte die Grünen-Politikerin. Die beiden US-Politiker hätten deutlich gemacht, dass es um die Geschlossenheit der NATO gehe.

Doch die Wirkung durch den Vance-Auftritt ist eine andere: Es entsteht der Eindruck, dass die USA wenig Interesse hätten, die Fragen rund um die Ukraine und Sicherheitspolitik mit den Europäern zu besprechen. Die Sorge, dass die USA einen Frieden mit Russland ohne Beteiligung Europas - und womöglich sogar ohne Mitwirkung der Ukraine - verhandeln, dürfte bei manchen größer geworden sein.

Trump-Vertrauter: Lob für NATO - Unterstützung für Vance

Einen Tag nach der Rede von Vance sitzen zwei US-Senatoren gemeinsam auf der Bühne: die Demokratin Jeanne Shaheen aus New Hampshire und der Republikaner Lindsey Graham aus South Carolina. Graham ist Stammgast auf der Sicherheitskonferenz, überzeugter Transatlantiker - und Trump-Vertrauter.

Zunächst sagt er das, was viele gerne von Vance gehört hätten: Die NATO sei gut, "sie sorgt für Stabilität", man brauche sie "mehr denn je". Graham plädiert für Stärke gegenüber Putin. Kurz muss er sein Statement unterbrechen - sein Handy klingelt: "Lasst mich kurz schauen, ob das Trump ist." Er ist es offenbar nicht.

Graham spricht weiter: Man hätte 2014 viel entschlossener gegenüber dem russischen Machthaber vorgehen müssen. Man müsse die Ukraine militärisch auf dem höchstmöglichen Niveau ausstatten. Aber wie es im Ukraine-Krieg weitergehen soll, wie es mit möglichen Verhandlungen aussieht - dazu äußert er sich nicht.

Eine Idee für die Zeit nach einem möglichen Friedensschluss stellt er allerdings vor. Man müsse sagen: "Putin, wenn du die Ukraine noch einmal angreifst, wird Kiew automatisch Mitglied der NATO."

Politologe Hacke zur Vance-Rede: "Fast schon politischer Kulturbruch"

tagesschau24, 15.02.2025 11:00 Uhr

Kritik von demokratischer Senatorin

Dann gibt es eine Meldung aus dem Publikum: Nach der Rede von Vance könne man das Gefühl haben, dass die USA Europa auseinanderdividieren wollten, erklärt eine Frau. Ob die beiden Senatoren das Publikum überzeugen könnten, dass dem nicht so ist. "Lindsey, das übernimmst Du", sagt die Demokratin Shaheen zum Republikaner Graham scherzhaft. Lachen im Saal.

Shaheen antwortet trotzdem: "Es ist keine gute Strategie, unsere Verbündeten zu attackieren." Gerade im Angesicht der gemeinsamen Gegner und Kontrahenten - Russland, China, Iran - liege die Stärke in der Zusammenarbeit.

Auch Graham geht auf die umstrittene Rede seines Parteikollegen Vance ein, zunächst mit einem ironischen Hinweis: "Was mir am besten gefällt, ist, dass Europa niemals Trump kritisiert". Dann unterstreicht er Punkte von Vance. Er kritisiert ebenfalls den Umgang mit der AfD in Deutschland und warf den Europäern vor, wichtige Probleme zu ignorieren und die Sorgen der Menschen nicht ernst zu nehmen: "Gesellschaften verändern sich zu schnell in die falsche Richtung - das ist etwas, das ihr von Amerika hören solltet". Er sei froh, dass Vance das ausgesprochen habe.

Deutliche Reaktionen aus Deutschland

Aber Vance hat es nicht nur angesprochen, sondern zum Hauptthema seiner Rede gemacht. Sein Angriff auf die Partner ist für die Sicherheitskonferenz einmalig - und das bestimmende Thema in München.

Schon kurz nach dem Auftritt des US-Vizepräsidenten nannte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Anschuldigungen von Vance "nicht akzeptabel". Kanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte in seiner Rede die Einmischung in deutsche Wahlen: "Das gehört sich nicht - erst recht nicht unter Freunden und Verbündeten."

Scholz wird anschließend gefragt, ob bei der Rede von Vance etwas dabei war, das es wert sei, sich damit zu beschäftigen. "Ah", stöhnt Scholz, erntet erste Lacher und schiebt ironisch hinterher: "Sie meinen all die relevanten Äußerungen zur Ukraine und der Sicherheit in Europa?". Aus den nun lauten Lachern wird langer Applaus.

Als CDU-Chef Friedrich Merz später nach seiner Friedensvision für die Ukraine gefragt wird, greift er auch erst mal Vances Rede auf: "Wir respektieren die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in den USA und wir erwarten, dass die USA das auch umgekehrt tun". Mit Blick auf einen AP-Journalisten, dem das Weiße Haus jüngst den Zugang verwehrt hat, erklärt Merz, dass das in Deutschland nicht möglich wäre. Laute Zustimmung im "Bayerischen Hof".

Trotz der drängenden Fragen rund um die Ukraine dürfte der Auftritt von Vance bei dieser Sicherheitskonferenz am meisten in Erinnerung bleiben. Immerhin habe er keinen Truppenrückzug der USA aus Europa angekündigt, hört man in München vereinzelt. Aber ob das so bleibt, ist eine andere Frage. Und was die USA konkret zur Beendigung des Ukraine-Kriegs vorhaben, ebenfalls.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 15. Februar 2025 um 16:00 Uhr.